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Viel wird vorausgesetzt

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Sooft die Überwindung konfessioneller Vorurteile gefordert wird, pflegt der Ruf nach Revision von Schulbüchern programmatisch wiederzukehren. Diesem durchaus gerechtfertigten Anliegen entspricht der Plan, in einem dreibändigen Werk die Kirchengeschichte ökumenisch darzustellen.

Dadurch, daß auch für den vorliegenden Band Vertreter beider Bekenntnisse zu Worte gekommen sind, waren die Voraussetzungen für eine nicht einseitige Darstellung kontroversieller Materien gegeben. Dabei zeigt es sich, und das ist ein Spezifikum der heutigen Theologie, daß der Trennungsstrich zwischen Deutung und Wertung von Tatsachen zum Teil quer durch die Bekenntnisse geht.

Das kann als durchaus positives Zeichen gedeutet werden, sei es im Sinne eines Durchbruches zu einer objektiveren Betrachtungsweise, sei es zu einer Überwindung konfessioneller Grenzen, wo sie nicht gerechtfertigt sind. Darin zeigt sich allerdings auch eine Polarisierung innerhalb der eigenen Reihen. Das soll keineswegs eine Klage sein, die Verwischung der Konturen läßt jedoch den Leser unter Umständen Überseherl, worin der DrirchbrucH zu einer ökumenischen Betrachtungsweise besteht.

Ohne Zweifel wurden für die einzelnen Kapitel bestqualifizierte Vertreter zu Wort gebeten, und ebenso sicher ist es, daß die Aussage dicht und in sich instruktiv ist. Das im Vorwort erwähnte „allgemein gute Einvernehmen zwischen den Autoren“ ist, so begrüßenswert das auch ist, vielleicht mit ein Grund dafür, daß die Profilierung und damit der Erfolg der Darstellung nicht ganz 1 gelungen ist.

Wenn im Vorwort erwähnt wird, daß die Möglichkeit vorgesehen war, „sachliche Meinungsverschiedenheiten in kontroversen Anmerkungen , zum Ausdruck zu bringen“, so ist ; davon leider nur sehr wenig ; Gebrauch gemacht worden.

Der Fachmann wird bei der Lektüre der aneinandergereihten Monologe erkennen können, in welcher Weise sich die Entwicklung zu einem ökumenischen Verständnis vollzogen hat, jener aber, der diese Voraussetzungen nicht mit sich bringt, wird dies möglicherweise verkennen.

Die Essay-Form verbürgt zwar eine Flüssigkeit der Darstellung; um so mehr hätte es einer ordnenden Hand bedurft, um keine bemerkenswerten Lücken aufkommen zu lassen. Leider ist das geschehen, als Beispiel nennen wir die Inquisition, auf die überhaupt nicht eingegangen wird, ebensowenig wie auf die Begriffe der Toleranz und der religiösen Freiheit bei den Reformatoren.

Kurz gesagt: Ein wertvolles Unternehmen, große wissenschaftliche Leistung und Objektivität — es wird jedoch beim Leser eine Vertrautheit mit kontroversiellen Standpunkten vorausgesetzt, die nicht immer vorhanden ist.

ÖKUMENISCHE KIRCHENGESCHICHTE, Bd. II, Mittelalter-Reformation, herausgegeben von Kott-je-Moeller, Matthias-Grünewald-Verlag, München, 1973.

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