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Gewissen im Atomzeitalter
DIE GROSSE MASCHINE. Von B. Jungk. Auf dem Weg in eine andere Welt. Scherz-Verlag, Bern-München-Wien, 196. 2J2 Seiten. DM 16.80.
DIE GROSSE MASCHINE. Von B. Jungk. Auf dem Weg in eine andere Welt. Scherz-Verlag, Bern-München-Wien, 196. 2J2 Seiten. DM 16.80.
Im Zeitalter der „Big Science“ stellt sich die Frage nach dem Zusammenhang von Technik und Humanität als eine Lebensfrage des Menschen. Das Interesse großer Physiker von heute an der Philosophie und selbst an der Ethik ist dabei durchaus bemerkenswert und zugleich ein Hinweis, daß Logik, Physik und Ethik nicht einfach getrennte Wissenschaften sein dürfen, sondern aufeinander bezogen werden müssen. Jungk, der sich mit journalistischer Begabung, aber auch wissenschaftlichem Ernst der Forschung dem Thema des Fortschritts in eine bessere, menschlichere Zukunft in seinem Schaffen verbunden weiß, legtt uns mit seinem neuesten Buch eine wertvolle Arbeit vor. Diese ist gewiß mehr als eine Reportage über Entstehungsgeschichte, Wirken und Zukunftsweg der Forschungsstätte des Europäischen Rates für Kernforschung bei Genf, bekannt durch das „Große Maschine“ genannte Protonen-Synchotron.
J. hat es sich nicht leicht gemacht, das Buch zu schreiben, in vielen Gesprächen mit prominenten Männern der Wissenschaft, bei langen Besuchen in den modernen Forschungsstätten, selbst in der russischen „Atomstadt“ Dubna, wurde das Material gesammelt. Ein Beweis dafür ist die Liste der „Männer, die halfen“, mit vielen klangvollen Namen im Anhang und das Literaturverzeichnis für den, der „mehr erfahren will“, ebendort. So weitet sich die Reportage zu einem Buch über moderne Kernphysik, entsteht aber auch ein interessanter Beitrag zur modernen Wissenssoziologie.
Wiederholt tritt das Problem Gewissen im Atomzeitalter an den Leser heran. Die Frage nach der Technik reißt nicht ab: Stehen wir vor einem „Kult“ der Technik? Kann Forschung hinwider nicht zum Gebot werden? Doch überschlägt sich nicht heute der Wettlauf nach dem Fortschritt? Wie steht es um den Menschen, wo die „Sozialisation“ auch in der wissenschaftlichen Forschung das Abenteuer des einzelnen Forschers verschwinden macht? Überschlagen sich nicht auch bereits die Dimensionen unserer „Maschinen“? Wozu das alles, das noch Größere und Größere?
J. weiß keine endgültige Antwort. Doch wird der Leser mit einer Welt und Menschen darin vertraut gemacht, die von der modernen technischen Wissenschaft einfach geprägt werden. Und man hat das Gefühl, hier vor sehr realistischen und doch wagenden Menschen zu stehen, die der Zukunft eine positive Wende zu geben vermögen, die durchaus auch kritisch ihr Werk betrachten. So eröffnet sich hier echter Fortschritt, ein Beitrag der Technik und Physik von heute zur Völkerversöhnung, zum Friedensgedanken, zum Ethos des Menschen, zur Verantwortungsethik hin. Noch geht das gigantische Wettrennen zwischen Ost und West auch in den Dimensionen der neuen geplanten Beschleuniger weiter. In Brookhaven, USA, wie in Rußland plant man bereits je einen lbOO-GeV.-Beschleuniger mit einem Durchmesser von 20 Kilometer, so daß Europas letzte Pläne mit dem 300-GeV.-Synchotron, wie J. noch berichtet, fast klein erscheinen möchten. Doch sind auch schon Überlegungen im Gange von der „großen“ Maschine wegzukommen. Gleich wie die Dimensionen sein werden, unsere Wissenschaft sprengt zunehmend nationale Grenzen und Möglichkeiten innerhalb derselben. Eine Grenze zeigt sich aber um so realer, die der sittlichen Verantwortung als Grenze und zugleich Imperativ zu neuen Möglichkeiten menschlichkultureller Entfaltung.
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