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Österreich braucht einen ,Bund der Steuerzahler

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Ingmar Bergman wurde wegen Steuerhinterziehung in Schweden auf der Bühne verhaftet, Udo Jürgens müßte mit seiner Verhaftung rechnen, sobald er deutschen Boden betritt. Weil sie prominent sind, kam ihr Fall in die Zeitungen. Neuerdings steht das Thema Steuerhinterziehung auch unter einem anderen Aspekt in Österreichs Zeitungen: Kanzler Bruno Kreisky ‘hat von seinem Urlaubsort Mallorca aus seinen Zeigefinger auf „die Selbständigen“ gerichtet und gemeint, sie und ihre milliardenschweren Steuerhinterziehungen seien die Ursache der heimischen Bugdetmisere.

Wenn von Wirtschaftsverbrechern die Rede ist, denkt der normale Staatsbürger in erster Linie an skrupellose Betrüger, die die vielzitierten „kleinen Leute“ um ihren Sparschilling prellen. Die staatlichen Organe sehen das anders. Während ihnen das Malheur betrogener Wohnungssuchender relativ gleichgültig ist, sind Strafen und Strafverfolgung für alle tatsächlichen, manchmal auch nur vermeintlichen Schädigungen des Fiskus sehr drakonisch.

Nun wird zwar niemand zweifeln, daß es sich etwa bei derkürzlich aufgeflogenen Fleischschmuggelaffare um ein richtiges Verbrechen handelt Bei Steuerhinterziehung allerdings ist die Einstellung der meisten Menschen anders. Dafür, daß jemand sein mühsam verdientes Einkommen vor allzu brutalen Zugriffen des Fiskus schützen möchte, herrscht in weiten Kreisen Verständnis.

Man weigert sich, in einem kleinen Professionisten, der keine Rechnung schreibt, um sich Mehrwert- und Einkommensteuer zu sparen, im Pfu scher, der seine Verdienste nicht versteuert, oder im Touristen, der billig gekaufte Devisen illegal über die Grenze bringen möchte, einen Wirt-, Schaftsverbrecher zu sehen.

Der Staat ist hier anderer Meinung. Wer jemals solcher Delikte für schuldig befunden wurde, dem wurde durch rigorose Strafen diese andere Meinung auch sehr drastisch demonstriert.

Wer hat recht: Der Staat oder die

Staatsbürger? Die Antwort ist nicht ganz einfach. Prinzipiell hat der Staat zweifellos das Recht, die Befolgung seiner Gesetze zu verlangen und dies auch mit drakonischen Mitteln durchzusetzen. Allerdings gibt es gewisse Einwände, die nicht ganz von der Hand zu weisen sind:

• Es besteht ein immer drastischeres Mißverhältnis zwischen Schuldeneintreibung, Strafverfolgung und Strafen bei der Schädigung einzelner Staatsbürger und bei einer solchen des Staates. Wäre es nicht das Gebot einer echten Demokratisierung, mehr Gleichheit zwischen dem Staat und seinen Bürgern herzustellen?

• Hat ein Staat das Recht, die Folgen seines wirtschaftspolitischen Versagens dadurch zu kaschieren, daß er seine und fremdeStaatsbürgerzwingt,

gegen ihre elementaren Interessen zu handeln? Etwa Touristen den Import von Devisen, die im Ausland zum echten Paritätskurs und nicht zu einem künstlich hochgehaltenen gekauft sind, zu verbieten? Darf ein inflationstreibender Staat seine Bürger daran hindern, ihre ehrlich erworbenen Ersparnisse in einer stabileren Währung anzulegen?

• Mit steigender Steuerquote wächst der Steuerwiderstand. Diese Beob-

achtung gilt global. Wenn einmal der Staatsanteil am Bruttonationalprodukt in vielen Industriestaaten - allen voran in Österreich - auf 50 Prozent und mehr steht, dann nehmen die Versuche zu, die Steuerlast mit legalen und nicht legalen Mitteln zu reduzieren. An unseren Wirtschaftsfakultäten wird Großbritannien zwar nach wie vor als Modellfall eines Landes gefeiert, in dem die Staatsbürger Steuerehrlichkeit als oberste Pflicht betrachten. Dies sind aber Reminiszenzen aus längst vergangenen Zeiten. Heute, da auch die Briten zu den besonders hoch besteuerten Völkern zählen, sind Steuerhinterziehung und Steuerpflicht auch bei ihnen an der Tagesordnung.

• Am gravierendsten ist aber vielleicht der Umstand, daß der drücken den Steuerbelastung und der häufig ziemlich brutalen Manier der Eintreibung eine provokante Leichtfertigkeit der Regierenden im Umgang mit Steuergeldern gegenüberstehen. In Österreich mangelt es nicht an Beispielen, die vom Bauring-Skandal über Stadthallenpleite und UNO-City bis zum Austro-Porsche reichen.

Während aber in Österreich Mißbräuche dieser Art einfach hingenommen werden, besitzt die Bundesrepublik Deutschland eine Institution, die in Österreich noch abgeht: Der „Bund der Steuerzahler“. Wenn dieser Bund auch über keinen Machtapparat verfügt, so ist er doch politisch präsent, indem er Mißstände aufzeigt und die Bevölkerung wachrüttelt

Professor Dr. Willy Haubrichs, Präsident dieses Bundes: „Es paßt in das Bild vom Exekutivstaat, wenn einerseits Steuerhinterzieher mit Recht bestraft werden, Amtsträger jedoch, die Steuergelder verschwenden, straffrei ausgehen.“ Auch die Verschwendung von Steuergeldern ist nach seiner Ansicht ein Tatbestand der Wirtschaftskriminalität. Er fordert daher die Aufnahme des Deliktes „Amtsuntreue“ in das Strafrecht und verlangt das Recht der „Verbandsklage“ für seine Organisation, um ungetreue Amtsträger auch prozessual zu Regreß und Schadenersatz zwingen zu können.

Ein Michael Kohlhaas inmitten der Filzokratie? Er wird es nicht sein, wenn seine Idee auf breiter Basis aufgegriffen wird, wenn die Politiker konstant damit konfrontiert werden. Gerade in Österreich hätten wir den neuen Straftatbestand „Amtsuntreue“ dringend nötig.

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