USA - © Foto: Pixabay

Trumps Republikaner: Entlichtet und entwertet

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Die US-Republikaner meinen, Donald Trump die Stange halten zu müssen. Sie opfern damit die Prinzipien ihrer Partei und jene der Demokratie. Vorbild einer Entwicklung auch bei uns?

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Die US-Republikaner meinen, Donald Trump die Stange halten zu müssen. Sie opfern damit die Prinzipien ihrer Partei und jene der Demokratie. Vorbild einer Entwicklung auch bei uns?

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„Demagogie ist die fragwürdige Fähigkeit, die kleinsten Inhalte in die größten Worte zu pressen.“ Abraham Lincoln hat das gesagt, der 16. Präsident der Vereinigten Staaten. Er war 1860 der erste Republikaner in diesem Amt. Seine Partei war angetreten, die Sklaverei abzuschaffen, sie war es, die gegen den Willen der Demokraten Bürgerrechte durchsetzte im Sinn von Menschlichkeit und Fortschritt. Heute sind die Republikaner die stärkste konservative Partei der westlichen Welt. Sie stellte mehr als die Hälfte der US-Präsidenten seit 1945, prägte entscheidend den wirtschaftlichen Kurs der USA und der Welt.

Aber das Bild ist heute ein anderes: Ihr soeben abgewählter Präsident zeigte in den vergangenen Jahren beinahe ausschließlich das, was Lincoln und seine Partei verabscheut hatten. Er presste nicht nur viele kleine Inhalte und Taten in die allergrößten Worte, sondern auch schäbige, rassistische, lügenhafte. Er hat die Bürgerrechte unterminiert, sich mit Rechtsradikalen verbrüdert, Corona verharmlost und den Klimawandel geleugnet. Und er versucht nun die Wahl der Amerikaner mit haltlosen Vorwürfen der Fälschung zu unterminieren.

Parteien, die ihre Moral dem Machterhalt opfern, landen wie von selbst unter der Knute der Volksverführer.

Oliver Tanzer

Was tut nun die Partei Lincolns? Nur eine Handvoll Republikaner leisten Widerstand, die Masse unterstützt den Abgewählten nach Kräften, betet seine Verschwörungsformeln nach und klammert sich an die Macht. Dort, wo bei Lincoln noch eherne Werte standen, machen sich nun Ressentiments breit. Statt Beweise für die Anschuldigungen zu liefern, wollen Republikaner nun Massenveranstaltungen mit dem Demagogen veranstalten. Der Charakter dieser Rallies ist unschwer zu erraten: Hetzparaden, triefend vor Geifer, mit einem Staatsoberhaupt, das den Mob dazu verleiten wird, sich an Staat und Demokratie zu vergreifen.

Düstere Optionen

Das sind die Republikaner 2020. Unfreiwillig symbolträchtig nahmen die Anwälte des Präsidenten diese Woche auf einem schäbigen Parkplatz irgendwo in Pennsylvania Aufstellung, zwischen einem Krematorium und einem Sexshop. Wenn zutrifft, was die Freunde des Präsidenten behaupten, dass die Republikaner nie wieder den Präsidenten stellen würden, sollte der Verlierer nicht im Amt bleiben, so stünde die Partei ja wirklich vor der Wahl zwischen Krematorium und Sexshop: Tod oder Obszönität. Aus der Entwicklung wächst nicht nur Gefahr für das mächtigste Land der Welt. Es ist auch zu erwarten, dass die Ereignisse dort zum Vorreiter der Entwicklung des Konservatismus im Rest der Welt werden – und das ist ja auch längst im Gange: zunächst mit einer inhaltlichen Entleerung, nach der von konservativer Moral wenig mehr übrig geblieben ist als eine Allergie gegen alles Soziale und ein männlich-übersättigter Aktionismus gegen Kriminalität und alles Fremde.

Beides sind keine Zeichen inhaltlicher Festigkeit. Die neue Härte widerspricht vielmehr den sozialen Ideen der Gründungsvätern dieser Parteien – auch der ÖVP. Es zeigt auch, wie in diesen Parteien Gemeinschafts-Werte zugunsten eines Liberalismus ausgetrieben wurden, der sich nun gegen die Wählerschaft wendet. Ein System, das Reichtum auf Kosten des sozialen Friedens schafft; fairen Wettbewerb durch brutale Konkurrenz ersetzt und statt Mut zur Empathie Feindbild-Erzählungen (Habenichtse, Flüchtlinge, Chinesen, Linke) verbreitet. Das alles hat jene Spaltung ermöglicht, vor der die USA nun stehen. Was es braucht? Eine Rückbesinnung für die Zukunft, die mit Lincoln beginnen könnte: „Ich muss nicht unbedingt gewinnen, aber ich muss ehrlich sein. Ich muss nicht unbedingt erfolgreich sein, aber immer das Licht in mir suchen.“ Das zu beherzigen ist kein Akt des guten Willens, es ist ein Akt des politischen Überlebens. Auch für die Demokratie der Vereinigten Staaten.

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