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Bauen mit Sorgen

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Das, Konjunkturbild der österreichischen Bauwirtschaft, das seit dem Sommer 1959 durch eine krähige Übernachtungsfrage gekennzeichnet ist, dürfte sich auch im laufenden Jahr kaum verändern. Insgesamt erwartet man eine Steigerung der Bauleistung um 8 Prozent. Im vergangenen Jahr lagen die Bruttoinvestitionen in Bauten bei rund 16 Milliarden Schilling, und damit um 10 Prozent über dem Niveau des Jahres 1960.

Dennoch zeichnen sich in der gegenwärtigen Periode einige Veränderungen ab. Zum ersten beobachten die Baufirmen im Wohnbau eine Verschleppung der Vergabe von öffentlichen Aufträgen. In Fachkreisen fürchtet man, daß es dadurch in den nächsten Wochen zu einer gewaltigen Ballung von Aufträgen kommen könnte. Dies würde die Preisauftriebstendenzen wesentlich verstärken.

Zum zweiten lassen sich im Tiefbau bereits Auftragslücken beobachten. Diese entstehen durch die Zurückhaltung, die der Bund bei der Vergabe von Straßen- und Autobahnbauten übt. Auch verlautet aus dem Verbundkonzern, daß für das heurige Jahr vorläufig keine neuen Kraftwerkbauten in Angriff genommen werden sollen.

Die große Sorge der österreichischen Bauwirtschaft bleibt jedoch nach wie vor das stürmische Hinaufklettern der Baupreise, verursacht durch starke Kostenerhöhungen, die vor allem kleineren Betrieben nur eine dünne Kapitaldecke ermöglichen. Der Baukostenindex hat sich 1961 um durchschnittlich 5,5 Prozent erhöht. Nach Meinung der Auftraggeber ist die Preissteigerung in der Praxis noch um ein Vielfaches größer. In Kreisen der Bauwirtschaft überlegt man daher, welche Maßnahmen zur Anwendung gebracht werden könnten, um den überaus starken Kostenauftrieb einzudämmen.

In erster Linie erwartet man eine langfristige Planung und eine möglichst breite und gleichmäßige Streuung der Aufträge. Nur eine solche ermöglicht den rationellsten und damit auch billigsten Einsatz von Arbeitskräften und Maschinen. Dies gilt besonders für den Tiefbau. Die starke Mechanisierungswelle der großen Bauunternehmen, die vor allem im Hinblick auf die großen Kraftwerk- und Autobahn-vorhabeh durchgeführt wurde, hat die Kapazitäten stark anwachsen lassen.

Die Mechanisierung im Tiefbau mit ihrem hohen, kapitalbindenden Geräteeinsatz fordert jedoch in Zukunft einen möglichst gleichmäßigen Einsatz des hohen Investitionskapitals, was wiederum eine langfristige und gleichmäßige Verteilung des Bauvolumens voraussetzt. Ansonsten würden ungleichmäßig ausgenützte Kapazitäten zur Folge hoher Verzinsung und nur geringer Amortisation eine empfindliche Erhöhung der Baupreise verursachen. In diesem Zusammenhang weist man in Kreisen der Bauwirtschaft immer wieder auf die fehlende Zahlungsmoral vieler Auftraggeber hin.

Zu einem Politikum ist die Beschaffung von Fremdarbeitern geworden. Man hofft jedenfalls, durch ihren Einsatz einen sehr wesentlichen, kostentreibenden Auftriebsfaktor dämpfen zu können. Nach Angaben des Instituts für Wirtschaftsforschung war der Baukostenindex im Dezember um 6,3 Prozent höher als im Jahr davor. Diese Erhöhung betrug bei dem Faktor Arbeit 9,5 Prozent und bei dem Faktor Baustoffe nur 3 Prozent.

Besonders empfindlich wirkt sich der Mangel an Arbeitskräften im Hochbau aus, da bei ihm die Mechanisierung nur eine geringe Rolle spielt. Ein offenes Problem ist dabei auch das Fehlen von Lehrlingen und jungen Arbeitskräften. Diese ziehen den ruhigen Arbeitsplatz des Industriebetriebes mit seinen verlockenden Sozialeinrichtungen dem Wanderleben des Bauarbeiters (trotz seines höheren Lohnes) vor.

Die Bauwirtschaft überlegt deshalb, die Sommerarbeitszeit, ähnlich wie in anderen europäischen Ländern (zum Beispiel in der Schweiz), zu verlängern und statt dessen den Winterarbeitstag zu verkürzen. Dies würde eine rationellere Ausnützung der Arbeitskapazitäten und damit eine Verbilligung bedeuten.

Um die Produktivität der Bauunternehmen zu erhöhen, ist man auch ständig bemüht, neue Wege der Mechanisierung zu gehen. Während dies im Tiefbau durch den Einsatz hochwertiger Baumaschinen leichter möglich scheint, ringt man im Hochbau mit dem bei uns in Österreich noch kaum durchdachten Problem des Montagebaues. Verschiedene Anfänge dieser Bauweise haben bisher noch keine nennenswerten Kostenvorteile gegenüber der konventionellen Bauweise gebracht. Die Erfahrung in Deutschland hat gezeigt, daß dem Handwerk verhaftete Produktionsstätten nicht in der Lage sind, die kostensenkende Großserie herzustellen.

Fabriken-, in denen Einfamilienhäuser vom Fließband rollen, liegen vorerst noch in weiter Ferne. Ob in diesem Bereich die Großfabrikation überhaupt realisierbar ist, bleibt abzuwarten. Eine Idealform für das vorgefertigte Familienheim propagierte vor kurzem die Wüstenroth-Gesellschaft in Salzburg anläßlich ihrer Hauptversammlung: „Die Fertighausindustrie muß bei technisch und ästhetisch ausreichender Qualität zu Familienheim-formen kommen, die ohne hohe Transportkosten und ohne teure Montage weder einen beständigen Massenabsatz noch hohe Kapitalinvestitionen erfordern.“

Weit besser als beim Einfamilienhaus lassen sich die Vorteile des Fertigbaues bereits im mehr geschlossenen Wohnungsbau nutzen. Die Erfahrung in Frankreich hat gezeigt, daß dort, wo bereits seit 1950 in fortschrittlicher Weise mit Fertigteilen gebaut wird, die Baupreise seit 1958 um ein Minimum, jedenfalls niedriger gestiegen sind als jene in Österreich, Deutschland und auch der Schweiz.

Das französische Beispiel lehrt aber auch den „fliegenden Betrieb“ oder die „Feldfabrik“, wie die Baustellenvorfertigung oft genannt wird. Eine solche ist, im Gegensatz zur stationären Wohnungsfabrik, elastischer. Dadurch werden auch die Transportkosten, das Haupthindernis für eine stärkere Verbreitung der Wohnungsfabrik, gesenkt. Nach französischen Angaben würden sich die Investitionen schon bei kleinen Kapazitäten, die unter 500 Wohnungen liegen, als rentabel erweisen.

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