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Das Androsch-Lob für Benya, Benyas Lob für Androsch, beider Bekenntnis zum Gewinn als Voraussetzung für eine florierende Wirt- Schaft und Benyas Groll über das Abstimmungsverhalten der Fraktion Christlicher Gewerkschafter werden vermutlich die einzigen Ereignisse des wenig aufregenden ÖGB-Kongresses sein, die der Durchschnittsbürger registrierte. Wobei es einem die Massenmedien ja wahrlich schwer machen, überhaupt etwas anderes registrieren zu können: Die in epischer Breite ausgewalzte Frage, ob Bautenminister in spe Karl Seka- nina jetzt ÖFB-Präsident a. D. werden muß und wann, verdrängte tagelang so gut wie alles aus den Spalten, über denen noch aus Gewohnheit „Innenpolitik” steht.

Die Wirtschaft und ihre Verbände, aber auch die Oppositionsparteien werden dennoch gut’daran tun, auch das Kleingedruckte der Kongreßpapiere aufmerksam zu lesen. Wie die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, werden sozialpolitische Offensiven selten durch Fanfarenstöße, aber meist durch unscheinbare Arbeitspapiere eingeleitet, die sich irgendwann zu Resolutionen verdichten, die dann in der Folge von maßgeblichen Politikern so oft in Nebensätzen beiläufig erwähnt werden, bis man sie dann eines schönen Tages als „alte Forderung” über Nacht verwirklichen kann. (Zumindest solange die Partei, mit der man in einer Art Symbiose lebt, die absolute Mehrheit im Parlament hat.)

Insbesondere die ÖVP wird gut daran tun, schon jetzt an einer Strategie für jene Tage zu basteln, in denen das Kleingedruckte Tagespolitik werden wird. Wie die unrühmliche Episode bei der Einführung der Arbeiterabfertigung zeigt, wird man der FCG oder dem ÖAAB die Ablehnungsfront nur bis zur nächsten wichtigen Wahlauseinandersetzung aufbürden können.

Bis heute können tausende kleine und mittlere Gewerbetreibende, die Basis des ÖVP-Wirtschaftsbundes, nicht verstehen, wie sich das reimen soll, wenn Bundeswirtschaftskammer und Wirtschaftsbund in offiziellen Stellungnahmen von einer Existenzbedrohung sprechen, ihre Vertreter im Parlament dann aber für die Einführung der Arbeiterabfertigung stimmen.

Aus der Leidenschaftslosigkeit, mit der die Forderungen nach mehr Mitbestimmung der Gewerkschaften bei der direkten Investitionsförderung, nach Flurbereinigung im Konzembereich der verstaatlichten Banken, nach Kontrolle der multinationalen Unternehmen, nach Verkürzung der Lebensarbeitszeit usw. vorgetragen wurden, darf man keineswegs schließen, daß es sich um ferne Utopien handelt.

Seine Macht erlaubt es dem ÖGB, den Zeitpunkt für eine Umsetzung der Forderungen in die Realität autonom zu bestimmen. Jammern allein ist dann ein zu schwaches Gegenargument.

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