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Teurer Winter?

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Nicht nur der Nahostkonflikt und seine gefährlichen weltweiten Verkettungen, sondern auch ungelöste Probleme im eigenen Land bereiten gegenwärtig den Italienern große Sorgen. Ende Oktober trat das Maßnahmenpaket außer Kraft, das die Regierung am 23. Juli erlassen hatte, um der galoppierenden Inflation Einhalt zu gebieten. Da man einen Preisstopp nicht auf unbestimmte Zeit oder gar ewige Zeiten, und nicht für alle Produkte verhängen kann, begnügte sich Rumors neue Mannschaft mit der „Einfrierung“ der Preise bis zum 31. Oktober und beschränkte die Zahl der kontrollierten Waren auf 21 mehr oder minder lebenswichtige Güter. Lediglich Industriebetriebe mit einem jährlichen Umsatz von mehr als 10 Milliarden Lire sollten scharf überprüft werden.

Mochten die Unternehmer auch keine Freude über solch ein Notstandsgesetz empfinden, das sie an Kriegszeiten und an die ersten Nachkriegsjahre erinnerte, so machten sie doch gute Miene zum — für sie — bösen Spiel.

Wo die Spekulanten ihre Sache im trockenen hatten, konnten sie sich mit einem Preisstopp für bloß hundert Tage abfinden und mit weiteren Erhöhungen ihrer Listenpreise bis Ende Oktober zuwarten, da die Regierung nach Absprache mit Vertretern der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände „Korrekturen gemäß den Bedürfnissen der Produktion und den Erfordernissen der Marktlage“ in Aussicht stellte. So sahen sich die zuständigen Ministerien in den letzten Tagen mit Gesuchen um^Uberprüfung der Listenpreise und um Entlassung aus der „unhaltbar gewordener Preiskontrolle“ überhäuft. Jedermann hatte

seine Gründe vorzubringen. Der erhöhte Benzinpreis verteuerte die Transporte, was allen Betrieben zu schaffen machte. Da die Lira im Verhältnis zu den harten Währungen seit Februar eine ungefähr zwanzig-prozentige Entwertung erlitt — im Juli machte die Einbuße fast 30 Prozent aus, doch hat sich die italienische Valuta seither ein bißchen erholt — haben sich sämtliche Einfuhrgüter aus den entsprechenden Ländern erheblich verteuert.

Während die Produzenten auf eine Erhöhung der Preise drängen, wollen die Gewerkschaften von einer massiven Teuerung nichts wissen und drohen eben jetzt, da der Winter auch über die Apenninenhalbinsel hereingebrochen ist, mit einem heißen Herbst, falls die Regierung vor den Ansprüchen der Padroni, der Arbeitgeber, kapituliere. Rumor befindet sich damit zwischen dem Hammer der drei mächtigen Linksgewerkschaften und dem Amboß der Industriellen und Grossisten, die mit Betriebsschließungen, Produktionsund Lieferantenstreiks drohen, falls sich die Regierung bockbeinig verhalten sollte. „Von niemandem kann man verlangen, seine Waren unter den Kosten zu verkaufen, und was hundert Tage lang zur Not gelitten werden konnte, weil man früher vorgesorgt hatte, darf jetzt weder geduldet noch gar erzwungen werden“, sagen die Produzenten. Bei diesem Seilziehen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden dürfte die Entscheidung der Sichel-Hammerparteien, KPI und PSI, ob sie die Verlängerung und Einhaltung des Preisstopps mit Nachdruck vertreten oder Verständnis gegenüber gewissen Korrekturen der Listenpreise zeigen, von ausschlaggebender Bedeutung sein.

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