6759650-1968_09_20.jpg
Digital In Arbeit

Faktor Baugeschehen

Werbung
Werbung
Werbung

Österreich befindet sich gegenwärtig im Sog eines verlangsamten Wirtschaftswachstums in den Industriestaaten. Dieses Wellental, von dem Österreich zum Glück weniger stark betroffen wurde als andere Länder, dürfte nach übereinstimmender Auffassung führender Wirtschaftsexperten im Jahre 1968 durchschritten sein.

Dennoch erfordert gerade die gegenwärtige Situation erhöhte Aufmerksamkeit und besondere Anstrengungen, damit den Auftriebskräften erfolgreich und rasch zum Durchbruch verholfen werden kann. Welche bedeutende Rolle der Bauwirtschaft gerade dabei zufällt, wiird klar, wenn man sich vor Augen hält, daß sie mit etwa 30 Milliarden Schilling jährlich elf Prozent des Bruttonationalproduktes erbringt. Sie beschäftigt in Österreich direkt 220.000 Arbeitnehmer, insgesamt 500.000 Erwerbstätige sind von ihr abhängig.

Die von den 4500 Bauunternehmen vor allem auf die Baustofferzeugung und die Maschinenproduktion ausgehenden Impulse sind beträchtlich! Nicht weniger als 17 Prozent aller österreichischen Betriebe sind in irgend einer Form Beteiligte am Baugeschehen.

Die besondere Verantwortung, die von der öffentlichen Hand gegenüber diesem Wirtschaftszweig zu tragen ist, leitet sich primär von ihrer starken Rolle als Auftraggeber ab. Bund, Länder und Gemeinden sind zusammen etwa an 60 Prozent aller Bauaufträge, indirekt sogar mit 80 Prozent des Auftragsstandes beteiligt.

Obwohl die öffentliche Hand die Bauwirtschaft im abgelaufenen Jahr eher noch stärker mit Aufträgen versorgt hat, ist nun auch sie von der allgemeinen Abschwächung nicht völlig verschont geblieben. Dies dürfte in erster Linie auf eine abwartende Haltung pri vater Auftraggeber zurückzuführen sein, die aus Unsicherheit über die künftige Wirtschaftsentwicklung bei den Bauinvestitionen zögernde Zurückhaltung übten.

Bei der augenblicklichen Wirtschaftslage ist wohl vorerst in diesem Bereich noch mit keiner grundlegenden Halturigsänderung zu rechnen. Demgemäß fällt der öffentlichen Hand nunmehr auch eine erhöhte Verantwortung um die Bauwirtschaft zu, der sie nur gerecht zu werden vermag, wenn die vorhandenen, begrenzten Mittel noch wirksamer als früher eingesetzt werden.

Vom Bautenministerium wurden daher schon gegen Ende des vergangenen Jahres eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet, die zunächst alle darauf abzielten, der Bauwirtschaft die Sorge um Auftragslücken für das Jahr 1968 zu nehmen und sie in die Lage zu versetzen, die erforderlichen bauvorbereitenden Maßnahmen ohne Verzug zu treffen. So wurde noch im Dezember 1967 für den Wohnbau des heurigen Jahres ein zusätzlicher Impuls gegeben, durch den der Bauwirtschaft eine Milliarde Schilling zufließen. Beschleunigt durchgeführt wurden die Arbeiten an den Bauprogrammen für Bundesstraßen und Autobahnen, die für das heurige Jahr erstmals anfang Februar fertig Vorlagen. Der Vergabe von Bauaufträgen noch zu Saisonbeginn steht daher nichts im Wege.

Einen beachtlichen, zusätzlichen Impuls erhält die Bauwirtschaft überdies durch den Einsatz der Hälfte des Eventualbudgets, wobei diese Quote beim Bautenministerium 310 Millionen Schilling beträgt. Alle diese Aktionen des Ministeriums zielen darauf ab, der Bauwirtschaft die Bewältigung der bestehenden Probleme zu erleichtern. Eine völlige Abhilfe kann das Ressort mit Rücksicht auf seinen Anteil am Gesamtbaugeschehen allein nicht schaffen.

Darum wurden auch eine Reihe von grundsätzlichen Initiativen vor allem auf dem Gebiet der Baukoordinierung eingeleitet, mit deren Hilfe für den gesamten Bereich der öffentlichen Hand eine kontinuierliche Vergabe der Bauaufträge erreicht werden soll. Dabei geht es vor allem darum, sowohl Auftragsballungen als auch Auftragslücken zu vermeiden. Aufbauend auf den seinerzeitigen Vorschlägen des Beirates für Bauwirtschaft der Paritätischen Kommission habe ich Anweisung gegeben, die theoretischen Überlegungen praxisnah auszuwerten. Als Resultat einer von mir im Vorjahr einberufenen Bauenquete kam es wenig später zur Gründung des Beirates für, Bauwirtschaft, der mich in den Fragen der Baukoordinierung, der Stabilisierung in der Bauwirtschaft, dem bauwirtschaftlichen Vergabewesen, der Erstellung mittelfristiger Bauprogramme, der Anwendung moderner Baumethoden und der Bautätigkeit im Winter beraten soll.

Als einer der Schritte, der auf lange Sicht abgestellten Bemühungen, ist die Schaffung einer Bauwirtschaftsstatistik anzusehen, in der erstmals in Österreich neben dem Beschäftigtenstand auch der Kapitaleinsatz, das Bauvolumen und die Beschäftigungslage exakt erfaßt werden. Sie wird schon für 1968 wirksam. Die Bauwirtschaftsstatistik bildet die Grundlage, auf der einzig und allein die angestrebte Baukoordinierung aufgebaut werden kann. Obwohl sie für die Bauwirtschaft eine zusätzliche Arbeitsaufgabe bedeutet, wurde die Schaffung gerade dieses Instrumentes von ihr selbst verlangt, weil sie letztlich doch wieder nur der Bauwirtschaft zugute kommt.

Auf allen Gebieten des Bauwesens zeichnet sich heute bereits ein starker Zug zu koordinierenden Maßnahmen ab, der natürlich von. den gegenwärtigen Verhältnissen stark begünstigt wird. Ein solcher Umwandlungsprozeß, wie er sich nun in der Bauwirtschaft anbahnt, wird auch für andere Wirtschaftsbereiche anregend wirken.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung