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Flüchtlingspolitik und Österreich
Aus Anlaß der bevorstehenden Anwesenheit des Hohen Kommissärs der Vereinten Nationen für das Flüchtlingswesen, Dr. G. J. van Heuven Goedhart, in Österreich, veröffentlichen wir diesen Artikel. Die Redaktion.
Die internationale Flüchtlingspolitik von heute ist vor allem von drei Gesichtspunkten aus zu beurteilen:
Rechtsstellung der Flüchtlinge, ihre Assimilierung beziehungsweise Einbürgerung und ihre Eingliederung in das Berufsleben.
In bezug auf die Rechtsstellung der Flüchtlinge und Vertriebenen bedeutet die vom Wirtschafts- und Sozfalrat („Ad-hocr Ausschuß“) niedergelegte und von der letzten Vollversammlung der UN in Lake Success vorläufig angenommene Konvention insofern einen Fortschritt, als sie die Diskriminationen der deutschsprachigen Vertriebenen beseitigt, allgemein die möglichst weitgehende Gleichstellung der Flüchtlinge mit der einheimischen Bevölkerung anstrebt und schließlich eine Neukodifizierung des Flüchtlingsrechtes überhaupt, in Anlehnung an die bereits unter dem Völkerbunde und später herausgebrachten Konventionen, vorbereitet.
Der Begriff „Flüchtling“ wird jedenfalls erneut eine Rolle spielen, wenn gegen Ende Mai in Genf die neue Konferenz zusammentritt und in Sachen der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge zu beschließen haben wird. An dieser Konferenz werden erstmals' auch -österreichische Delegierte auif Einladung' des Generalsekretärs der Vereinten Nationen teilnehmen.
Es ist .offensichtlich, daß Flüchtlinge und Vertriebene erst dann in den Genuß der vollen Gleichberechtigung und Gerechtig-keitgelangen, wenn sie wiederum Bürger eines Staates geworden sind; für die in Österreich befindlichen sollte es daher — imySinne der. internationalen Bestrebungen — oberstes Gesetz sein, sich einbürgern zu lassen. Ein solcher Akt bedeutet oft mehr, als gemeinhin bekannt ist. Er schließt zunächst eine leidvolle Epoche ab, oftmals mit grauenvollen Erlebnissen erfüllt, und gibt den Menschen den Boden der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Ordnung zurück. Nur dadurch kann das Leben der Flüchtlinge und Vertriebenen wieder lebens- und lobenswert und neu gestaltet werden.
Denn der internationale Schutz, auch wenn er weitestgehend verfügt wird, ist immer fragwürdig und dürftig. Diese bittere Erfahrung ist seit 1914 von Millionen gemacht worden.
Nicht mit Unrecht sagt daher die allgemeine Deklaration der Menschenrechte, angenommen von der Generalversammlung der Vereinten Nationen, daß jeder „das Recht auf eine Staatsbürgerschaft hat“. Sie zu erteilen, soweit darum angesucht wird, damit den Flüchtlingen eine Heimat wiederzugeben, würde auch für österrreich heißen, den Geboten der Menschlichkeit und Gerechtigkeit entsprechen.
Zur Eingliederung der Vertriebenen in das Berufsleben wäre viel zu sagen. Hier spielen nicht allein Wissen und Können eine Rolle, sondern wesentlich ist auch die Aufbringung von Geldmitteln, ohne die die Gründung von Handwerks-, Gewerbe- und Industriebetrieben ebenso die Wiederseßhaftmachung selbständiger Landwirte nicht ernsthaft behandelt werden kann. Man muß wohl verstehen, daß Österreich von sich aus diese Mittel, die zunächst zusätzlicher, wenn auch zinstragender Art sein mögen, nicht aufzubringen vermag. Hier müßte das kapitalkräftige Ausland werktätig eingreifen, allenfalls im Wege einer Kreditoperation.
Der Beitrag, den Österreich im Sinne der internationalen Flüchtlingspolitik uneingeschränkt leisten könnte, läge vor allem in der rechtlichen Gleichstellung und in der E i n-bürgerung, während die Erstellung von Geldmitteln zur Eingliederung der in Österreich befindlichen Flüchtlinge in das Erwerbsleben auch internationaler Hilfe bedürfte.
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