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Digital In Arbeit

Zum Fest gehört die Freude

19451960198020002020

Zustimmung zur Welt. Eine Theorie des Festes. Von Josef Pieper. Kösel-Verlag, München, 11163. 350 Seiten. Preis 6.80 DM.

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Zustimmung zur Welt. Eine Theorie des Festes. Von Josef Pieper. Kösel-Verlag, München, 11163. 350 Seiten. Preis 6.80 DM.

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„Es gibt Dinge, die zulänglich nur erörtert werden können, indem man vom Ganzen der Welt und des Daseins spricht“ (Seite 15). Daß zu diesen Dingen in eminentem Maß das Fest als etwas „die Mitte der Existenz“ Betreffendes (Seite 30) gehört, legt Pieper in seiner reichen Studie in gewohnter Zulänglichkeit und Prägnanz dar. „Ein Fest feiern heißt: die immer schon und alle Tage vollzogen Gutheißung der Welt aus besonderem Anlaß auf unalltägliche Weise begehen“ (Seite 52). Mit dieser Definition stützt Pieper sich so1 wohl auf den Befund der gesamtei Kultur- und Religionshistorie al auch auf die tiefste metaphysisch und religiöse Konzeption vom Menschen als demjenigen Wesen, das „von Natur nach der Stillung durch Sehen verlangt“ (Seite 33) als seinem äußersten Glück: nach dem „schauenden Gewahrwerden des göttlichen Urgrundes der Welt“ (Seite 32).

Das wahre Fest, die Ausnahme, kann nur in seiner Zuordnung zum Alltag der Arbeit gesehen werden, in dem es indessen schon latent ist, insofern diese Arbeit trotz ihrer notwendigen Zweckbezüglichkeit als ein in sich selbst sinnvolles Tun angenommen ist auf Grund einer wurzel- haften Zustimmung zur Wirklichkeit im Ganzen. Ein in sich selbst sinnvolles Tun geschieht, „insofern es gelingt, den verborgenen Grund von allem, was ist, vor den Blick zu bringen“ (Seite 34).

Damit ist gesagt, daß Kontemplation und das von einem „existentiellen Reichtum“ (Seite 38) getragene Opfer des Nutzens als ihre Voraussetzung Wesenselemente des Festes sind, dem die Arbeitsruhe des Feiertages gilt (der also mehr ist als bloße Pause). Und es ist einschlußweise bereits gesagt, daß es Feste in der totalen Arbeitswelt grundsätzlich nicht geben kann. Weil aber Kon-

templation eine „existentielle Übereinstimmung des Menschen mit der Welt und mit sich selbst“ voraussetzt, jene Bejahung also, die nur Liebe genannt werden kann, darum gehört zum Fest als drittes Wesenselement die Freude. Denn „der Grund zur Freude ist, daß einer“ (in der Kontemplation als Anschauung des Geliebten) „empfängt, was er liebt“ (Seite 43). „Wo Liebe sich freut, da ist Fest“ (Chrysostomus), lautet „die knappste und klarste Formulierung der innersten Struktur des wirklichen Festes“ (Seite 43). In dieser Freude des Festes — jedes wahren Festes — wird die Antwort des Menschen als einer schlechthin universalen (wenngleich unreflektierten) Gutheißung der Welt im Ganzen als des tragenden Grundes jedes Festes laut. Sie besagt, daß „im Grund alles, was ist, gut ist, und daß es gut ist, zu sein“ (Seite 47). Aus dieser Bejahung des Gutseins der Welt lebt das Fest.

Diese Affirmation, dieses „unbegrenzte Ja- und Amen-Sagen“ geschieht am radikalsten, am festlichsten und leibhaftigsten (wodurch auch Öffentlichkeit zu einem Merkmal des Festes wird) im Lob und Dank der kultischen Preisung des Schöpfers und Seiner Welt. Wo diese verweigert wird, wird das Fest wurzelhaft zerstört, denn auch alle weltlichen Feste gründen in ihr. „Es gibt weltliche, aber keine rein profanen Feste das Fest ohne Götter ist ein Unbegriff es ist aus übermenschlichem Ursprung empfangen “ (Seite 56), und seine Furcht: Teilhabe an einer übermenschlichen Lebensfülle, die den Menschen erneuert und verwandelt, ist „reines Geschenk“. Darum nennen nicht bloß die Psalmen, sondern auch Platon das Fest einen „Tag, den der Herr gemacht hat“ (Seite 65). Der biblische siebente Tag, der alttesta- mentliche Sabbath und der christ-

liche Sonntag sind keine menschliche Gründung. An ihnen wird das Geschenk des ersten anfänglichen Glücks des Geschaffenseins mit der alle menschliche Gutheißung letztverbürgenden „Sehr-gut-Heißung“ Gottes gefeiert sowie das Geschenk des letzten zukünftigen Glücks der ewigen Stillung aller Wesen in Gott als das wahrhaft zu Erhoffende. Weil aber in den christlichen Hochfesten gefeierte Menschwerdung und Auferstehung göttliche Lebenskraft vermittelt, die das menschliche Leben zu jeder Stunde bestimmt, darum gibt es — auch heute! — das „immerwährende, verborgene Fest“, ohne das es das sichtbar begangene gar nicht geben könnte.

Daß zur rechten Begehung des Festes als einer Preisung der Schöpfung und ihres Grundes die Künste gehören, wenngleich nur „nachgeordnet“ und als „Schmuck“, folgt nach Pieper daraus, daß Preisung angemessen nur in ihnen sich sinnlich verleiblichen kann. Und sie müssen ebenso verdorren wie das Fest (und mit diesem der Mensch!), wo jene kultische Urbejahung der wahren Wirklichkeit verweigert wird. In heute mehr denn je zeitgemäßen Analysen wird das beklemmend-gespenstische Phänomen der von jeher bestehenden Pseudofeste mit ihren Pseudokünsten, ihren „Arrangements“, die die Stelle des wahren Festes besetzt halten, dieses Phänomen der schließlich auch in äußerer Gestaltlosigkeit (Formzertrümmerung) mündenden radikalen Verneinung belegt.

Wo das Fest nicht mehr der Tag ist, „den der Herr gemacht hat“, wo der Mensch meint, das eigene Heilsein und das der Welt selbst und von Staats wegen herbeiführen zu können, da entstehen die künstlichen Feste, jene „Feste der Festlosen“ (Kurt Eisner), deren Stigma die Lüge und deren sich zunehmend enthüllendes Ziel die Feier der totalen Vernichtung, die höchste Lust einer äußersten Bejahung des Nein ist. Angesichts dieser in der Natur des geschichtlichen Menschen liegenden Möglichkeit, dieser heute erlebten realen Bedrohung durch das Antifest (greifbar- werdend im „Schmuck“ der Demonstration von Vernichtungswaffen der „Feste“ totalitärer Staaten) nicht zu verzweifeln, kann nur demjenigen gelingen, der — kritisch begründet! — um die göttlich verbürgte Gutheit und also letztliche Unzerstörbarkeit des geschaffenen Seins sowie um ein Heil weiß, daß diese schöpfungshafte Gutheit noch unendlich übersteigt (Seite

4). Es gelingt nur dem, der weil ß „dieser festliche Anlaß schlechl n“ immer, wenngleich" verbörgfei steht und in Kraft bleibt (ja, ku] ch begangen wird!) und daß niet imal eine gänzliche „Zerstörun r Erde“ das wahre Fest vereitel nnte, das — wie ja bereits di ste der geschichtlichen Zeit - iztlich „nicht in diesem Äon noc f der Erde“ gefeiert wird

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