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Kurzlebig ist teuer

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Die Folge des zum Bestandteil vieler Erzeugungsverfahren gewordenen künstlichen Veraltens von Gebrauchsgegenständen ist eine faktische Verteuerung der in Frage kommenden Produkte, bei deren Erwerb der jeweilige Preis auch in Beziehung zur realen Nützungsdauer und nicht allein zur Novität oder zur Verpackung gebracht werden muß.

Selbst Markenartikel, deren Kennzeichen neben anderen und geschützten, sekundären Merkmalen ein einheitlicher Letztverbraucherpreis, vor allem aber eine spezifische, permanente Qualitätsvorstellung (Nutzenwert) und Qualitätsgarantie sein soll, bieten vielfach heute Garantie für die angepriesene Nutzungsdauer.

Nun ist bei vielen Gütern eine lange Haltbarkeit kein werbendes Kennzeichen. Die Neigung der Mehrheit der Konsumenten, Farbe, Dessin und Form der konsumierten Güter rasch zu wechseln, kommt dem gewinnfixierten Vorhaben nicht weniger Produzenten entgegen, die oft von der Nachfrageseite geradezu verhalten werden, raschlebige Güter anzubieten. Das gilt etwa für Druckstoffe, keineswegs aber beispielsweise für Strümpfe, deren Anschaffungskosten heute in manchen Haushalten große Teile des Kleidungsbudgets binden, weil einzelne Strumpfqualitäten die Eignung haben, nur wenige Tragestunden zu halten. Auch beim bereits wieder aus dem Verkehr gezogenen „Eine-Mark-Strumpf” stehen Nutzungsdauer und Preis in keinem angemessenen Verhältnis.

Am schwächsten ist die Position jener Käufer, die in ihren Kaufentscheidungen relativ stark vom Prestigebedürfnis bestimmt werden, die beispielsweise keine Autos kaufen, sondern vor allem „Ansehen” (Packard). Diese Käufergruppe verdient wenig Schonung.

Bedenkliche Qualitätsverschlechterung

So weit die Fertigung von Gütern weitgehend mechanisiert oder gar automatisiert wurde, sind die Ausstoßmengen fest oder lassen sich nur unter hohen Kosten reduzieren, da sie durch die bei Errichtung einer Anlage gewählte Kapazität (= Ausstoßmenge in einer Zeiteinheit) vorweg fixiert wurden. Die Hersteller stehen in diesem Fall unter Anbotsdruck. Ist die Nachfrage gesättigt, kann jedoch eine neue Nachfrage, die noch relativ großen Vorräten der potentiellen Konsumenten gegenübersteht, nur mit attraktiven Methoden angeregt werden. Die Industrie steht daher vor der Alternative von anregenden Preisreduktionen und von teuren Werbekampagnen. Die künstliche Veraltung ist aus diesem Grund ein Versuch, dieser peinlichen Alternative auszu-

weichen und eine vorzeitige Ersatznachfrage sachlich zu erzwingen.

Nur — ökonomische Erwägungen machen daher das künstliche Herbei- führen einer Ersatznachfrage verständlich. Anderseits gibt es jedoch eine Reihe von Bedenken gegen die wachsende Qualitätsverschlechterung eines großen Teiles der auf den Märkten der Güter des abweisbaren Konsums angebotenen Waren:

Moralische Gründe: dem Anbot der in Frage kommenden Güter wird eine Qualität vorgetäuscht, die nicht realisiert werden kann. Wenn etwa bei Glühbirnen die Käufertäuschung sogar zum Gegenstand von Forschungen gemacht werden, ist das nichts anderes als verdeckter Diebstahl, keineswegs aber ein Kavaliersdelikt.

Soziale Gründe: Die Qualitätsverschlechterung von Gütern, die keinen unnützen Prestigekonsum, sondern der korrekten Verwaltung eines kleinen Haushaltes dienen, führt zu einer unmittelbaren Belastung der Haushaltsbudgets und zur Verkürzung des Konsums von oft lebenswichtigen Gütern.

Ökonomische Gründe: Neben jenen Materialbestandteilen einer Ware, deren Lebensdauer relativ kurzfristig ist oder kurzfristig gemacht wurde, müssen oft mit ihnen verbundene Materalien in den Abfallkübel geworfen werden. Eine Abfallverwertung, wie sie im Dritten Reich praktiziert und mit Unrecht belächelt wurde, kennen wir heute kaum mehr. Insoweit haben wir uns „amerikanisiert”.

Auch jener Teil der Werbungskosten, der für eine Käufertäuschung bestimmt ist, wäre besser für eine Preisreduktion verwendet, ganz abge-

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