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Der Schritt in die Offensive

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Mitte Oktober, 25 Jahre nach der Gründung der Katholischen Arbeiter-Internationale in München-Gladbach, tagte in Innsbruck die Herbstkonferenz des Internationalen Bundes Katholischer Arbeiterbewegungen Europas.

Die Katholische Arbeiter-Internationale, formal zwar niemals aufgelöst, wurde von 1933 bis 1945 in Deutschland und den besetzten Gebieten in ihrem Wirken auf das schwerste behindert und auf den rein religiösen Sektor eingeengt. Ihre Arbeit wurde jedoch nicht vollkommen eingestellt, und wie sehr sie den herrschenden Machthabern ein Dorn im Auge war, beweist die Tatsache, daß noch im Frühjahr 1945 zwei ihrer besten Führer, Nikolaus Groß und Bernhard Letterhaus, zu Blutzeugen ihrer Bewegung wurden.

Mit Kriegsende begann das Sammeln der in den Wirren verstreuten Herde. Und die noch lebten, kamen alle wieder zusammen und bauten in mühseliger harter Arbeit wieder Tausende von Gruppen auf.

Eine Bewegung ist nur imstande, sich zu behaupten, wenn sie ein Anliegen hat, das die Menschen wirklich bewegt. Deshalb folgten der Periode des Sammeins die öffentlichen Forderungen des KAB zur gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Neuordnung am deutschen Katholikentag Bochum 1950. Eine mißglückte Formulierung des Themas Mitbestimmung — Miteigentum drohte alle geleistete wissenschaftliche Vorarbeit zu zerschlagen, konnte aber klargestellt werden.

Es blieb bei derlei Unternehmungen nicht im Operationsraum Deutschland. Die KAB Hollands brachte Vorschläge zur Vermögenssteuerung ein; ein eigenes Ministerium wurde dafür geschaffen, dessen Leiter der Präsident der KAB wurde. Belgiens KAB ging frontal vor mit der Neuordnung, Ausweitung und Verbesserung der Sozialversicherung (bis dorthin freiwillig), und legte nach hartem Kampf die Rentenlüge der belgischen Sozialisten bloß, die als Vorbild der Rentenlüge der SPÖ angesehen werden kann. Die ACLI Italiens sahen als ein Hauptanliegen die Verwirklichung der Bodenreform (700.000 ha an Grund und Boden der großen Latifundien Süditaliens wurden bis heute verteilt), scheiterten aber an der Halsstarrigkeit der (zum Teil katholischen) Großgrundbesitzer.

Religiöse Grundeinstellung stellt keinen Widerspruch zur sozialen Arbeit und Haltung dar. Im Gegenteil, die Religion fordert soziale Haltung und sozialen Aktivismus, fordert nicht nur das Studium der Fragen und das Gespräch darüber, sondern ebenso die tatsächliche Lösung.

Die soziale Frage ist nicht nur eine politische oder wirtschaftliche, sie ist letzthin auch eine religiöse Frage. Diese Erkenntnis dringt mancherorts schon nach oben durch und mag am besten durch die Worte eines hohen sozialistischen Gewerkschaftsführer bei einen*. Besuch in Caux beleuchtet werden, der da sagte: „Könnte ich nochmals leben, ich würde wiederum für die Arbeiter kämpfen. Aber dann nicht ohne oder gegen Gott, sondern mit und für ihn. Ich werde ab heute anders kämpfen.“

War die Katholische Arbeiter-Bewegung lange Zeit hindurch, bedingt durch den Zeitgeist der Aufklärung und des Liberalismus und der daraus stammenden Bewegung, in die Defensive gedrängt, so zeichnet sich nun ganz klar, wenn regional auch noch verschieden stark, eine Umkehrung ab. Man kann einfach nicht mitten im 20. Jahrhundert mit dem Geist des 19. Jahrhunderts und seinen Methoden Sozial- und Gesellschaftsreform betreiben. Die Zeit ist fortgeschritten und reif geworden zur Offensive des sozialen Katholizismus. Seine Stärke ist echt und an ihm werden sich die Geister scheiden.

Einen Gegner bekämpft man solange nicht, solange nun ihn nicht ernst nimmt. Die KAB aber wird ernst genommen. Das zeigen die Angriffe des DGB, des westeuropäischen Sozialismus, und zuletzt die Verleumdungen der kommunistischen Presse Italiens, wobei die lügnerische Behauptung verbreitet wurde, die deutsche KAB werde von den Unternehmern finanziert. Radio Vatikan nahm dazu durch P. Schmitz SJ., einen hervorragenden Kenner der deutschen KAB, Stellung und erbrachte den Beweis, daß die KAB sich aus eigenen Mitteln erhalte. Die Aufforderung an die kommunistische Presse, den Wahrheitsbeweis anzutreten, blieb wie immer, wenn es um die Rücknahme von Unwahrheiten geht, bis heute unbeantwortet.

Die Offensive der KAB in Europa — und darüber hinaus in Südamerika, Belgisch-Kongo und besonders Kanada — hat begonnen. Nicht mit Posaunen und fliegenden Fahnen, sondern mit gut und gewissenhaft fundierter Arbeit zur gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Neuordnung Europas — Arbeit in der weltumspannenden Einheit des Christentums.

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