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Das Wagnis beginnt erst

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ÜBER MODERNE LITERATUR. Standorte und Deutungen von Paul Konrad Kurz SJ.

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ÜBER MODERNE LITERATUR. Standorte und Deutungen von Paul Konrad Kurz SJ.

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' .?'..frank,urt/Main 1967. 249 Selten. S 250.-. - DICHTUNG UND GESELL-S .„ Aufsätze zur Literatursoziologie von Josef L a ß 1. Trauner-Verlag. 151 Seiten. = ~~ DAS LITERARISCHE KUNSTMITTEL UND DIE EVOLUTION IN DER LITE-

RATUR. Von Jurij Tynjanow. Edition Suhrkamp, 1961. 145 Seiten. S 02.20

Daß das Lesen in einer dem optischen Effekt, der Kurzform, dem Slogan verfallenen Zeit eine Kunst geworden ist, die es zu erlernen gilt, beweisen die zahlreichen Veröffentlichungen deren Anliegen es ist, dem Leser das sprachliche Kunstwerk wie es sich in der Gegenwart darstellt, zu erklären, Ausgangspunkte zu schaffen, die seine Lektüre erleichtern oder dazu anregen. Ob dies tatsächlich eine Möglichkeit ist, wieder ein echtes, intensives Verhältnis zwischen Autoren und Lesern (möglichst vielen) zu schaffen, bleibe dahingestellt. Tatsache ist, daß der moderne Autor es seinem Leser nicht leicht macht und dies auch gar nicht will. Das Lesen ist zu einem „labor improbus“ geworden, zu einer Beschäftigung, die Kritik, Anklage, Desillusionierung, Verfremdung und Experiment als Herausforderung begreift und diese auch annimmt.

Verzauberung, traumleichtes Hineingleiten in das Luftgespinst einer Fabel, deren hauchdünne Fäden aus Illusion und Überwirklichkeit gesponnen sind, der Held, der vermag, was dem Durchschnittsmenschen versagt bleibt, all dies schwand dahin zugunsten eines oft schwer entwirrbaren sprachlichen Gestrüpps, einer Chaotik, in der wir uns nur ungern selbst wiederfinden.

Daß dies alles trotzdem eine Entwicklung ist, die nicht übersehen, nicht ignoriert werden kann, die letztlich nur der Wahrhaftigkeit künstlerischer Aussage in einer veränderten Welt, die mit übernommenen Maßstäben nicht mehr zu messen ist, entspricht, dies einleuchtend und klar dargestellt zu haben, ist das Verdienst des Publizisten P. Konrad Kurz. Neben den informativen Studien über Kafka und Broch sind es vor allem die Essays „Über den Gestaltwandel des Romans“, „Literatur und Naturwissenschaft“ und „Literatur und Theologie“, die zur Lektüre wärmstens empfohlen werden können, weil hier ein katholischer Publizist, Theologe und Ordensmann es unternimmt, ohne das übliche Klagelied über verloren gegangene sittliche Werte und ohne die übliche Ignoranz, mit der man vom Hochsitz der „summa“ herabzu-blieken pflegte auf das Volk der Gaukler, dem Künstler auch vom Standpunkt des Theologen ein Recht auf seine Aussage zu geben, sie ernst zu nehmen und sich mit ihr auseinanderzusetzen.

„Das Wagnis hat erst begonnen“, schreibt Kurz und stellt sich damit allen Bestrebungen entgegen, die die Uhr so gerne zurückdrehen möchten. Den Menschen zu zeigen in einer Welt der Wissenschaft, der Technik und der Automation, ihn zu zeigen und damit zu bestätigen, darin sieht Kurz Chance und Hoffnung. Von der postkonziliaren Theologie erwartet sich Kurz eine größere Gesprächsbereitschaft zwischen Theologie und Literatur, die helfen könnte, die monologische Fixierung beider Seiten zu lockern.

Josef Laßl nimmt in seinen Aufsätzen, die den anspruchsvollen Titel „Dichtung und Gesellschaft — Aufsätze zur Literatursoziologie“ (ein noch offenes und auch hier nicht eröffnetes Betätigungsfeld) tragen, zu verschiedene Fragen Stellung, die sich vielfach aus dem Alltag des literarischen Geschehens ergeben. Während sich seine Angriffe in erster Linie auf das österreichische Verlagswesen, Zeitungswesen usw. richten,ohne allerdings den realen Gegebenheiten Rechnung zu tragen, versuchen die grundsätzlicheren Beiträge dem gestellten Thema, wenn auch nur splitterhaft Rechnung zu tragen. Einige dieser Splitter lassen dieses Bändchen ohne Zweifel eine eingehende Lektüre wert sein.

Die Februarausgatoe der Edition Suhrkamp, in der diesmal ein russischer Literaturwissenschaftler zu Wort kommt, stellt wohl insofern ein Experiment dar, als nur der Kenner russischer Literatur den Argumenten bis ins einzelne folgen können wird. Tynjanow beleuchtet die literarischen Phänomene mit Hilfe einer vorgefaßten Methodik, die den westlichen Literaturwissenschaftler zur kritischen Überprüfung reizen wird.

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