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Nach geplatzter Ehe der Elefanten droht Saurier-Hochzeit

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Die Medien machen es offenbar: die vielgepriesene pluralistische Gesellschaft mit ihren Freiheitsräumen und ihrem Fortschrittsglauben ist gar nicht so frei und fortschrittlich, wie gemeinhin angenommen und behauptet.

Die pluralistische Gesellschaft ist auf dem Marsch in die Singularität, mit der sich Freiheit und Fortschritt von selbst auflösen. Die Medien beweisen es und machen es erschrek-kend anschaulich:

Das fortschrittlichste Massenmedium, das auch am stärksten die Pluralität zu wahren hätte — das Fernsehen —, verfällt immer mehr der Einfältigkeit, Einförmigkeit, Ein-färbigkeit. Der Hörfunk hält noch verzweifelt das Banner der Vielfalt und Freiheit hoch. Der Film, einst Widerspiegelung fortschrittlicher Möglichkeiten der Gesellschaft in einer neuen Kunst, ist tot. Er kann auch durch gesetzliche Förderung kaum mehr zu einem Leben erweckt werden, das über bloßes Vegetieren am Rande der Entwicklung hinausgerät. Das wissen die Verantwortlichen: deshalb fällt es ihnen so leicht, sich vor ihrer Verantwortung zu drücken; sie lassen sich für ihre Wiederbelebungsversuche viel Zeit.

Die neueste Errungenschaft, die Meinungsmache via Kabel, ist über das Stadium des Studiums der Fabel schon hinausgediehen. Wenn Medienpolitiker dies bezweifeln oder gar bestreiten, so nur deshalb, um abzulenken, denn die Lenkung wird sich hier vervielfachen: Zehn oder noch mehr Programme auf Knopfdruck sind im Endeffekt nicht mehr als ein Programm, wenn die zehn, elf oder zwölf von einunddenselben gemacht werden: von Springer und Ferenczy, den Politkommissaren und Mediengeschäftemachern, die sich in den diversen, von der Obrigkeit diskret abgesegneten „Studiengesellschaften“ schon fett eingenistet haben.

Nur über der Presselandschaft dämmert noch ein Hoffnungsschimmer, der darauf hindeuten könnte, daß es mit dem Pluralismus, der Freiheit und dem Fortschritt noch nicht ganz zu Ende ist: Da regen sich noch Organe mit verhältnismäßiger Unabhängikeit, jenseits der Zwangsjacke der Sozialpartnerschaft, die an die „Eiserne Jungfrau“ erinnert: außen glatt, aber innen voll von Stacheln.

Die „Elefantenhochzeit“, die zur Niedertrampelung pluralistischer Meinungsbildung in unserem Lande geführt hätte, ist nicht zustandegekommen: Der „Kronen-Kurier“ ist nicht erschienen. Dafür gab es kürzlich den alarmierenden Versuch, eine „Saurierhochzeit“ herbeizuführen: zunächst getarnt durch eine „Volksbefragung“, die darüber hinwegzutäuschen hatte, daß dem Volksbegehren der Presse in Sachen Rundfunk, diesem ersten und letzten Aufgebot breiter Bevölkerungskreise für die Medien, nach zwei Rundfunkreformen noch immer nicht entsprochen ist.

Dem ORF sollte durch diesen Massenrummel Schützenhilfe geleistet und gleichzeitig die Auflage unterschoben werden, die „Kronen-Zeitung“ noch mehr direkt und indirekt zu fördern, als dies seit Bachers Abgang schon Übung geworden ist. Personalisiert kündigen sich delikate Kombinationen an: Oberhammer soll zum Schein geschont, aber von Zilk schließlich unter den Hammer gebracht werden. Zwischen diesen Fronten, die alle zu einer Front gehören, steht ein Medienfigaro und singt verzweifelt und atemlos die bekannte Rossini-Weise: „Alles auf einmal, alles auf einmal, ich kann nicht mehr...“

Zwar kam bisher nur der „goldene Hans Moser“ für einen schlagersingenden Goldenboy älteren Jahrgangs heraus: doch der „Kronen-ORF“, aus dem schließlich ein „Kronen-Kabel-ORF“ hervorgehen soll, spukt schon recht kräftig in so manchen einflußreichen, darum aber noch lange nicht ideenreichen Hirnen herum, und es ist keineswegs sicher, daß er nicht schon bald auf uns zukommt: eine Dampfwalze der Einfalt, des Rückschritts, der Unfreiheit und des totalen geistigen Bankrotts.

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