Studenten ohne Utopien

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Die katastrophal niedrige Wahlbeteiligung für das bundesweite Studentenparlament ist Kommentatoren nicht einmal mehr eine Zeile wert. Selbst die Meinungsmacher haben sich offensichtlich damit abgefunden, daß sich die nachwachsende Akademikergeneration schon seit geraumer Zeit politisch völlig desinteressiert zeigt. Auch dieses Mal haben nur mehr knapp 27 Prozent der Wahlberechtigten von ihrem Stimmrecht Gebrauch gemacht. Fast drei Viertel der Studenten hüllten sich hingegen - wie schon die Jahre davor - in Schweigen, halten sich demonstrativ raus aus der Politik.

Eine enttäuschende Entwicklung. Die überwiegende Mehrheit von 211.702 jungen Menschen hat offensichtlich keine gesellschaftlichen Umgestaltungsphantasien mehr. Die Zeit ist vorbei, wo aus den universitären (Aus-)Bildungsstätten drängende Forderungen für die Mitgestaltung der Zukunft der Gesellschaft kamen. Man läßt die etablierte Politik einfach gewähren.

Daß den Parteien mißtraut wird, ist verständlich. Diese zeigen in der Tat wenig Interesse an den Studenten. Sie bieten ihnen kaum Orientierung, ja nicht einmal mehr die Aussicht auf den Zugang zu einer Normalbiografie (Arbeit und soziale Absicherung) an. Auch Uni-Absolventen sehen sich immer häufiger mit einer Gesellschaft konfrontiert, in der die meisten Arbeitsplätze besetzt sind. Übrig bleiben für sie immer öfter nur mehr Teilzeitjobs, befristete Verträge, Scheinselbständigkeiten, Umschulungsangebote.

Die Studenten haben entsprechend reagiert: man konzentriert sich nur mehr auf das Wesentliche. Auf sich selbst und die individuellen Probleme. Hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner. Von der Politik ist nichts zu erwarten, also ignorieren wir sie.

Schweigen in Teilen der Gesellschaft ist für die etablierten Politiker nicht unangenehm. Dann brauchen sie sich in ihrem Alltagsgeschäft, in ihren Selbstdarstellungen und Medieninszenierungen nicht gestört zu fühlen. Stummes Wählerpotential kann bequem verwaltet werden.

Es ist gut, mißtrauisch zu sein und von der Politik nicht alles zu erwarten. Aber es ist schlecht, von der Politik gar nichts mehr zu erwarten. Das ist eine gefährliche Resignation. Irgendwann kommt dann nämlich die Vorstellung abhanden, daß es bei der Beteiligung an Politik und Demokratie in der Regel um mehr geht als um die Bewältigung des eigenen Lebens.

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