7171634-1982_48_05.jpg
Digital In Arbeit

Die Nachfrage ist noch lange nicht gesättigt"

Werbung
Werbung
Werbung

Die österreichische Bauwirtschaft befindet sich in ihrer tiefsten Krise seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Natürlich läßt sich auch diese Krise mit weltwirtschaftlichen Einflüssen erklären, doch in weit höherem Maße als etwa die triste Lage der heimischen (verstaatlichten) Stahlindustrie hat die Krise am Bau vor allem innerösterreichische Gründe.

Selbst die so gerne für ökonomische Krisenerklärungen herangezogene These von den „gesättigten Märkten" geht an der Wirklichkeit vorbei: Es gibt in ganz Österreich einen großen Bedarf an preiswerten Eigentums- und Mietwohnungen, es herrscht eine ungebrochene, doch schwer finanzierbare Nachfrage nach Einfamilienhäusern, und der immer rascher werdende Verfall des Althausbestandes in fast allen österreichischen Mittel- und Großstädten, insbesondere aber in Wien, beweist die Notwendigkeit und Dringlichkeit erheblicher Aufträge an die heimische Bauwirtschaft.

Wiens Vizebürgermeister Erhard Busek spricht in diesem Zusammenhang von einem der „größten Investitionsvorhaben heute und in nächster Zukunft, dessen Beschäftigungseffekte weit mehr als bei allen stählernen Mammutbauten auf viele Betriebe und Branchen ausstrahlen würden". Und der Wiener Finanzstadtrat Hans Mayr pflichtet dieser Auffassung bei: „95 Prozent der Haus- und Wohnungsreparaturen sind inlandswirksam."

Die Krise am Bau hat politische, finanzwirtschaftliche, administrative und auch strukturelle Gründe.

Die strukturellen Gründe, nämlich die ansehnliche Größe der österreichischen Bauwirtschaft und ihr im Vergleich mit anderen Industriestaaten relativ hoher Beitrag von 7,5 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt, spielen eine wichtige, aber keinesfalls die entscheidende Rolle.

Immerhin hat die heimische Bauwirtschaft in den letzten acht Jahren eine erhebliche „Abmagerungskur" erfahren: Ihr Anteil am Sozialprodukt ging zwischen 1973 und 1982 von 9,4 auf 7,5 Prozent zurück, das ist ein Fünftel, und immerhin fand dazu parallel auch ein erheblicher Rückgang der Beschäftigten im Hoch- und Tiefbau statt. Im Durchschnitt des Jahres 1982 dürften rund 150.000 Personen in diesen beiden Bereichen beschäftigt sein, 1973 waren es noch an die 180.000 Arbeitnehmer.

Die österreichische Bauwirtschaft hat aber in diesem Zeitraum auch ihre Exportleistungen erheblich ausgeweitet, wenngleich hier mit einem Exportvolumen von rund sieben Prozent am Gesamtbauvolumen die Schweizer Werte noch nicht erreicht wurden.

Die Bauwirtschaft befand sich demnach schon in der Vergangenheit in einem durchaus tiefgreifenden Redimensionierungspro-zeß, eine Entwicklung, die sich auch in Zukunft fortsetzen wird und zu einem Rückgang des Anteils der Bauwirtschaft am Sozialprodukt auf etwa 5,5 Prozent bis zum Ende der achtziger Jahre führen soll.

Die Krise der Bauwirtschaft ist in erster Linie eine Krise der öffentlichen Haushalte. Wachsende Schuldenberge und noch rascher wachsende Tilgungsverpflichtungen engen den Spielraum für öffentliche Bauinvestitionen immer stärker ein.

Die im Finanz- und Investitionsbericht der Stadt Wien 1982 bis 1986 genannten Bauvorhaben wurden zu einem Großteil gestrichen, noch ehe dieser Bericht die Druckerei verlassen hatte. Geschieht nichts, so wird der Investitionsspielraum der größten österreichischen Gemeinde bis 1987 auf Null reduziert sein. Geschieht nichts, so werden aber auch ab 1987 für den heimischen Straßenbau keine Finanzierungsmittel mehr zur Verfügung stehen.

Die Krise der Bauwirtschaft ist auch eine Krise des'österreichischen Steuerstaats, der etwa zehn Prozent des Bauvolumens aus dem legalen Sektor zur Untergrundwirtschaft vertrieb. Der Anteil der Schwarzarbeit am Bau dürfte sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt haben.

Die Krise der Bauwirtschaft ist schließlich auch eine Folge der in den letzten Jahren errichteten Rechts-, Bürokratie- und Finanzierungsbarrieren. Das neue Mietrecht hat viele Investitionsmilliarden aus der Bauwirtschaft vertrieben. Das früher im Rahmen' des Paragraph-7-Mietgesetz finanzierte Reparaturvolumen für Althäuser ist seit Beginn 1982 stark zurückgegangen: einmal aus wirtschaftlichen, dann aber auch aus administrativen Gründen.

Das im neuen Mietrecht festgelegte Verfahren ist so kompliziert, daß viele Hauseigentümer und Verwaltungen abwarten, wie sich hier die Praxis in Zukunft entwik-keln wird. Die nur mit sechs Prozent verzinsten Förderungsdarlehen im Rahmen der „Althausmilliarde" werden nicht in dem vom Bund erwarteten Maß nachgefragt, weil den meisten potentiellen Investoren die bürokratischen Barrieren zunächst unüberwindlich scheinen.

Auf der anderen Seite wurden die einfach handhabbaren öffentlichen Subventionen für den Erwerb von Neubau- und Alteigentumswohnungen erheblich eingeschränkt. In Wien benötigen die Magistratsabteilungen 40 und 50 oft länger als zwei Jahre zur Erledigung eines Parifizierungsverfahrens, die Bausparkassen finanzieren den Erwerb von Alteigentum jedoch nur dann, wenn die Parifizierung, also die genaue Vermessung des Althauses von der Behörde akzeptiert worden ist.

Die früher so einfache Bausparfinanzierung wurde in den letzten zehn Jahren so oft geändert, bis sie nun tatsächlich finanziell ausgepowert ist. Die von der Regierung verfügte Diskriminierung von Eigentumswohnungen hat schließlich ebenfalls zur.Krise am Bau beigetragen.

Es ist dies eine von der Politik und von der Administration „hausgemachte" Krise in einem von weltwirtschaftlichen Einflüssen und Importen weitgehend geschützten Sektor. Die Krise am Bau ist eine Krise der Politik.

Die Bundesregierung will diese Krise mit dem Bau eines folgeko-stenträchtigen Konferenzzentrums beheben. Dabei liegen die Beschäftigungseffekte tief unter denen von Investitionen in die Stadterneuerung. Dies wurde durch einige Studien bewiesen. Dennoch will die Bundesregierung ihren Kurs fortsetzen.

Im Winter 1982/83 wird mit 70.000 bis 80.000 Arbeitslosen in der Bauwirtschaft gerechnet. Der frühere Finanzminister Hannes Androsch befürchtet gar 100.000 Arbeitslose. Dafür wurde er von Kanzler Bruno Kreisky und der SPÖ scharf gerügt, weil kein sozialistischer Funktionär in der Öffentlichkeit Meinungen vertreten darf, „die als Kritik an der Wirtschaftspolitik der Regierung ausgelegt werden könnten".

Kreisky hat einmal behauptet, daß die Krise der Wirtschaft zur Krise der Politik und diese wiederum zur Krise der Demokratie führen könnte. Der SPÖ-Partei-vorstand hat diese Tbese zuletzt bestätigt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung