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Zum Kompromiß gehören immer zwei

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Der Nachfolger von Günter Haiden im Landwirt-schaftsressort bekam bei Amtsantritt sogar Beifall von Bauernvertretern: Erich Schmidt setzt auf gemeinsame Lösungen.

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Der Nachfolger von Günter Haiden im Landwirt-schaftsressort bekam bei Amtsantritt sogar Beifall von Bauernvertretern: Erich Schmidt setzt auf gemeinsame Lösungen.

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Nun ist Ruhe eingekehrt an der Bauernfront. Und es ist nicht nur die Erntezeit, die Österreichs Agrarier daran hindert, Straßen, Brücken oder Grenzübergänge zu blockieren. Es ist auch ein neuer Mann an der Spitze des Landwirtschaftsressorts, der die oft Enttäuschten wieder Hoffnung schöpfen läßt.

Erich Schmidt, gelernter Gewerkschafter und mit Leib und Seele Sozialpartner, entpuppte sich innerhalb weniger Wochen als der Mann, auf den die Land-und Forstwirtschaft nur gewartet zu haben schien.

Der Grund: Sowohl das total vermurkste Weingesetz als auch die nicht minder vertrackte Getreideproblematik passierten nach allseits anerkannten Kompromissen die parlamentarische Bühne. Obwohl es noch unter Günter Haiden, dem Vorgänger Schmidts, so schien, als klafften unüberwindliche Abgründe zwischen dem Ministerium und der Bauernvertretung.

Und wie beurteilt der Neo-Landwirtschaftsminister seinen oftmals unter oppositionellem Sperrfeuer stehenden Vorgänger? Schmidt: „Ich glaub', daß in den letzten zehn Jahren wirklich Hervorragendes im Bereich der Agrarpolitik geschehen ist. Aber meine Funktion besteht nicht darin, rückblickend zu urteilen, sondern für die Zukunft einige agrar-politische Maßnahmen im Interesse dieses Landes zu setzen.“

Und Schmidt kommt gleich auf den Punkt zu sprechen, der ihm selbst aus Bauernbund-Reihen Auftrittsapplaus bescherte - den Kompromiß: „Ich bin davon überzeugt, daß der Kompromiß, der das Weingesetz betroffen hat, ein vernünftiger und ein guter ist.“

Und allgemeiner: „Zum Kompromiß gehör.en bekanntlich immer alle Seiten. Und ich meine,daß es in jenem Bereich, wo die Interessen von so vielen verschiedenen Gruppierungen und Organisationen betroffen sind, wie der agrarpolitische Bereich es ist, es notwendigerweise bei den meisten Fragen zu Kompromissen kommen sollte. Hier prallen nämlich die Interessen der Produzenten, der Verarbeitungsindustrie, der Verbraucher und der unselbständig Erwerbstätigen direkt aufeinander. Um hier zu gemeinsamen Lösungen zu kommen, und um nicht zum Vorteil, vielfach auch zum Nachteil der anderen zu handeln, ist ein Kompromiß anzustreben. Das macht das alles nicht leicht, sondern eher schwieriger. Aber die Akzeptanz von Maßnahmen ist dabei eben vielfach eine höhere. Und jede Maßnahme, die akzeptiert wird, ist mehr wert als vielleicht eine richtigere, die nicht akzeptiert wird.“

Rückblickend: „Ich bin sehr froh, daß wichtige Fragen in den ersten Wochen rasch erledigt werden konnten. Das gibt uns nun die Möglichkeit, auch andere Fragen in den nächsten Wochen und Monaten einer gemeinsamen Lösung zuzuführen.“ Und noch einmal: „Ich strebe gemeinsame Lösungen an.“

Doch schon bei der Frage des bäuerlichen Einkommens scheiden sich die Geister. Während das Statistische Zentralamt und die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern ein immer stärkeres Nachhinken des bäuerlichen Einkommens hinter den Einkommen der übrigen Bevölkerung konstatieren, sieht der Minister „in den letzten zehn Jahren eine in etwa idente Einkommensentwicklung bei der bäuerlichen Bevölkerung und bei den unselbständig Erwerbstätigen“.

Und: „Darüber wird noch viel zu diskutieren sein.“

Dennoch weiß Schmidt um die Notwendigkeit von Konsequenzen. Es sind deren drei. Erstens: Mehr in die alternativen Produktionen. Das heißt, jene Marktsegmente, jene Marktsektoren zu suchen, wo wir sowohl national wie auch international zusätzlich Produktion sinnvoll aufbauen, ausbauen, entwickeln und die

Produkte vermarkten können. Da gibt es eine breite Palette, die ist nicht ausgeschöpft. Das hat natürlich einkommenspolitisch eine große Bedeutung.

Zweitens: Stärkere Berücksichtigung der technischen und technologischen Entwicklungen. „Wir müssen noch mehr in die angewandte Forschung. Ich bin zutiefst davon überzeugt, daß Biotechnologie nicht zerstört, sondern große Chancen gibt. Denn auf dem Sektor der industriellen Rohstoffproduktion aus der Landwirtschaft haben wir noch lange das nicht erreicht, was erreichbar wäre.“

Drittens: Eine höhere Verarbeitungsstufe im Inland anstreben. „Egal ob für den Inlandsabsatz oder für den Export.“ Und konkret: statt Viehexport jenen von Fleischprodukten, statt Müchpul-verexport jenen von höherwertigen Erzeugnissen und statt der Getreideexporte jenen von Verarbeitungsprodukten der Backwarenindustrie ankurbeln.

Und schließlich könnte auch die Erzeugung von Energie aus der Biomasse mehr Geld in lecke Bauerngeldbörseln bringen.

Mit wenigen Worten: Schmidt greift nun jene Themen auf, die weit über ein Jahrzehnt auf der agrarpolitischen Straße lagen. Und erntet damit Beifall. Zumindest bis zu den nächsten Wahlen.

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