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Jetzt Verbitterung

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Auch dem ersten Nichtzivilisten auf Österreichs Verteidigungsministersessel ist es bis jetzt nicht gelungen, das Unbehagen über Österreichs Miniheer zu beseitigen. Das von Brigadier Freihsler bei seinem Amtsantritt geäußerte Vorhaben, das Bundesheer wieder aus der Kritik der öffentlichen Meinung herauszuführen, klingt heute bereits wie Ironie. Das von Freihsler im guten Glauben angedeutete Versprechen scheint sich ins Gegenteil zu verkehren.

Als sich erstmals ein Sozialist anschickte, das Ressort zu leiten, das zu übernehmen sich die SPÖ während der Regierungsverhandlungen strikte weigerte, bewunderten manche den Elan und den Mut des Mannes, den Dr. Kreisky bewußt aus dem Kreise der Militärs und nicht der Politiker aussuchte: „Geht's schief, dann war es nicht die Partei, sondern der Fachmann der sich verspekulierte“, meinte damals ein sozialistischer Spitzenfunktionär. Als Freihsler die Mammuitkommission zur Reform des Heeres einsetzte, faßten manche sogar wieder Hoffnung, daß es doch wieder aufwärts gehen könnte.

Doch das Dilemma dieser Kommission begann bereits an dem Tag, an dem sie sich zum ersten Mal an einem Tisch zusammensetzte. Nach einer kurzen Phase der Beratungen, in denen sich herausstellte, daß eine Verkürzung der Dienstzeit eine teure Angelegenheit ist, kam für viele die Ernüchterung. Auf verschiedene Art und Weise ließ man die Mitglieder der Kommission wissen, an der Verkürzung gebe es keinen Zweifel, koste es was es wolle. Als sich die Kommission in einer demokratischen Abstimmung diese Vorgangsweise verbat, mußte sie es Sich gefallen lassen, daß Dr. Kreisky die Meineng der Heeresreformer als „irrelevant“ bezeichnete. Und, gleichsam um die allerletzten Zweifel zu beseitigen: „Die Verkürzung ist für die SPÖ eine parteipolitische Verpflichtung.“

Die Folgen sind bekannt; die Arbeiten der Kommission gingen in einer immer gereizter werdenden Atmosphäre und äußerst schleppend vor sich, und die weisungsgebundenen Offiziere wurden immer unsicherer.Da hinein platzte der Rücktritt des Brigadiers Lütgendorf. Dazu wurden noch Gerüchte kolportiert, daß Freihsler — der sich selbst als Offizier stets gegen eine Wehrdienstzeitverkürzung ausgesprochen hatte — dies sogar zu Papier gebracht habe. Dieses „Papier“ werde nun streng geheim gehalten. Solche Gerüchte förderten aber nur weiter die Unsicherheit des Apparates und des Offizierskorps.

Auch die Begleitumstände dieser wenig erfreulichen Art der „Reform“ lassen keinen besonderen Optimismus aufkommen. Die von Freihsler vorgenommene Kürzung der für Manöver und für die Schießausbildung vorgesehenen Mittel nehmen den mit viel Idealismus dienenden Truppenoffizieren jede Hoffnung, den Ausbildungsstand der Soldaten jemals heben zu können. Zur Resignation kommt nun Verbitterung, und das Ergebnis der Reform wird mit Skepsis, ja mehr noch, mit Besorgnis erwartet. Sind es doch die Truppenoffiziere, die schließlich mit den Folgen einer unüberlegten und überhasteten, parteipolitisch erzwungenen Reform fertig werden müssen.

Die SPÖ scheint ihre Ressentiments gegen das Heer noch immer nicht überwunden zu haben. Gerüchten zufolge soll der Verteidigungsetat des erstmals von einer SP-Regierung erstellten Budgets für das Jahr 1971 um nicht weniger als 30 Millionen gekürzt worden sein. Wie damit die Mehrkosten einer freiwillig länger dienenden, gut bezahlten Neu-tralirtätsschutztruppe aufgebracht werden sollen, ist völlig unklar. Oder ist dies der erste Schritt einer inoffiziellen Unterstützung des von links außen initiierten Volksbegehrens zur Abschaffung des Bundesheeres?

Vielleicht hat die „Schweizerische Politische Korrespondenz“ gar nicht so unrecht, wenn sie schreibt: „Kreisky... scheint eine wohl hauptsächlich parteidoktrinär bestimmte Abneigung gegen die Armee zu empfinden. Er hält nicht viel von ihr... Ginge es ganz nur nach ihm, hätte er also keine internationalen Rücksichten zu nehmen, so würde er vielleicht die Idee realisieren, die er uns gegenüber nach der Tschechenkrise als die meistversprechende darlegte: die Möglichkeit des zivilen Widerstandes ...“

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