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Krieg um die Sparergunst

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Nach der Aufhebung des Zinsenkartells übten die Kreditinstitute heftig den freien Wettbewerb. Kaumein Tag verging ohne lockendes Angebot. Was hat das gebracht?

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Nach der Aufhebung des Zinsenkartells übten die Kreditinstitute heftig den freien Wettbewerb. Kaumein Tag verging ohne lockendes Angebot. Was hat das gebracht?

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„Wie besprochen, so gebrochen“, hatte sich schon seinerzeit Heinrich Treichl, als CA-Generaldirek-tor (und auch als Liberaler) Gegner des Habenszinsabkommens, über den Vorläufer jener „Ordnungspolitischen Vereinbarungen“ mokiert, die Mitte 1989 ihr kurzes Leben aushauchten.

Dies deshalb, weil auch ihnen das Schicksal (fast) jedes Gentlemen's Agreement beschieden gewesen

war. Es mehrt sich die Zahl der schwarzen Schafe, die es mit der Herdenmoral nicht so genau nehmen.

Wie sehr dessen ungeachtet die Ordnungspolitischen Vereinbarungen-branchenübliches Kürzel OPV - den ihnen zugedachten Zweck erfüllt hatten, zeigt die Sturzflut nach dem Brechen dieses grosso modo doch ziemlich dichten Dammes: Den ganzen Sommer über verstrich kaum ein Tag, ohne daß in der Vorstandsetage irgendeines Kreditinstitutes ein neues Lockangebot für Einleger ausgeheckt worden wäre.

Die Sparer, vordem sogar darauf angewiesen gewesen, daß sich für ihren Kollektiwertragslohn namens Eckzins der ÖGB stark gemacht hätte, weinen begreiflicherweise den OPV keine Träne nach. Sehr wohl eine Träne nachweinen könnten ihnen jedoch schon bald selbst jene Kreditinstitute - hier wäre sogar die seit dem neuen Kreditwesengesetz geltende Sprachregelung: Banken nicht mißverständlich -, die auch das zweite Habenzinskartell zu Fall gebracht haben.

Das „schon bald“ bezieht sich auf den nächsten Bilanztermin: Bereits der Jahresabschluß 1989 wird in aller Regel zeigen, daß die in Österreich ohnehin notorisch geringe Zinsspanne, kaum daß sie sich dem international üblichen Abstand zwischen Ertrags- und Aufwandzinsen ein kleines Stück

angenähert hatte, neuerlich von Schwindsucht befallen worden ist, nur weil die Kreditwesengesetz-Novelle den Banken eine viel zu lange Frist für die Erreichung einer viel zu niedrigen Eigenkapitalquote eingeräumt hat.

Dies mit der Folge, daß es bei erstbester Gelegenheit - dem Auslaufen der OPV - zu einem Rückfall in das frühere Marktanteilsdenken gekommen ist: Brüsten wird man sich - was gilt die Wette? - schon bald wieder mit einem imposanten Einlagenzuwachs anstatt mit einem imposanten „Teilbetriebsergebnis“ als jener Schlüsselgröße für den Geschäftserfolg, bei der die meisten österreichischen Banken hinter den meisten ausländischen arg nachhinken.

Falls der Gewissenswurm aber nicht schon bei der Erstellung des Jahresabschlusses für das „Befreiungsjahr“ 1989 zu nagen beginnt, wird die bittere Erkenntnis, daß man mit dem Hinauflizitieren der Habenzinsen nicht mehr erreicht hat als eine Ertragsverschlechterung, spätestens beim Studium der Marktanteilsgewinne einsetzen, für die man einen so hohen Preis bezahlt hat.

4.295 Zweigstellen

Wenn sich nämlich aus der Vergangenheit irgendein Schluß auf die Zukunft ziehen läßt, dann der, daß das Freistilringen um Marktanteilsgewinne unentschieden zu enden pflegt - einerlei ob es, wie im Interregnum zwischen Habenzinsabkommen und OPV, als Preiswettbewerb oder, Wie seit der Freigabe der Filialgründungen am Vorabend des Kreditwesengesetzes 1979, als „Bequemlichkeitswettbewerb“ ausgetragen wird.

Von 1977 bis 1988 hat sich die Zahl der Zweigstellen nahezu verdoppelt (von 2.238 auf 4.295). Die damit - und, zumindest phasenweise, auch mit einem Wettlauf im Bereich der „grauen“ Zinsen - erzielten Marktanteilsverschiebun-

gen hielten sich jedoch (zumindest sektorenweise; bei einzelnen Instituten wie etwa der BAWAG mag das anders sein) in engen Grenzen: Die Aktienbanken sowie die Raiff-eisenkassen konnten ihren Marktanteil bei den Spareinlagen um 1,65 und 2,38 Prozentpunkte steigern; dies vorwiegend zu Lasten der Sparkassen und der Volksbanken, die 3,60 beziehungsweise 1,85 Prozentpunkte einbüßten. (Bei den Bankiers, den Landes-Hypotheken-anstalten und den Bausparkassen macht die Marktanteilsveränderung nicht einmal einen Prozentpunkt aus.)

Natürlich könnte dem Zweifel an der volkswirtschaftlichen Sinnhaf-tigkeit eines Freistilringens um Marktanteile, der in dieser Feststellung ebenso zum Ausdruck kommt wie in der Vermutung, daß es auch nach der jetzt eingeläuteten neuen Runde anstelle von strahlen-

den Siegern nur angeschlagene Kombattanten geben werde, die Behauptung entgegengehalten werden, daß ohne diesen Wettlauf um die Sparergunst überhaupt weniger gespart worden wäre. Beweisen läßt sich diese Behauptung aber kaum: Die Höhe der Zinsen beeinflußt erfahrungsgemäß nur die Art, wie Ersparnisse angelegt werden, und außer bei der Geschenkverteilung am Weltspartag macht es für den Sparer keinen Unterschied, wieviele Filialen er gleich um die Ecke vorfindet.

Der Autor ist Wirtschaftspublizist und Herausgeber der „Finanznachrichten“.

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