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Osterreichs Misthaufen wachsen in den Himmel

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250 Kilogramm Müll „produziert“ jeder Österreicher im Durchschnitt pro Jahr. Zu den festen Abfällen kommen noch Abwässer und Abgase, die ein noch diffizileres Problem darstellen. Aber dabei bleibt es nicht. Österreichs Misthaufen werden Jahr für Jahr höher.

Die Frage „Wohin mit dem Unrat?“ wird immer akuter. Gegenwärtig werden rund drei Viertel des Mülls auf sogenannte „ungeordnete Deponien“ gebracht, eine höfliche Umschreibung für jedem Wind und Wetter ausgesetzte Lagerplätze Ohne die geringsten Vorkehrungen gegen Umweltschäden. Ein besonderes Problem stellt der „Sondermüll“ dar, der häufig aggressive und giftige Substanzen aus dem industriellgewerblichen Bereich enthält.

Nach Berechnungen des Ge-sundheitsminißteriums würde die ordnungsgemäße Beseitigung der festen Abfälle zumindest vier Milliarden Schilling pro Jahr kosten. Trotz der erschreckend hohen Kosten aber muß diese Aufgabe gelöst werden — und sie kann gelöst werden. Wenn dies bis heute nicht geschehen ist, dann nur infolge Sparsamkeit am falschen Platz.

Nehmen wir an, die Politiker würden sich spät, aber doch entschließen, eine Generalsanierung des Müllproblems in Angriff zu nehmen: Auch damit wäre die Sache noch nicht erledigt. Wenn der Müllanfall weiterhin so rasant zunimmt, wird die technische und vor allem die kostenmäßige Seite der Müllfrage immer schwerer in den Griff zu bekommen sein.

Ein Umdenken ist am Platze. Wir dürfen uns nicht damit abfinden, daß mehr Wohlstand größere Abfallhaufen bedeutet. Sicherlich gibt es organisatorische Abhilfen, um die Müllvermehrung zu bremsen, beispielsweise, indem man durch entsprechende Abgaben mit dem Unfug der Einwegverpackungen aufräumt; oder indem man nicht verrottbare Kunststoffe durch verrottbare Materialien ersetzt.

Darüber hinaus müssen wir uns auch fragen, ob unser Wohlstandskonzept noch stimmt. Nichts gegen Wirtschaftswachstum und steigende Kaufkraft. Wir müssen uns aber fragen, ob uns das rein quantitativ-materialistische Denken keinen Streich spielt, ob bei Beibehaltung der derzeitigen Konzeption mehr Konsum tatsächlich noch mehr Wohlstand bringt. Immer häufiger reduziert sich der steigende Lebensstandard auf eine höhere Frequenz des Kauferlebnisses — und dies muß denn doch als die primitivste Form menschlicher Wunscherfüllung betrachtet werden.

Das gleiche gilt für alle anderen Konsumgüter: Wenn Mehrkonsum keine neuen Dimensionen des menschlichen Daseins aufschließt, sondern sich im erhöhten Verschleiß erschöpft, dann hat er seinen Zweck verfehlt.

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