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Regional ist nicht schmal

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Mehr Föderalismus ist eine Standardforderung der Länder. Tatsächlich können kleine, regionale Zusammenschlüsse viel zur Problemlösung moderner Staaten beitragen.

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Mehr Föderalismus ist eine Standardforderung der Länder. Tatsächlich können kleine, regionale Zusammenschlüsse viel zur Problemlösung moderner Staaten beitragen.

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„Regionalpolitik ist aktive Friedensarbeit”, brach Botschafter Ludwig Steiner eine Lanze für die verschiedenen Bestrebungen, über staatliche Grenzen hinweg in einem gewachsenen Lebensraum Zusammenarbeit zu versuchen. Der außenpolitische Sprecher der Volkspartei vergaß bei seinem Referat vor bayerischen und österreichischen katholischen Journalisten in Villach (FURCHE

42/1983) aber auch nicht, auf die Hemmnisse hinzuweisen, denen aktive Regionalpolitik heute ausgesetzt ist.

Allein die anhaltende Wirtschaftskrise fördere mehr den Protektionismus denn vermehrte wirtschaftliche Kontakte und Kooperation. Darüber hinaus mache die weltpolitisch angespannte Lage, der Konfrontationskurs, den Ost und West steuern, die Arbeit an gemeinsamen Problemen vor allem zwischen Staaten und Regionen mit unterschiedlichen Gesellschaftssystemen nicht eben leichter.

Wie überhaupt selbst im Bereich der europäischen Integration nach der Euphorie in den sechziger Jahren heute die große Ernüchterung eingetreten ist.

Steiner beobachtet in Europa eine starke Tendenz zur „Re-Na- tionalisiėrung”. Beispiel: Konnten sich europäische christdemokratisch-konservative, liberale und sozialistische Parteien vor den letzten Wahlen zum Europäischen Parlament noch auf jeweils gemeinsame Plakate einigen, wird eine solche Demonstration an europäischer Einigkeit bei den nächsten EG-Wahlen nicht mehr stattfinden.

Auch die sensible militärische Lage in Europa lasse, so Steiner, die Vereinigten Staaten von Europa mehr denn je als Utopie erscheinen. Gerade in einer solchen Situation kommt der regionalen Zusammenarbeit besondere Bedeutung zu.

Regionale Zusammenschlüss…ach dem Beispiel der Arge Alp oder der Arge Alp-Adri…önnen besser als dies überstaatliche Verträge vermögen, Kulturkontakte her stellen, Verkehrsprobleme effizienter lösen oder abe…as in den letzten zehn Jahren zur Uberlebensfrage in vielen Gebieten geworden is…er Zerstörung der Umwelt durch koordinierte Maßnahmen entgegenwirken. Gerade ein Raum wie das Dreiländereck Kärnten-Slowenien- Friaul hat die optimale „Betriebsgröße”. Vor Ort wissen die Leute eben mehr über ihre Probleme und können sie deshalb schneller und vor allem meist billiger lösen.

Und auch Fragen der ethnischen Minderheiten lassen sich, wie die Erfahrung zeigt, durch ein gut nachbarschaftliches Verhältnis in den betreffenden Regionen lösen, ohne gleich diplomatische Noten austauschen zu müssen.

An dieser Zuständigkeitszuweisung scheiden sich aber schon die Geister. Die Außenämter der Zentralregierungen blicken nicht selten scheel auf solche „Umgehungsversuche”. Zu viel Regionalismus, argwöhnt man in den Staatskanzleien, berge in sich die Gefahr, die staatliche Souveränität heimlich, still und leise auszuhöhlen.\

Regionalpolitik: Mehr Chancen als Gefahren

Daß erfolgreiche Regionalpolitik aber mehr Chancen denn Gefahren mit sich bringe, demonstrierte Steiner an zwei Beispielen: einmal an der deutsch-deutschen Zusammenarbeit, die am Beginn überhaupt nur durch regionale Abkommen ins Laufen gekommen sei. Und zum zweiten habe das „accordino” zwischen Tirol und Südtirol entscheidend zu jenem Stand regionaler Autonomie beigetragen, der heute erreicht ist.

Nicht verschweigen wollte Steiner auch die Probleme, die ein Übermaß an regionaler Eigenständigkeit mit sich bringt. Tatsächlich deuten viele Bewegungen in Europ…asken, Katalanen, Bretonen seien nur beispielhaft erwähn…uf bloßen Separatismus hin. Solche Bewegungen führen aber letztlich immer dazu, daß der, Zentralstaat die Zügel noch stärker anspannt.

Als Gegengewicht zu solchen „Los-von”-Bewegungen rät Botschafter Steiner den jeweiligen Bundesregierungen mehr Verständnis für Regionalpolitik.

Damit könne auch verhindert werden, daß die vielfach unnatürliche Grenzziehung in Europa, die vielfach wenig Rücksicht auf menschliche, regionale und ethnische Wünsche genommen hat, eines Tages den vierzigjährigen Frieden am alten Kontinent beendet. Dann nämlich, wenn in einzelnen Regionen der Wunsch nach Zusammenarbeit über Grenzen hinweg unterbunden wird.

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