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Streiflichter von der "Sound of Europe"-Konferenz in Salzburg.

Europa, dieses aus Griechenland kommende Mädchen mit den großen Augen, ist eine faszinierende Vision, und wenn man die Nationalstaaten überwinden will, wohl unabdingbar. Nur, was ist Europa? Ein Bundesgebilde, eine Wertegemeinschaft, ein Wirtschaftsraum? Ein Hort für Wissen, Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit oder eine Freihandelszone? Und was will Europa? Der reichste und mächtigste Kontinent werden? Oder seine Werte in die Welt tragen? Aber welche Werte wären das? Kulturelle und religiöse Vielfalt, Umweltschutz, Verantwortung?

In Salzburg trafen sich an Mozarts 250stem Geburtstag höchstrangige Politiker mit Künstlern, Philosophen und Wissenschaftlern, um eben darüber zu diskutieren. Zumindest war das so geplant. Von der Idee her wunderbar und mehr als begrüßenswert. Dass die Veranstaltung dann größtenteils zu einer Statement-Absonderungs-Bühne für Politiker verkommen ist, wo vor allem die Kunst Dinge zu zerreden in höchster Meisterschaft vorexerziert wurde, ist die andere, für die Problematik Europas wohl nicht untypische Seite. So klang im Sound of Europe auch der Sand [Saund] mit, der im europäischen Getriebe knirscht, und den wegzureden sich alle so bemüht hatten.

Sa(u)nd im EU-Getriebe?

Noch bevor der erste Redner auf der Bühne stand, war schon Auschwitz in den Notizblock von Michael Nyman, neben dem ich die Ehre hatte zu sitzen, gekritzelt. Und es stimmt. Kann man Europa ohne Auschwitz, ohne Holocaust denken und begreifen? Ist die damit verbundene Identitätskrise mit Euro, Ostöffnung und einer europäischen Verfassung überwindbar?

Europa, wie ich es verstehe, kann sich nur über die geistigen Werte definieren, über Menschenrechte, Demokratie, Laizismus, Bildung, Kultur, soziale Gerechtigkeit, und dieses Europa gehört dann auch in die Türkei, nach Russland, Israel, Nordafrika, Südamerika - also auf die ganze Welt. Nur, wie will sich das durchsetzen gegen ein militärisches Amerika und ein marktwirtschaftliches Asien?

Die Bühne im Kongress-Center in Salzburg glich einem überdimensionierten Klarsichthandschuh - oder war es ein Kondom? Ein Alien? Eine Fruchtblase? Unten, bei den Delegierten, wehten Mundgeruchwinde, Brisen übersäuerter Mägen, die davon zeugten, dass die Eingeladenen, die Mächtigen, alle um die 50 oder schon darüber waren. Man sprach von der Wichtigkeit der Kunst, davon, dass sie ständig unsere Sicherheiten infrage stellen müsse, ohne sie aber erst zu Wort kommen zu lassen - schließlich sollte die Veranstaltung nicht entgleisen. Wir müssen begreifen, sagte einer, der glaubte es begriffen zu haben, während ein anderer, dem man das auch ansah, meinte, dass es uns noch nie so gut gegangen sei wie eben jetzt.

Schritt in richtige Richtung

Europa ist eine Erfolgsgeschichte, die sich nur noch nicht zu ihren Bürgern durchgesprochen hat. Europa ist unsere Zukunft. Und auch wenn in Salzburg scheinbar nicht viel herausgekommen ist, war es doch ein kleiner Schritt in die richtige Richtung.

Und am Rande wurde auch noch Politik gemacht, schmiss sich der österreichische Bundeskanzler mit all seiner ihm zur Verfügung stehenden Charmanz an Liz Mohn, die Bertelsmann-Chefin, während die eu-Kommissarin für Außenbeziehungen und Nachbarschaftspolitik, Benita Ferrero-Waldner, die ihr Fach ganz wunderbar beherrscht, die ebenfalls mächtig an die begehrte und mächtige Dame drängenden Regierungschefs von Finnland und Holland abschirmte.

Zur Sicherheit wurde auch noch der anwesende Vorstand der Bertelsmann-Gruppe von einem ganzen Spalier österreichischer Regierungsmitglieder bearbeitet, außerdem, wohl weil man dem Kanzlercharme doch nicht ganz vertraute, musste selbst der Direktor der Staatsoper die mächtige Dame umgarnen. Was dabei freilich herausgekommen ist, war nicht zu erfahren. Wird Österreich bald ein Teil von Bertelsmann sein? Oder am Ende die ganze eu? Möglich wäre alles. Und Michael Nyman? Der hatte seinen Notizblock bald wieder zugeklappt und war mit einer eloquenten Schönheit in den tiefen Sphären des Klanges verschwunden.

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