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Die sozialen Anliegen der Katholiken

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Die Ansprache des Papstes an den österreichischen Katholikentag 1952 hat die Aufmerksamkeit auf die bisher in der Öffentlichkeit unseres Landes noch wenig besprochenen Fragen der Mitbestimmung und des Miteigentums gelenkt. Die klare Grenzziehung, die diese Ansprache und jüngst auch das Schreiben von Msgr. Montini an die XXV. Soziale Woche Italiens in Turin erneut vorgenommen hat, wurde — unbegreiflicherweise •— mißverstanden, zum Teil sogar als eine scharfe Ablehnung der sozialen Anliegen, vor allem der christlichen Arbeitnehmerschaft, empfunden. Soll hier nicht aneinander vorbeigeredet werden, dann ist es zunächst notwendig, die Frage nach der Begründung des Miteigentums und Mitbestimmungsrechtes klar von der Frage nach den sozialen Anliegen der Kirche zu trennen. Das eine ist eine sozialethische Frage, die wie häufig in ähnlichen Fällen durch klare Festlegung einer Grenze beantwortet werden muß. Das andere ist eine Frage — sagen wir — der Sozialreform, die das Gebiet innerhalb dieser Grenzen zu gestalten hat.

Was nun die erste Frage nach der ethisjchen Begründung von Mitedgentums- und j Mitbestimmungsrechten betrifft, so hat Pius XII. bereits am 3. Juni 1950 festgestellt, daß weder aus der Natur des Arbeitsvertrages noch aus der Natur des Betriebes noch aus der Gleichstellung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in ihren persönlichen Rechten ein wirtschaftliches Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer gefolgert werden kann. So ist es nur eine Unterstreichung früherer Erklärungen, wenn die Papstbotschaft an den österreichischen Katholikentag und das Schreiben Msgr. Montinis es verneinen, daß aus der Natur des Arbeitsvertrages derartige Rechte abgeleitet werden können. Dazu kommt noch, wie der Heilige Vater in seiner Botschaft weiter ausführt, daß ein auf diese Weise begründetes Miteigentums- und Mitbestimmungsrecht nur die Gefahr einer allumfassenden Sozialisierung brächte, was besonders dann zu- träfe — wie Msgr. Montini ergänzt — „wenn dieses Recht (der Mitbestimmung) direkt oder indirekt von Organisationen ausgeübt wird, die von außerhalb des Betriebes ihre Weisungen erhalten."

Muß eine solche Begründung des Mitbestimmungsrechtes abgelehnt werden,

dann stellt sich die Frage, woraus sich nun echte Mitbestimmungsrechte des Arbeitnehmers ergeben können. In den kirchlichen Äußerungen finden wir darauf eine dreifache Antwort: aus dem Miteigentum, aus einem Gesellschaftsvertrag, in gewissen Fällen durch staatliche Gesetzgebung.

Das wirtschaftliche Entscheidungsrecht ist nach christlicher Auffassung an das Eigentumsrecht gebunden (Pius XII. vom 7. Mai 1949). Dort also, wo Miteigentum an den Produktionsmitteln geschaffen wird, wird zugleich der Grund zu einem organisch echten Mitbestimmungsrecht gelegt. Dabei ist freilich das Recht auf Miteigentum nicht schon durch die Natur des Arbeitsvertrages gegeben, sondern entsteht erst auf Grund freier Vertragschließung. Die Sinnhaftigkeit und Angemessenheit — nicht die Notwendigkeit —, solche Miteigentumsrechte zu gewähren, liegt in der dadurch erzielten Vermögensstreuung, die das Recht des einzelnen und der Familie auf Eigentum konkretisiert.

Wenn von Pius XII. (3. Juni 1950) in Übereinstimmung mit Pius XI. (Qu. a, Nr. 64) festgestellt wird, daß das Arbeits- verhältnds in sich kein Unrecht darstellt, so darf nicht übersehen werden, daß beide Äußerungen (Qu. a. Nr. 65 und die Ansprache vom 3. Juni 1950) von der Möglichkeit handeln, das Lohnarbeitsverhältnis durch einen Gesellschaftsvertrag oder gesellschaftsrechtliche Einschläge zu mäßigen. Msgr. Montini drückt das gleiche mit den Worten aus:

„Das verwehrt den Unternehmern aber nicht, die Arbeiter in irgendeiner Form an der Führung des Betriebes teilnehmen zu lassen."

