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Die Suche nach einer Ethik der Ökologie
Ethische Probleme am Beginn eines Wahlkampfes? Erhard Busek stellte selbst die Frage, ohne die Ausrede anzuwenden, daß die Planung des Diskussionsabends des „Clubs pro Wien“ in der Hofburg ja noch erfolgt war, bevor der Wahltermin vorverlegt worden war. Aber nicht zuletzt Zwentendorf hat gezeigt, daß es auch bei den bevorstehenden Entscheidungen um mehr gehen wird, als um all jenes ungustiöse Hick-Hack, das normalerweise die Wahlkampfzeit ausfüllt. Man wird sich auch in diesen Wochen über die unerläßlichen Maßstäbe und Prinzipien politischen, gesellschaftlichen und persönlichen Handelns auseinandersetzen müssen, und die sind eben nur mit Ethik zu begründen.
Zwentendorf leuchtete auch immer wieder aus Referat und Diskussionsbeiträgen heraus - ob immer zum Behagen des Veranstalters? Die „Ethik der Ökologie“ sollte ausgelotet werden. Was die Bischöfe mit der Formel „Einfacher leben“ umschrieben haben, wurde in die Frage gekleidet: „Verzichten oder verändern?“ Daß auch hier, wie so oft, nicht ein „Entweder-Oder“ gegeben sei, sondern ein, „Sowohl-Als-auch“, darüber waren sich die Diskussionsredner auf dem Podium einig. Auch sonst blieben die Differenzen auf Nuancen beschränkt. Verteidiger dessen, was bisher „den österreichischen Weg“ gekennzeichnet hatte, waren nicht vorhanden.
Günter Altner, evangelischer Theologe in Koblenz und Ökologe in Freiburg, zeigte sich in der österreichischen Szene weidlich zu Hause, wenn er das Ergebnis von Zwentendorf analysierte: „Rote“, „grüne“ und „schwarze“ Stimmen, die ihre Entscheidung aus gesellschaftlicher umweltorientierter oder christlicher Verantwortung heraus fällten, hätten dieses Ergebnis bewirkt. Menschen verschiedener Herkunft, vereint nur durch das gemeinsame Bemühen, die
„Lebenswelt “ zu retten. Aber trotz dieses Erfolgs dauern die Gefahren, die Bedrohungen dieser Lebenswelt an.
Altner zitierte Albert Schweitzer: „Ich bin Leben, das,leben will, neben Leben, das auch leben will!“ Leben sei immer Lebensgemeinschaft, es könne nur in der Vielfalt existieren. Die Ideale der Gleichheit und der Freiheit müßten ökologisch - im Zusammenhang mit der Umwelt - begründet werden.
Was soll das aber im Praktischen bedeuten? Der Ruf „Metanoeite!“, der Appell zum Umdenken, zur Besinnung ertönt seit Christi Zeiten periodisch - es mußten schon Heilige kommen wie Franz von Assissi, um zwischendurch einmal nachhaltigen Erfolg zu erzielen. Sollte es im Zeitalter neuzeitlicher politischer Strukturen, moderner Kommunikationsmittel hoffnungslos sein, zum Umdenken aufzurufen?
Altner riß ein paar Alternativen zur „Wohlstandsfalle“ an. Er forderte einen „ökologischen Restriktionsrahmen“ für die Wirtschaftsplanung, die Neuentwicklung dauerhafter Produkte, um der Wegwerfgesellschaft zu entkommen, die Wiederverwertung der Abfälle, höhere Investitionen in den Umweltschutz - im nachhinein komme er zu spät! -, einen ökologisch orientierten Wettbewerb, die Herstellung des ökonomisch-ökologischen Gleichgewichts. Zugunsten der Dritten und Vierten Welt müßten langfristige Finanzierungsgarantien gegeben, bessere Rohstoffpreise durchgesetzt werden. Aber auch der Technologie-Transfer müßte sich ökologisch orientieren und auf das Umweltgleichgewicht jener Länder Rücksicht nehmen. Er selbst stellte die skeptische Frage: Wird der Bürger dem zustimmen?
Diese Frage blieb während der Diskussionsbeiträge im Raum. Angesichts des merkbaren Unbehagens der heute lebenden Menschen
konnte weder der Hinweis des Zoologen Rupert Riedl beruhigen, daß in den Jahrmilliarden bisher Hunderte von Millionen Arten des Lebens entstanden und wieder untergegangen sind, ohne daß „die Welt“ im Ganzen darunter gelitten hätte; sie werde auch den Untergang der (bisher) höchsten Gattung überleben; noch die Science-fiction-Ausblicke des Kybernetikers Robert Trappel, daß in naher Zukunft der Computer vollenden werde, wozu das menschliche Gehirn noch zu beschränkt sei.
Für den Menschen hier und heute müssen andere Antworten gefunden werden. Altner trat den Forderungen nach einem Forschungsstopp entgegen. Er forderte mehr Transparenz bei Forschungsförderung und -Planung, Entflechtung der Interessen von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, die Trennung von Forschungsförderung und Forschungskontrolle, um Umweltschäden zu verhindern, eine bessere Öffentlichkeit der Wissenschaft und die planmäßige Expertenkontroverse auf allen politischen Ebenen. Vor allem aber forderte er das Engagement der Bürger in der öffentlichen Kritik staatlicher und privater Forschung.
Kann dies genügen? Peter Kam-pits, Phüosoph der Universität Wien, warnte davor, das Heil nur in großräumigen Strukturveränderungen zu suchen. Im unmittelbaren Bereich des einzelnen müsse begonnen werden, wenn man einer „ökodiktatur“ entgehen wolle. Und Oskar Schatz, Salzburg, sprach von der notwendigen „Veränderung der Herzen“, bewußt, damit eher ein Lächeln, als echte Zustimmung zu ernten. Aber Erhard Busek griff das Wort auf, forderte Mut zu solchen Begriffen und den optimalen Einsatz des Hirns, um die Fülle an Anregungen in politische Konsequenzen umsetzen zu können.
Ansätze für das geforderte Umdenken sind vorhanden. Diese Grundsätze einer „ökologischen Ethik“ Allgemeingut werden zu lassen, ist ein Problem der Bewußtseinsbildung, der Meinungsbildung-dazu sollten doch die Methoden der Kommunikationswissenschaft einiges mithelfen können. Sie sind eine Frage der Erziehung - auch in der Schule stehen die Chancen gar nicht so schlecht. Sie sind aber nicht zuletzt eine Frage des Vorlebens durch alle jene, die heute bereits von ihrer Wichtigkeit überzeugt sind (oder wenigstens so tun).
Welcher Politiker ist bereit, seinen Benzinfresser gegen eine schlichte Zwei-Liter-Karosse einzutauschen? Welcher Gewerkschaftsführer ist bereit, seinen Mitgliedern klarzumachen, daß das zu erzielende Wirtschaftswachstum nicht in Konsumsteigerung umgesetzt, sondern für die Aufgaben in der dritten und vierten Welt abgezweigt werden muß? Wer setzt sich einen Tag in der Woche
in die Straßenbahn, statt auf die Verhängung des „autofreien Tages“ zu warten? Wer ist bereit, im andern nicht zuerst den Konkurrenten, den Gegner, sondern den Partner zu sehen? Möglichkeiten gäbe es viele. Zum Verzichten und zum Verändern. Es braucht nicht einmal weh zu tun. Nur die Bereitschaft muß da sein, j
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