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Wo ist die Wahlreform geblieben?

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Vordergründig könnte es scheinen, die Diskussion über die Anregung von Bundespräsident Rudolf Kirchschläger, bei Volksbegehren, die von mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten unterstützt werden, automatisch eine Volksabstimmung anzuschließen, wäre ausschließlich parteipolitisch bestimmt: Zustimmung bei der OVP, entschiedene Ablehnung bei der SPÖ.

Vordergründig sieht es danach aus, daß die Stellungnahmen nur den unmittelbaren Anlaßfall vor Augen haben: das Volksbegehren gegen den Bau eines zusätzlichen Konferenzzentrums in Wien.

Doch die Diskussion berührt ein Kernproblem: das Verhältnis von repräsentativer und direkter Demokratie. ,

Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Wähler sieht in den etablierten Parteien heute keine ausreichende Möglichkeit zur politischen Mitsprache und wünscht sich daher mehr plebiszitäre Demokratie, mehr unmittelbare Beteiligung an politischen Entscheidungen.

Die Parteien haben sich das selbst zuzuschreiben: Saehpoliti-sche Fragen werden bei Wahlauseinandersetzung in den Hintergrund, die Person des Spitzenkandidaten wird penetrant in den Vordergrund gedrängt.

Die Wahl nur als eine Art Volksabstimmung über eine Person, nicht einmal über die des unmittelbaren Abgeordneten: mündigen Bürgern ist das zu dürftig. Zwei Drittel der Bevölkerung haben daher bei einer Meinungsumfrage im Vorjahr auch gemeint, wichtiger als die Wahlen der Abgeordneten alle vier Jahre wäre es, wenn das Volk öfter über wichtige Fragen direkt abstimmen könnte.

Daraus spricht die große Unzufriedenheit mit der Repräsentationsdemokratie, freilich auch ein gefährliches Mißverständnis: Denn mehr direkte Demokratie kann die parlamentarische Demokratie nie ersetzen, sondern nur ergänzen.

Und um die sinnvolle Ergänzung geht es. Was nützt ein noch so unterstütztes Volksbegehren, wenn es die parlamentarische Mehrheit justament nicht gou-tiert? Und was die Möglichkeit einer Volksabstimmung, wenn sie nur von der Verlegenheit (wie bei Zwentendorf) oder Gunst der Mehrheit abhängig ist?

Es geht um die Glaubwürdigkeit und Lebendigkeit der Demokratie. Es geht um die Belebung der direkten Demokratie und auch darum, das repräsentative Element attraktiver zu gestalten.

Nach den Wahlen 1979 haben sich alle Parteien übereinstimmend für eine Wahlrechtsreform und für eine stärkere Betonung personaler Momente ausgesprochen, um die Entfremdung zwischen Repräsentierten und Repräsentanten abzubauen. Und nichts dergleichen ist geschehen!

Mehr Demokratie wagen? Nicht an maßvollen Vorschlägen, am guten Willen mangelt es.

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