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Nobel-Statements

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Das Nobelfest, bei dem die hochdotierten Preise in feierlicher Form überreicht werden, findet bekanntlich am 10. Dezember statt — so glaubt man jedenfalls außerhalb Schwedens. In Wirklichkeit aber bricht diese große Show schon Tage vorher über Beteiligte und Unbeteiligte herein und endet irgendwann in den ersten Monaten des neuen Jahres. Erst wenn der letzte Nobel-’ Preisträger seine definitiv letzte Nobelvorlesung gehalten hat, endet dieses Nobeljahr — und die Mutmaßungen über die nächsten Preisträger beginnen!

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Das Nobelfest, bei dem die hochdotierten Preise in feierlicher Form überreicht werden, findet bekanntlich am 10. Dezember statt — so glaubt man jedenfalls außerhalb Schwedens. In Wirklichkeit aber bricht diese große Show schon Tage vorher über Beteiligte und Unbeteiligte herein und endet irgendwann in den ersten Monaten des neuen Jahres. Erst wenn der letzte Nobel-’ Preisträger seine definitiv letzte Nobelvorlesung gehalten hat, endet dieses Nobeljahr — und die Mutmaßungen über die nächsten Preisträger beginnen!

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In diesen .dunkelsten Wochen des. Jahres, da die Sonne dm Norden des Ländes durch lange’’ Zelt unter ‘dem Horizont bleibt, trifft sich in der schwedischen Hauptstadt eine Elite des Geistes aller Disziplinen. Was haben nun diese Heroen der Wissenschaft und der Literatur ihren heute in Furcht und Bangen vor Weltkatastrophen lebenden Zeitgenossen zu sagen? Jedes ihrer Worte wird registriert, alles, was sie äußern, wird auf unbestechlichen Tonbändern festgehalten, in der Hoffnung, unter unverbindlichen Wortkaskaden doch hie und da etwas mehr als nur einige Körndien Gold zu finden.

Es konnte nicht ausbleiben, daß sich in einer Zeit herannahender Wirtschaftskrisen die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit vor allem den Nationalökonomen zuwandte. Eben den Nationalökonomen aber machte einer der Preisträger, Friedrich von Hayek, den Vorwurf, daß es zum großen Teil ihre Schuld sei, wenn sich heute die Weltwirtschaft in ihrer schwersten Krise seit den dreißiger Jahre befinde. Die Inflation großen Ausmaßes mit allen ihren verheerenden Folgen, die Arbeitslosigkeit, die tiefgehende Unsicherheit und Unruhe in aller Welt, alles das hätte — nach Hayek — vermieden werden können, wenn die Wirtschaftsberater ihren Regierungen bessere Ratschläge gegeben hätten. Es gebe keinen einfachen Zusammenhang zwischen der totalen Nachfrage und der Vollbeschäftigung: Keynes und die sogenannte „Stockholmer Schule” sind von den Regierungen und ihren Beratern falsch verstanden worden.

Der zweite Nobelpreisträger in Nationalökonomie, Prof. Gunnar Myrdal, schlug völlig andere Töne an. Sein Nobelvortrag wird zwar erst in etwa zwei Monaten gehalten werden. Doch auf der Pressekonferenz, die traditionsgemäß jeder Nobelpreisträger gibt, sagte Gunnar Myrdal schon jetzt, daß die Welt auf dem Weg in eine Krise sei, die schwerer werden kann als jene der dreißiger Jahre es war. Wohl weist sie völlig neue Momente auf und hat ganz andere Voraussetzungen, doch anderseits wird sie durch Probleme verschärft, die vor vierzig Jahren völlig unbekannt waren und deshalb die Länder und Regierungen unvorbereitet treffen. Nun versuche man hier und dort mit Pflästerchen und Spritzen das Schlimmste abzuwenden, aber keine einzige Regierung in der westlichen Welt — auch nicht die Regierung Schwedens — habe bisher den Willen gezeigt, die wirklich großen Probleme zu lösen. Nim gehe es darum, hunderte Millionen Menschen vor dem Verhungern zu retten.

Der Preisträger für Physik, Anthony Hewish, wußte zu sagen, daß man sich heute, mit Hilfe der Radioastronomie, in Entfernungen vorgetastet habe, die den Grenzen des Weltalls nahe sind. Im vergangenen Jahrzehnt haben die Astronomen ihre Anschauungen von der Größe des Alls immer wieder nach oben revidieren müssen. Doch die Auffassung, daß man hier nie an eine Grenze stoßen werde, mußte aufgegeben werden. Mit großer Wahrscheinlichkeit erfasse man heute mit den Mitteln der modernen Astronomie und Physik bereits neun Zehntel des Weltraumes. Es gebe Zeichen dafür, sagte Hewish in seinem Nobelvortrag, daß sich die Geschwindigkeit der von uns fortrasenden Wel- teninseln — unvorstellbar fern gelegener Galaxien — bereits vermindere. Es müsse also einen Punkt geben — und möglicherweise ist dieser von diesen fernen Milchstraßensystemen bereits erreicht worden — an dem die Expansion des Weltalls zum Stillstand kommt und eine Gegenbewegung, zurück zum Ursprung, einsetzt. Diese aber müsse zu einer neuen ungeheuren Konzentration der Massen führen und zu einer neuen Ur-Explosion. So gesehen, gleiche möglicherweise das Weltall jenen kleinen geheimnisvollen Pulsaren, Zwergstemen von unerhörter Dichte, deren Entdeckung eine der großen Leistungen der Radioastronomie war. So könne in einem stetigen Wechsel von Explosion, Expansion und rückbildender Konzentration das Weltall ewig bestehen. Der Medizinpreisträger Christian de Duve glaubt daran, daß auch das menschliche Leben weit über die bisher gesetzten Grenzen hinaus verlängert werden könnte, brauche man doch nur den Alterungsprozeß der Zellen etwas zu verlangsamen, was schon in erreichbare Nähe gerückt ist. Allerdings brauche man dazu auch eine vernünftiger eingerichtete Welt.

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