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Dunkle Ecke

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Vorrang für den Wohnbau in Österreich? Das stand letzte Woche im Mittelpunkt der parlamentarischen Auseinandersetzung, wobei die Verabschiedung einer Novelle zum Wohnbauförderungsgesetz der offizielle Anlaß dazu war.

Tatsächlich ist die Frage angesichts der Versprechungen und Absichtserklärungen sowohl vor den beiden letzten Nationalratswahlgängen als auch noch in der Regierungserklärung berechtigt — anderseits ist es in der derzeitigen konjunkturellen Lage nicht sonderlich zweckmäßig, die Bauwirtschaft noch stärker anzukurbeln — abgesehen davon, daß die Fertigstellung von Wohnungen angesichts der derzeit vorhandenen Expansion der Bauwirtschaft gar nicht technisch bewältigt werden kann; was Einsichtigen allerdings auch schon vor der Abgabe von Versprechungen („5000 Wohnungen mehr“ im SPÖ-Wahlprogramm 1970) klar gewesen ist.

Mit der Parlamentsdebatte über die Wohnbauförderung trat allerdings ein Ressort wieder in das helle Licht der Öffentlichkeit, das sich offensichtlich absichtlich in einen verschwiegenen dunklen Winkel der Diskussion zurückgezogen hat. Das Bautenministerium sorgt schon seit längerer Zeit weder für öffentliche Diskussion noch produziert es neue Vorstellungen für wichtige Fragenkomplexe. Etwa für den Problemkreis der Bewältigung der zunehmenden Motorisierung, für die Frage nach der Errichtung zunehmend bedeutsamer Verkehrsbauwerke und für die Urbanisierung, die immerhin auch bundesgesetzliches Interesse hervorrufen müßte.

Das war nicht immer so; und die Verleihung der Würde eines Ehrensenators der Technischen Hochschule in Wien an den früheren Bautenminister Dr. Vinzenz Kotzina rief erst vor wenigen Tagen in Erinnerung, daß die Jahre von Kotzinas eher unspektakulärer Ministerschaft zu den produktivsten in der Regierung Klaus zu zählen sind: • Der von ihm unter Mitwirkung führender Kräfte der Wissenschaft ins Leben gerufene „Beirat für Bauwirtschaft“ erarbeitete neben einer Reihe anderer wichtiger Grundlagen ein System, mit dessen Hilfe jeweils eine Bauvorschau auf das kommende Baujahr erstellt werden kann.

• Die Neubewertung des Bundesstraßennetzes basiert auf einer Kette wissenschaftlicher Untersuchungen und Vorausberechnungen auf das Jahr 1980 bzw. auf das Jahr 2000, die Kotzina während seiner Ministerschaft in Auftrag gegeben hat. Das Resultat fand jetzt seinen Niederschlag im neuen Bundesstraßengesetz, das neben einer Einteilung des Straßennetzes in einen bedarfsgerechten Fächer von Straßenkategorien erstmals zweckgebundene Mittel im Umfang eines halben Prozentes des Straßenbauetats für Straßenbauforschung bringt. Diese Dotation für die Straßenbauforschung war bereits in dem von Kotzina im Juli 1969 zur Begutachtung ausgesendeten Erstentwurf zum neuen Bundesstraßengesetz enthalten.

• Im Zuge der Reform des Wohnungswesens wurde im Wohnbauförderungsgesetz 1968 der Wohnbauforschung eine finanzielle Basis gegeben, wie sie sonst in keinem anderen europäischen Land in solcher Höhe — noch dazu unabhängig von der Budgetentwicklung — existiert. Kraft dieses Gesetzes erhält die Wohnbauforschung ein Prozent der für den staatlichen Wohnbau zweckgebundenen Einnahmen. Diese Initiative wurde noch ergänzt durch die Schaffung eines Beirates für Wohnbauforschung und die Durchführung von Architektenwettbewerben im gesamten Bundesgebiet zur Erlangung richtungsweisender neuer Wohnformen. Die Einführung der Wohnbauforschung, für die nach den Vorstellungen Kotzinas ein eigener Forschungsplan hätte entwickelt werden sollen, ermöglicht seither die Vergabe einer Palette von vielfältigen Forschungsaufträgen, denen insbesondere im Zuge der unvermeidlichen Stadterneuerungsmaßnahmen größte Bedeutung zukommen wird. • Der von der Wissenschaft mehrfach erhobenen Forderung nach einem Konzept zur Erhaltung modernisierbaren Wohnungsaltbestandes hat das Bautenministerium mit dem Wohnungsverbesserungs-gesetz Rechnung getragen. Dem im Umweltschutzkatalog besonders im Vordergrund stehenden Problem der Gewässerreinhaltung diente eine Novelle zum Wasserbautenförderungsgesetz, die neben einer besseren Ausnützung der vorhandenen Mittel die Einbeziehung der gewerblichen und industriellen Abwasserreinigung in die staatliche Förderung brachte.

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