Gleichzeitig erwähnt Msgr. Montini eine Ansprache des Heiligen Vaters vom 1. September 1944, in der es unter anderem heißt:

„Wo sich der Großbetrieb auch heute als durchaus produktiv erweist, muß die Möglichkeit geboten werden, den Arbeitsvertrag durch einen Gesellschaftsvertrag zu mildern." „

Ob der reine Gesellschaftsvertrag mit seinem vollen Risiko tatsächlich vom Arbeitnehmer gewünscht wird, ist eine ganz andere Frage. Es mag vorzuziehen sein, die Mündigkeit des modernen

Arbeitnehmers — und damit ist auch die Begründung für ein solches Vorgehen gegeben —• durch gesellschaftsrechtliche Einschläge im Lohnvertrag zu berücksichtigen. Die so geschaffenen Rechte entstehen auf Grund eines freien Vertrages. Msgr. Montini führt in seinem Schreiben an die Turiner Soziale Woche aus, das es auch dem Staat nicht verwehrt sei,

„der Arbeiterschaft die Möglichkeit zu geben, in bestimmten Betrieben und in bestimmten Fällen, wo die Übermacht des sich selbst überlassenen anonymen Kapitals offenkundig der Gesamtheit schadet, in der Betriebsführung mitzusprechen.“

P. v. Nell-Breuning betont einmal sehr nachdrücklich, daß der Gesetzgeber „nicht alles, was wünschens- oder erstrebenswert sein mag, in Gesetzesbefehle zu kleiden" („Stimmen der Zeit" 1949 50, S. 383) hat. Nur, wenn es um des Gemeinwohles willen notwendig geworden ist, hat der Staat das Recht dazu, die Freiheit zu beschränken. Sicher kann ein solches Vorgehen nur in den Fällen äußerster Notlage gerechtfertigt erscheinen, wenn es sich dabei um Beschränkung grundlegender Frei heitsrechte der menschlichen Person handelt. Es besteht sonst die Gefahr, daß der gesamte privatrechtliche Bereich in der öffentlich-rechtlichen Sphäre untergeht. Die Päpste warnen immer davor, das Unheil einer anonymen Kapitalsmacht durch Schaffung einer anonymen Kollektivität der Arbeiterschaft oder der Staatsmacht beseitigen zu wollen. Mit diesen kurzen Darlegungen scheinen uns die sozialethischen Begründungsmöglichkeiten für Miteigentum und -bestimmung genügend klar aufgezeigt.

Es gab eine Zeit, da alle Kraft und Herrlichkeit des Christentums übersehen wurde und nur die negativen Verbote „Du darfst nicht" bekannt waren. Der moderne Chris’ kann es sich nicht leisten, nun im sozialen Bereich den gleichen Fehler zu wiederholen. Die sozialen Botschaften der Päpste sprechen nicht nur von Grenzen, sondern sie zeigen auch mit eindeutiger Klarheit die sozialen Anliegen der Kirche auf. Im Grunde geht es darum, Würde und Freiheit des Menschen vor Vermassung und Kollektivisierung zu retten. Aus diesem Anliegen heraus weist der Heilige Vater gerade auch in seiner Ansprache an den österreichischen Katholikentag 1952 besonders auf zwei Aufgaben hin;

auf die „Überwindung des Klassenkampfes durch ein organisches Zueinanderordnen des Arbeitgebers und Arbeitnehmers"; auf die Schaffung persönlichen Eigentums für den Einzelnen und die Familie.

Den ersten Aufgabenbereich hat schon eine Papstansprache vom 31. Jänner 1952 behandelt, in der von der Herstellung menschlicher Beziehungen im Betrieb gesprochen wurde. Der Arbeitskreis „Mitbestimmung" hat in Mariazell in ernster Diskussion von Arbeitgebern und Arbeitnehmern diese Frage aufgenommen und das wirkliche Anliegen der Arbeiterschaft, das hinter den Forderungen nach Mitbestimmungsrechten steckt, aufzuzeigen versucht. Alles, was vom Vorschlags- und Informationswesen innerhalb des Betriebes, von der Aufgliederung in entsprechende Verantwortungsbereiche, von den verschiedenen Mitspracherechten, von der Verbesserung der Arbeitsbedingungen, von der betriebseigenen Schulung der Arbeitnehmer usw. gesagt wurde, war im wesentlichen nicht neu. Neu und entscheidend ist, darin nicht nur ein Mittel zur Produktionssteigerung zu sehen, sondern

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