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Die Welt, Europa und Osterreich
Der Buck, der durch das Land gehen müsse, ist mittlerweile fast sprichwörtlich geworden: Die „Berliner Bede” des deutschen Bundespräsidenten Boman Herzog ist landauf, landab und über Deutschlands Grenzen hinaus vielfach zitiert worden. Sie kann auch als ein Beispiel für die Möglichkeiten und Grenzen des höchsten Amts im Staate gelten: Den Niederungen der Tagespolitik weitgehend enthoben, kann und soll der Bundespräsident so etwas wie geistige Wegmarken aufstellen; der Mut zu auch unpopulären Wahrheiten müßte einem Staatsoberhaupt leichter fallen, als umfrageorientierten Regierungspolitikern, gleichzeitig steht Kritik aus Präsidentenmund nicht so leicht im Verdacht, parteistrategischen Überlegungen zu entspringen, wie dies bei der unter dem Zwang der Profilierung stehenden Opposition der Fall ist. Dem steht freilich ein Mangel an unmittelbarer Wirkung präsidentieller Worte entgegen.
Dieser grundsätzliche Befund gilt im wesentlichen nicht nur für den deutschen, sondern ebenso für den österreichischen Bundespräsidenten - vor allem, was das Alltagsgeschäft, abseits von Wahlen und Regierungsbildungen, angeht. Thomas Klestil hat vor allem zu Beginn seiner Amtszeit die Möglichkeiten des Amtes extensiv genutzt, ohne gleichzeitig seine Grenzen wahrzunehmen oder wahrhaben zu wollen. Das hat ihn tiefer in die Tagespolitik hineingezogen, als ihm vielleicht lieb war; es hat aber auch zu durch aus profilierten politischen Wortspenden geführt, die auf dem Boden der ko-alitionären Zwangseintracht nicht hätten gedeihen können. Zuletzt jedoch, so wurde vielfach kritisiert, hätten Klestils Aussagen an Konturenschärfe stark eingebüßt. Hatte der Bundespräsident aus den Turbulenzen der letzten Jahre (Vranitzky-Konflikt, ;Ehekrise,
Krankheit) seine Schlüsse gezogen?
Bei der Lektüre des vor kurzem präsentierten Buches von Thomas Klestil relativiert sich dieser Eindruck wieder etwas. Die „Themen meines Lebens” lesen sich über weite Strecken wie eine Art Pendant zu Herzogs Bede im
Berliner „Hotel Adlon”. Auch Klestil wünscht sich einen Buck, der durch Österreich gehen möge. Und er versucht vor allem, dem Hang seiner Landsleute zur Mieselsucht entgegenzutreten. Ein Optimismus, der Veränderungen primär als Chancen und Herausforderungen begreift und eine von Zuversicht getragene Weltoffenheit erweisen sich so als roter Faden durch das Buch, als zwei Aspekte eines durchaus sympathischen Hauptthemas dieses Diplomaten-Lebens.
Das klingt freilich bisweilen etwas pathetisch, so etwa im zitatverdächtigen Schlußsatz des Buches: „Ich wüßte kein anderes Land, das mehr Anlaß hätte, an seine Zukunft zu glauben. Es liegt alleine an uns, diese Chancen zu nützen.” Bei aller Heimatliebe - das ist denn doch etwas dick aufgetragen.
Das verhindert auch nicht so manchen Allgemeinplatz: „Ein weltoffener Staat, der aktiv am Zusammenwachsen Europas mitwirkt; ein Staat, sozial ausgewogen und bürgernah, engagiert in Forschung und Lehre, im schonenden Umgang mit seinen Naturschätzen; ein Vorbild an Friedfertigkeit, Humanität und Toleranz.” Erraten, es geht um Österreich „an der Schwelle des dritten Jahrtausends”. Wer möchte da nicht dabei sein!
Und es bleiben - neben vielen richtig und klar benannten Problemen -auch Punkte, bei denen man gerne genauer nachfragen möchte: so löst etwa das von Klestil wiederholt vorgetragene Unbehagen an der „Idee der repräsentativen Demokratie” mangels überzeugender Alternativen selbst wieder Unbehagen aus - auch wenn man nicht leugnen kann, daß sich diese „Idee” nicht immer glanzvoll realisiert.
Der Leser legt das Buch weg und hofft, Thomas Klestil möge in seiner wahrscheinlichen zweiten Amtszeit die Themen seines Lebens wieder deutlicher im politischen Diskurs artikulieren.
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