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Weite des geistigen Horizonts
Diese Gemeinschaftsarbeit von zwei amerikanischen Gelehrten unternimmt es, den Standort und die Aufgaben der modernen Literaturwissenschaft darzustellen. Die Verfasser versuchen hier —, wie es im Vorwort heißt —, „Poetik" (oder Literaturtheorie) und „Kritik“ (Bewertung der Literatur) mit „Wissenschaft“ (Forschung) und „Literaturgeschichte" zu vereinen. Bei der Weite des Themas konnten sie Vollständigkeit nicht anstreben, sie wollten vor allem „die rechten Fragen stellen“ und „ein Organon der Methode" vorlegen.
Der einleitende Abschnitt beschäftigt sich mit den Begriffen Literatur und Literaturwissenschaft, mit dem Wesen und der Funktion der Literatur, den Unterscheidungen zwischen Literaturtheorie als Gesamtheit der allgemeinen Prinzipien und Kategorien einerseits und Kritik und Geschichte als deren Anwendung auf die konkreten literarischen Kunstwerke anderseits. Die Versuche, die Literaturgeschichte von der Theorie und der Kritik zu trennen, werden abgelehnt, da die Wertfrage niemals auszuschalten ist. Zitiert wird ein Wort von Norman Foerster: „Der Literarhistoriker muß Kritiker sein, auch wenn er nur Historiker sein will.“ Die Verfasser wenden sich auch gegen den „Historismus" (die Deutung eines Werkes nur aus seiner Zeit) sowie gegen den falschen „Absolutismus“ und „Relativismus“.
Ein eigenes Kapitel behandelt die Begriffe allgemeine, vergleichende und nationale Literatur. Nach einem Überblick über die „vorbereitenden Arbeiten“, nämlich das Zusammenstellen und Sichten des Materials, werden die „außerliterarischen Wege der Literaturwissenschaft“ charakterisiert: die Beziehungen der Literatur zur Biographie (der keine echt kritische Bedeutung zukommt), zur Psychologie, zur Gesellschaft, zur „Ideengeschichte" Und zu den anderen Künsten. Hier ergibt sich eine Auseinandersetzung mit den verschiedenen Richtungen. Mit Recht wird etwa die heute vielfach übliche, nur philosophische Interpretation von Dichtungen verworfen. „Dichtung ist kein Philosophieersatz; sie hat ihre eigene Rechtfertigung, ihren eigenen Sinn und Zweck“ (S. 139).
Der letzte, große Abschnitt schließlich ist der „innerliterarischen Methode“ gewidmet und behandelt die „Seinsweise" eines literarischen Kunstwerkes, die Probleme von Rhythmus und Metrik, Stil und Stilistik, Bild, Metapher, Symbol und Mythos, die Arten der erzählenden Dichtung, die literarischen Gattungen, die Frage der Bewertung und die Wege der Literaturgeschichtsschreibung.
Die Verfasser beweisen reiche Sachkenntnis, Weite des geistigen Horizonts und klaren kritischen Blick. Daß sie vor allem englische und amerikanische Fachliteratur heranzogen und zitierten, ist verständlich. Wichtig sind die vielen Hinweise auf slawische Autoren, wie zum Beispiel Tomashevskij und Mukarovsky. Doch auch richtunggebende deutsche Werke wurden nicht vergessen. Der Leser wird den so dankenswert reichhaltigen Anmerkungs- und Bibliographieanhang sehr begrüßen, weil er ihm einen interessanten Überblick über die neuere ausländische Literaturforschung gewährt. Die ersten drei Abschnitte des Buches sind besser gelungen als der vierte. In diesem sind außerdem manche Definitionen in den einzelnen Kapiteln nicht sehr klar, was vielleicht an der Übersetzung liegen mag, deren Schwierigkeiten angesichts der spe-
ziellen Terminologie nicht übersehen werden dürfen. Man kann wohl über manches anderer Meinung sein und einzelne Untersuchungen ausführlicher wünschen (etwa das Kapitel über die erzählende Dichtung), aber die Fülle des Gebotenen und viele treffende Urteile oder auch anregende Fragestellungen verdienen Anerkennung. Jedenfalls bedeutet dieses Werk einen Gewinn und einen gehaltvollen Beitrag zur literaturwissenschaftlichen Forschung.
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