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Offener Brief

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Verehrter Herr Minister!

Sie haben durch Verminderung der Steuerlast wiederholt großes Verständnis für die Belange der Wirtschaft bewiesen. Es erscheint mir nicht unbillig, im Zeitpunkt der Hochkonjunktur nun auch die steuermäßige Begünstigung der kulturellen Veranstaltungen zu erbitten.

Der Aktion „Der gute Film” wurde vor einem fahr vom Bundesministerium für Unterricht der Auftrag erteilt, durch Beschaffung und Bereitstellung wertvoller Filme und durch deren regelmäßige Veranstaltungen Jugend und Volk echte kulturelle Werte zu bieten und so prophylaktisch wenigstens einem Teil der schädlichen Umweltseinflüsse entgegenzuwirken und — besonders auf dem Land — kulturelle Bedürfnisse zu befriedigen.

Unsere Bemühungen finden zwar volles Verständnis beim Fachverband der Lichtspieltheater Oesterreichs und bei dessen Funktionären in allen Bundesländern, aber wirtschaftliche Tatsachen lassen sich nicht so einfach aus der Welt schaffen, und es ist leider — nicht nur bei uns — Tatsache, daß der Geschmack für die echten Werte erst anerzogen werden muß. Die Erfüllung unserer Aufgabe stößt daher auf Schwierigkeiten: die Kinounternehmer erklären vielfach, daß dėt Besuch dieser Veranstaltungen zu wünschen übriglasse und sie keinerlei Ertrag ab- würfen, und die Verleiher sind weniger interessiert, an Stelle der gutgehenden schlechten Filme schlechtgehende gute Filme zu erwerben.

Filmproduzenten, Verleiher und Kinounternehmer sind Geschäftsleute und nicht etwa Mäzene, die ä fonds perdu Filme produzieren, verleihen und spielen und davon noch Bundes-, Landes- und Gemeindesteuern zahlen. Es gibt ja ebensowenig einen privaten Theaterunternehmer, der ein Mäzen und geneigt wäre, dauernd Verluste zu tragen. Es ist daher seit Jahrhunderten üblich, die Theater — die ja doch nur von einem winzigen Bruchteil unseres Volkes besucht werden — zu subventionieren. Seit einigen Jahren tragen auch Filmvorführungen zu diesen Subventionen bei. So kommt es, daß selbst wertvolle und jugendfördernde Filme mithelfen müssen, weniger wertvolle Theateraufführungen zu ermöglichen.

Wenn wir also, wie es unser Zweck ist, erreichen wollen, daß mehr gute Filme gespielt werden, so muß den Kinounternehmern und den Verleihern ein Ausgleich für den Einnahmeent- gang geboten werden. Dies kann auf mehrfache Weise geschehen:

1. Durch Nachlaß der Umsatzsteuer, Laut § 4, Zahl 19 des Umsatzsteuergesetzes sind Veranstaltungen wertvoller Filme von der Umsatzsteuer befreit, wenn sie von öffentlich-rechtlichen Körperschaften oder von Volksbildungsvereinen durchgeführt werden. Wenn Sie, verehrter Herr Minister, sei es auf dem Verordnungswege, sei es durch Novellierung des Gesetzes auch die Veranstaltungen der Aktion „Der gute Film” durch Nachlaß der Umsatzsteuer begünstigen wollten, könnten wir es in Verbindung mit den zugesagten und zum Teil schon bewilligten Ermäßigungen der Landes- und der Gemeindeabgaben erreichen, daß in allen Städten unseres Landes regelmäßig mindestens einmal im Monat Veranstaltungen guter Filme stattfinden, auch wenn im Anfang der Besuch zu wünschen übrigließe.

Die Auswahl der zu begünstigenden Filme könnte durch die seit einem Jahr wirksame staatliche Prädikatisierungskommission erfolgen. Damit würde Oesterreich, das mit der Aktion „Der gute Film” der ganzen übrigen Welt ein Beispiel gegeben hat, auf steuerlichem Gebiet einen Zustand erreichen, wie er etwa in Deutschland und In anderen Kulturstaaten seit Jahren besteht.

2. Durch Zollfreiheit für wertvolle Filme. Da ihre Zahl nicht sehr hoch ist, ergäbe sich für den Staat bei den jetzigen Zollsätzen jährlich eine Einbuße von maximal 100.000 S. Sie, verehrter Herr Minister, haben mir in einem Interview vor zwei Jahren die wohlwollende Erledigung dieses Wunsches zugesagt, sobald er von kompetenter Stelle vorgebracht werden würde. Die Aktion „Der gute Film” ist zweifellos kompetent, und wir appellieren daher an Ihr Wohlwollen.

Die Erfüllung unserer Wünsche würde einen entscheidenden und richtungweisenden Schritt zum Schutz der heranwachsenden Jugend wie auch zur Hebung des allgemeinen Geschmacksniveaus bedeuten, deren Werte in gar keinem Verhältnis zu den minimalen Beträgen stehen würden, die dem Bund durch die vorgeschlagenen Maßnahmen entgingen.

Aus Gesprächen mit verantwortlichen Funktionären aller Parteien und aller Bundesländer habe ich die Gewißheit gewonnen, daß unser Vorschlag die Zustimmung aller Mitglieder der gesetzgebenden Körperschaften finden würde. Wir bitten Sie, verehrter Herr Minister, diesem aus allen Kreisen der verantwortungsbewußten OÖffentlichkeit kommenden Appell zum Schutze unserer Jugend und zur Förderung der Kultur durch Steuernachlässe zu entsprechen.

Mit dem Ausdruck meiner besonderen Wertschätzung

Geschäftsführer der Aktion „Der gute Film”, Wien VII, Mariahilfer Straße 88, Telephon 44 24 37

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