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Außenwirtschaft

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Jede Nationalwirtschaft unterhält wirtschaftliche Beziehungen zu anderen Nationalwirtschaften und ist daher mit anderen Wirtschaftsräumen mehr oder minder stark verflochten. Die Gesamtheit dieser über die Grenzen hinwegreichenden Wirtschaftsbeziehungen nennen wir Außenwirtschaft. Selbst Großstaaten legen, nicht nur aus politischen Gründen, Wert auf einen regen Außenhandel und einen funktionierenden Kapitalverkehr, obwohl sie leichter als die meisten anderen Staaten Autarkie wünsche in die Tat umzusetzen vermögen. Denn auch für Großstaaten bringt die Außenwirtschaft Vorteile und trägt zur Steigerung des Lebensstandards ihrer Bevölkerung bei. Der Außenhandel, der internationale Kapitalverkehr, die Dienstleistungen verbessern die internationale Güterversorgung und heben das Wohlstandsniveau. Je größer der Kreis der Partner ist, um so besser wird sich ein Ausgleich von Ueberfluß und Mangel herstellen lassen, wenngleich dieser Satz nur mit gewissen Einschränkungen realisierbar ist, nämlich, wenn es sich um Staaten handelt, die sich in dem gleichen Stadium der wirtschaftlichen Entwicklung befinden. Die ganze schwierige Frage der sogenannten unterentwickelten Länder gehört zu diesem Komplex. Für die europäischen Industriestaaten und daher auch für Oesterreich ist die Außenwirtschaft geradezu eine Lebensnotwendigkeit. Die gegenwärtige Wirtschaftsstruktur verlangt den Außenhandel. In fast jedem europäischen Industriestaat gibt es Industriezweige, die, wenn sie ihre Kapazität einigermaßen ausnützen und ihre Beschäftigtenzahl halten wollen, unter allen Umständen einen Teil ihrer Produktion expörtieren müssen. In Oesterreich trifft dies, um ein Beispiel zu nennen, auf die eisenerzeugende Industrie zu. Andre wichtige Industriezweige wieder haben keine inländische Rohstoffbasis, etwa die Textilindustrie. Diese Beispiele lassen sich fortsetzen.

Die Bedeutung der Außenwirtschaft brachte es mit sich, daß ein Arsenal von wirtschaftspolitischen Instrumenten entwickelt wurde, um, wie man glaubt, die jeweils optimale Lenkung zu erreichen. Mit Hilfe von Zöllen, Ein- und Ausfuhrverboten, Devisenbewirtschaftung und Exportprämien sucht man die Außenwirtschaft zu beeinflussen. Oftmals wird mit wenig rationalen Argumenten eine wirtschaftspolitische Maßnahme verlangt und auch durchgesetzt, die dann schädliche Folgen für die Gesamtwirtschaft hat, weil die Partner in der Regel sich Maßnahmen eines Landes, die ihre Außenwirtschaft beeinträchtigen, nicht gefallen lassen und ihrerseits mit Repressalien vorgehen. Die schwere Wirtschaftskrise in den dreißiger Jahren, der Krieg und die nachfolgende Periode der Knappheit jedenfalls hatten ein Gestrüpp von staatlichen, die Außenwirtschaft betreffenden Bestimmungen zur Folge, die zum Teil abgebaut, zum Teil gemildert wurden, ganz verzichten wird man auf eine Beeinflussung der Außenwirtschaft sicher nicht mehr.

Es ist aber durchaus verständlich, wenn ein Staat die Entwicklung der Außenwirtschaft genau beobachtet und, wenn es sein muß, Maßnahmen trifft, um unerwünschte Auswirkungen zu vermeiden. Heute, wo wir offenbar in ein Zeitalter intensiver internationaler wirtschaftlicher Zusammenarbeit eingetreten sind, wird versucht, die staatliche Souveränität insofern einzuschränken, als man trachtet, selbständige wirtschaftspolitische Aktionen eines Landes auf außenwirtschaftlichem Gebiet zu erschweren,

indem die betreffende Regierung, ehe sie eine Maßnahme setzt, die Zustimmung ihrer Partnerländer in einer internationalen Organisation benötigt oder zumindest die Maßnahme vor einem internationalen Forum rechtfertigen muß. Ohne Zweifel wird sich diese Entwicklung, die ein wesentliches Moment des neuen wirtschaftspolitischen Stils darstellt, in Zukunft verstärkt fortsetzen.

Aber die Bedeutung der Außenwirtschaft offenbart sich nicht nur auf ökonomischem Gebiet. Vielfach werden außenwirtschaftliche Aktionen nur aus politischen Gründen unternommen, sei es, um neue politische Einflußsphären zu gewinnen oder Positionen zu behaupten. Wirtschaftliche Lieberlegungen spielen dann keine Rolle mehr. Oft verschwimmen die Grenzen zwischen Wirtschaft und Politik. Ob etwa eine ruinöse internationale Konkurrenz lediglich aus ökonomischen oder doch aus politischen Gründen getrieben wird oder vielleicht aus beiden, ist für den Außenstehenden oft schwer zu entscheiden. In der Regel sind aber politische Folgen nicht zu vermeiden.

