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Eine schleichende Malaise
Warum hat gerade Pompidou in diesem Augenblick einen solchen Versuchsballon losgelassen und geschah dies mit Zustimmung des Staatsoberhauptes? Vor der Reise nach Rom wurde der ehemalige Ministerpräsident zu einer längeren Aussprache im Elysee-Palast empfangen. Wer die Natur des gaullistischen Regimes kennt, muß zu der Annahme gelangen, daß Pompidou die Zustimmung des Staatschefs erhalten hat. In der Umgebung de Gaulles wurden die Stimmen häufiger, die darauf drängten, das Experiment Couve de Murville abzubrechen. Vielmehr ist eine Regierung der nationalen Konzentration vorgesehen, in der sich die orthodoxen Gaullisten mit den unabhängigen Republikanern Giscard d'Estaings und den Zentruimsleuten eines Duhamel und Lecanuet treffen. Die in den letzten Wochen auftretende „fauristische Tendenz“ würde sich in eine solche Gruppierung leicht integrieren. Alle diese Parteien könnten nur einen Mann als Ministerpräsidenten akzeptieren, eben den bereits bewährten Ex-ministerpräsidenten Pompidou. Ein weiteres innenpolitisches Moment mag Pompidou veranlaßt haben, gerade zu Beginn des Jahres seine Ansprüche geltend zu machen.Die Nation möge wissen, daß Ersatzlösungen in der Innenpolitik möglich seden und selbst bei einem derzeit unwahrscheinlichen Abgang de Gaulles die staatliche Ordnung aufrechterhalten werde. Das französische Volk ist in allen Klassen und Schichten von einer tiefen Unruhe erfüllt. Die Außenpolitik des Staatschefs findet in keiner Weise die Zustimmung der öffentlichen Meinung. Die steigenden Lebenshaltungskosten treffen die mittleren und kleineren Familienhaushalte. Noch schweigen die Gewerkschaften, aber die „Begegnung des Frühjahrs“ wird die Sozialfront sicherlich versteifen. Die Unruhe unter den Studenten ist • chronisch geworden. Zum erstenmal seit Jahren sickern Nachrichten durch, daß die seit Ende des Algerienkrieges schweigende Armee ebenfalls von einer schleichenden Malaise befallen sei. Nun steht de Gaulle allein seiner Nation gegenüber und trägt sichtbar sämtliche Verantwortungen. Sein persönliches Prestige ist ungebrochen, seine Politik dagegen unterliegt einer zunehmenden Kritik. Die Außenminister der europäischen Staaten werden also guttun, wenn sie sich mit der Persönlichkeit des neuen „Königs von Rom“ eingehend beschäftigen.
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