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Schädigt TV den Wald?

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Die Waldbesitzer sitzen auf (abgestorbenen) Nadeln und werden langsam, aber sicher rebellisch. Sie wälzen Pläne, untätige Politiker endlich auf die Sprünge zu bringen.

Im Festsaal des Zisterzienser-Stiftes Heiligenkreuz, umgeben von Gemälden stattlicher Äbte und kämpferischer Stifter, zwei verblichene Damen demütig im Hintergrund, die Schlacht am Kahlenberg vor Augen, diskutierten Waldbesitzer, Wissenschaftler, Interessierte und Besorgte das Waldsterben.

Nicht zu einem der üblichen Schadenskongresse, die mit dem folgenlosen Ruf nach erhöhtem Umweltbewußtsein zu enden pflegen, wurde vom Hauptverband land- und forstwirtschaftlieher Betriebe Österreichs eingeladen, sondern zu einem Workshop, in dem „Anleitungen für Frühwarn- und Steuerungssysteme in Forstbetrieben“ aus ökologischer und ökonomischer Sicht erarbeitet werden sollten. Dem offensiven Thema entsprechend, wollen sich die Waldbesitzer angesichts zusammenbrechender Bestände und fehlender politischer Konsequenzen nicht mehr mit dem nachträglichen Beziffern und Beklagen von Schäden begnügen. Vielmehr wird, so der Generalsekretär des Verbandes, Hanns Langer, „den Umweltverschmutzern und Waldverwüstern der gezielte Kampf angesagt, mit dem Bewußtsein, als ökonomisch orientierter Forstbetrieb selbst als Feindbild einer urnaturlieben-den Grünbewegung zu gelten!“

Neben wissenschaftlichem und ökonomischem Interesse am Wald „als einer mit Holzpflanzen bestückten Bodenfläche“ sollte die übergeordnete Pflicht zur Naturerhaltung diskutiert werden.

Die bunte Zusammensetzung — Fachleute von der Hochschule für Bodenkultur, Vertreter der forstlichen Versuchsanstalt, Gäste vom Forschungszentrum Seibersdorf, aus Deutschland und Ungarn, aber auch Ökosystemforscher, Physiker, eine Verhalterts-f orscherin und so weiter - ermöglichte jene ganzheitliche Sicht, die für die Diskussionen, wie für die Arbeitskreise bestimmend wurde: Analyse der vielfältigen Schadfaktoren, interdisziplinäre Therapieansätze, Diskussion vielschichtiger politischer und sozialer Veränderungen, Strategie-Gespräche zur effizienten Realisierung von Konzepten.

Der Schaden am Baum ist heute bereits für jedermann sichtbar: Verlichtung der Kronen, unerklärlicher Astabwurf, verminderter Zuwachs, plötzliches Absterben. Von der Wissenschaft wurde in vielen umfassenden oder Detailprobleme herausgreifenden Studien die gemischte Schadstoff-Hexenküche, die das „Entgiftungsorgan Wald“ überfordert, für die Schäden verantwortlich gemacht. Dabei werden aber noch immer 50 Prozent der Schäden als solche mit unbekannter Ursache bezeichnet.

Obwohl bisher nicht einmal auf die belegten Faktoren mit gezielten Maßnahmen reagiert wird, scheint sich ein weiterer Schadensfaktor abzuzeichnen.

Wolfgang Volkrodt aus der Bundesrepublik Deutschland, langjähriger Entwicklungsingenieur in der Leistungselektronik bei Siemens, somit sicherlich als Experte zu bezeichnen, stellte massive Waldschäden im Strahlenbereich von Fernseh-, Richtfunk- und Radarsendern fest und versucht nun, diesen militärisch, politisch wie wirtschaftlich brisanten, zusätzlichen Streßfaktor in die politische Diskussion einzubringen.

Das Interesse verlagerte sich im Lauf der Woche, beschleunigt durch die „großen wissenschaftlichen Löcher“ etwa in der Pflanzenphysiologie, weg vom Frühwarnen zum Uberbrücken der Jahre bis zur „Z-eit nach dem Waldsterben“, auf die man ja die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben hat. Abgesehen von Düngung des Waldbodens, der die Waldbesitzer aus Sorge, sich in die gleiche Abhängigkeit von der Chemieindustrie zu begeben wie die;B^üefn,“sehr sfc überstehen, brachte etwa Armin Bechmann, Leiter des Instituts für ökologische Zukunftsperspektiven in Barsinghausen, neue Impulse für begleitende Waldrettungsmaßnahmen. Er arbeitet an Versuchsreihen mit Homöopathie, Radiästhesie, Gesteinsmehlen und so fort, bezieht also „eine weitere Ebene der Wirklichkeit, wie es in der Medizin schon üblich ist“, in seine Heilversuche am Wald ein. Eine Reduktion der Schadstoffe ersetzen selbstverständlich auch diese Methoden nicht.

Während Ökonomen und Ökologen in den Klostergemächern an einem Frühwarnsystem für punktuelle Schäden bastelten, stellte sich immer drängender die Frage: Selbst wenn es gelingt, so-ein Frühwarnsystem zu entwickeln -was dann?

Ohne politische und gesetzliche Basis helfen weder Forschungsergebnisse noch realisierbare Alternativen. Angst sei auf Dauer kein Mittel, Veränderungen herbeizuführen, betonte Sigrid Hopf. Sie ist vergleichende Verhaltensforscherin und Mitglied der E. F. Schumacher-Gesellschaft für politische Ökologie, die sich mit der Tatsache auseinandersetzt, daß die Umgestaltung unserer Industriegesellschaft in eine humanere und umweltverträglichere Gesellschaft in erster Linie ein kulturelles und politisches Problem ist. Hier gelte es, genau wie bei der Schadenserhebung und bei den Therapieformen, vielerlei Ansatzpunkte zu suchen: Aufzeigen ökologischer Zusammenhänge, Sensibilisierung der Menschen auch im regionalen Bereich, Ausübung von politischem Druck.

Notfalls wollen die Waldbesitzer bisher selbstverständlich erbrachte Leistungen des Waldes als Luftfilter, Wasserspeicher, Klimaregulator, ja als „Psychotherapeut“ der Gesellschaft verrechnen — auch dies war eine Überlegung.

Die Hemmungen der Politiker nannte ein Regionalpolitiker beim Namen: „Es ist einfach unheimlich schwer, wenn man dem Wähler die Wahrheit sagen muß!“

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