Je stärker eine Volkswirtschaft mit anderen verflochten ist, um so nachhaltiger beeinflußt die Außenwirtschaft ihre Entwicklung. Einige Zahlen sollen die besonders starke Verflechtung der österreichischen Volkswirtschaft mit anderen Volkswirtschaften beleuchten: Das österreichische Volkseinkommen zu laufenden Preisen betrug 1958 104,3 Milliarden Schilling. Importiert hat Oesterreich 1958 Waren im Wert von rund 28 Milliarden Schilling, exportiert im Wert von 24 Milliarden Schilling. Hingegen betrug das Volkseinkommen der Vereinigten Staaten 1956 rund 344 Milliarden Dollar, die Einfuhr nur 13 Milliarden Dollar, die Ausfuhr nur 18 Milliarden Dollar. Schon diese wenigen Angaben zeigen, wie-verschieden die Bedeutung des Außenhandels für die USA und für Oesterreich ist, wie verschieden stark auch die Auswirkungen von außenwirtschaftlichen Veränderungen für die außenwirtschaftsintensiven europäischen Staaten und, um bei unserem Beispiel zu blieben, für/die Vereinigten Staaten sein müssen.

Das Volkseinkommen und die Beschäftigtenzahl Oesterreichs werden daher auf außenwirtschaftliche Veränderungen viel stärker reagieren als etwa in den Vereinigten Staaten, und folgende Ueberlegungen spielen für Oesterreich eine größere Rolle als für die Vereinigten Staaten: Wenn es Oesterreich gelingt, mehr Güter auszuführen und den Fremdenverkehr auszuweiten, so wird das österreichische Volkseinkommen steigen. Diese Steigerung des Volkseinkommens wird bis zu einem gewissen Grad zusätzliche Einfuhren auslösen, diese werden wahrscheinlich hinter der Ausfuhrzunahme und dem Erlös aus der Ausweitung des Fremdenverkehrs Zurückbleiben. Wir wissen, daß zusätzliche Inlandsinvestitionen zusätzliche Arbeitsplätze und zusätzliches Einkommen schaffen. Die fortlaufende Wiederverausgabung dieses Einkommens löst eine Kette sekundärer Wirkungen aus. Wir nennen diesen Effekt den Multiplikator. Zusätzliche Ausfuhren lösen nun ebenfalls den Multiplikatoreffekt aus, haben also dieselben Wirkungen wie zusätzliche Investitionen. Sie schaffen zunächst zusätzliche Einkommen und lösen ebenfalls eine Kette sekundärer Verbrauchsausgaben aus. Schrumpft nun der Export, tritt ein sogenannter negativer Multiplikator in Aktion und der ganze Prozeß läuft mit umgekehrtem Vorzeichen ab. Die Einkommen schrumpfen ebenfalls und die ganze Kette sekundärer Verbrauchsausgaben fällt aus. Man kann zwar auch in einem kleinen Land bis zu einem gewissen Grad den Nachfrageausfall, der durch eine Schrumpfung des Außenhandelsvolumens entsteht, durch „Injektionen“ über das Budget ausgleichen, eine länger dauernde Export- und Fremdenverkehrskrise würde aber in einem Land wie Oesterreich sicher zu einer Schrumpfung des Volkseinkommens führen. Oesterreich hat daher ein ganz besonderes Interesse an einer internationalen Zusammenarbeit, da eine florierende Außenwirtschaft einte notwendige Bedingung für das Wachstum der österreichischen Wirtschaft ist.

Eine wichtige Rolle spielt in der Außenwirtschaft der Kapitalverkehr, allerdings ist die, Politik zu seiner offenbar unvermeidbaren Begleiterin geworden, und der Wunsch, ihn nur unter einem rationalen ökonomischen Aspekt zu sehen, dürfte zumindest in absehbarer Zeit nicht zu verwirklichen sein. Zu sehr ist der internationale Kapitalverkehr durch ideologischen und nationalen Ballast behindert, vielfach sowohl bei den Anbietern als auch bei den Nachfragenden.

Lieber die Natur des internationalen Kapitalverkehrs herrscht ebenfalls häufig Unklarheit: Das Kapital wächst innerhalb einer Volkswirtschaft, indem man Produktionsmittel von der Produktion des laufenden Verbrauches abzieht und statt dessen neue Produktionsstätten, neue und bessere Maschinen und dergleichen schafft. Das heißt, wir tauschen einen Gegenwartsverbrauch für einen größeren Zukunftsverbrauch ein. Auf den internationalen Kapitalverkehr angewendet, bedeutet das folgendes: Ueber den güterwirtschaftlichen Beziehungen liegt ein Geldschleier. Ein Land borgt sich nicht Güter von einem anderen aus, sondern Geld. Nur wenn der Erlös des Kredites dazu verwendet wird, Güter und Dienstleistungen im Ausland einzukaufen, hat ein Geld- und güterwirtschaftlicher Kapitalverkehr stattgefunden. Sinnvoll wird ein Kapitalimport aber nur dann sein, wenn die mit Hilfe des eingeführten Kapitals durchgeführten Investitionen sowohl die Rückzahlung des Kapitals als auch der Zinsen ermöglichen. Es kann daher für Oesterreich wie für jedes andere Land auch die Aufnahme ausländischen Kapitals sinnvoll und nützlich sein. Diese Ueberlegung gilt aber nicht allgemein, in Notzeiten etwa wird man ausländisches Kapital, wenn man es überhaupt bekommt, wahrscheinlich unter allen Umständen aufnehmen.

Schon diese wenigen Hinweise zeigen, daß für Oesterreich die Außenwirtschaft erhebliche Bedeutung besitzt und wir allen Grund haben, die Beziehungen zu anderen Volkswirtschaften zu pflegen und zu intensivieren.

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