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Soviel Freiheit wie möglich, soviel Staat wie nötig

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Am 23. März 1992 starb in Freiburg im Breisgau der letzte in Österreich geborene Nobelpreisträger. Friedrich August von Hayek, geboren am 8. Mai 1899, Gründer des Österreichischen Instituts für Konjunkturforschung, wurde mit wenig mehr als 30 Jahren Professor für Politische Ökonomie an der „London School of Economics", lehrte von 1950 bis 1962 Sozial- und Kulturwissenschaften an der Universität Chicago, ab 1962 Wirtschaftswissenschaften in? Freiburg.

Die Universität Salzburg gewann ihn 1968 als Honorarprofessor. Noch Jahre vor der Verleihung des Nobelpreises (1974), in der Blütezeit der Ära Kreisky, wählte ihn die Österreichische Akademie der Wissenschaften zum Ehrenmitglied.

Als er starb, las und hörte man in manchen österreichischen Medien vor allem, er hätte den „Thatcherismus", die Wirtschaftspolitik Margret Thatchers, ebenso inspiriert wie die „Rea-ganomics", also Ronald Reagans ökonomischen Kurs.

Aber damit wird man Hayek kaum gerecht. Gewiß, er war ein Erzliberaler: Den Marktprozeß durch Regierungseingriffe zu manipulieren, das war für ihn eine Todsünde; seinen frühen Ruhm erntete er mit einer Erklärung der Wirtschaftskrisen, die ganz im klassischen Stil ersonnen war: Eine zu großzügige Kreditvergabe durch die Banken löst Fehlinvestitionen aus, und das rächt sich dann: Verluste schwächen die Konjunktur... Bald danach machte John Maynard Keynes' Gegenthese Furore: Nachfragemängel seien es, die die Konjunktur drücken, und das lasse sich durch erhöhte Staatsausgaben („deficit spending") beheben.

Erst die Krise des Keynesianismus ab den siebziger Jahren - als die staatliche „Globalsteuerung" nicht die gewünschten Ergebnisse brachte, aber zu rapiden Budgetdefiziten führte -ließ Hayeks Theorie wieder zu Ehren kommen.

Aber nicht nur sie verdient Beachtung. „Soviel Freiheit wie möglich, soviel Staat wie nötig" - dieses liberale Credo ist auch die Überzeugung Hayeks. Aber zugleich sagt er: wo echter Leistungswettbewerb nicht zustandezubringen ist, muß man andere Steuerungsinstrumente einsetzen; wo das System privater Er-tragskalkulation Gemeinwohlerfordernissen nicht Rechnung trägt, muß man ihnen anders Rechnung tragen. Auch ein „ausgedehntes System der Sozialfürsorge" ist für ihn in Ordnung, wenn es „so organisiert" ist, „daß es den Wettbewerb nicht weitgehend lahmlegt" (Aus: „Der Weg zur Knechtschaft").

Hayek bekannte sich zum „Individualismus". Aber er bestritt, daß das zum Egoismus nötige. Die einzelnen müßten „in bestimmten Grenzen" das Glück nach ihrer Fasson erstreben können. Keine Zentrale sei je imstande, alle Anliegen aller Gesellschaftsglieder wahrzunehmen, seien sie egoistisch, altruistisch oder was sonst. Zentrale Wirtschaftsplanung sei daher stets ein Diktat auf Grund unzulänglichen Behördenwissens. Sie stülpe den Menschen fremde Vorstellungen über und nehme ihnen so die Freiheit.

Aber wie steht es um die „bestimmten Grenzen" individueller Beliebigkeit? Sie werden, nach Hayek, nicht nur durch die Rechtsordnung gesetzt, zum Schutzder Rechte anderer. „Ohne tiefeingewurzelte Überzeugungen", nämlich moralische, hätte Freiheit „niemals Bestand gehabt". Autoritärer Zwang sei nur überwindbar, „wo zu erwarten ist, daß sich die Individuen in der Regel freiwillig nach gewissen Grundsätzen richten..." (Aus: „Die Verfassung der Freiheit").

Ist das die rüde Verabsolutierung des Marktes, die man Hayek nachsagt? Wohl kaum. Dennoch haben die „Progressiven" ihn zu ihrem Erzfeind erkoren. Warum eigentlich? Die Antwort ist klar: Bis heute lieben Linke den Slogan „Kapitalismus führt zum Faschismus"; das klingt gut, denn gegen den Faschismus muß man sowieso sein, und so kann man den Kapitalismus ohne viel Umstände verdammen. Hayek aber hat den Spieß umgedreht; er formuliert die Antithese: Sozialismus führt zum Faschismus. Oder zu einer anderen Art von Diktatur.

Das hat man ihm übel genommen. Und wahrhaftig, es klingt provozierend. Aber eben diese Provokation ist nötig, wenn man die Dinge nicht verwischen, sondern Klarheit schaffen will, nämlich über den Zusammenhang und die Vereinbarkeit von politischen und wirtschaftlichen Ordnungsprinzipien.

Hayek wird über die europäischen Entwicklungen der letzten Jahre Genugtuung empfunden haben: Inzwischen haben sich alle Staaten Europas zu seinem Credo bekannt: daß wirtschaftliche und politische Freiheit miteinander verknüpft sind.

Daß dieses Credo nicht so „fundamentalistisch" ist, wie das manchmal dargestellt wird, müßte zur Kenntnis genommen werden. Wenigstens jetzt, anläßlich seines Todes, sollte man lesen, was er wirklich geschrieben hat. Er ist mehr als ein „Thatcherist" oder ein „Reaganomics"-Ideologe. Österreich hat Grund, stolz auf ihn zu sein.

Der Autor ist Professor für Politikwissenschaft in Wien.

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