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Die dreifache Katastrophe in Japan - Erdbeben, Tsunami, Reaktorunfälle - führt den technikgläubigen Staat an Grenzen. Mit der Verkettung und dem Ausmaß war nicht zu rechnen. Einige europäische Staaten stellen Kernenergie infrage.

Japan kämpft mit einer dreifachen Katastrophe, die noch andauert. Die Welt sieht fassungslos zu, ringt um Worte, liefert Hilfe. Noch fehlen Begriffe für das Geschehene, noch vermag es niemand historisch einzuordnen. Aber die Ereignisse im Land der aufgehenden Sonne - das Erdbeben, der Tsunami und die Unfälle in Kernreaktoren - sind schon vor Abschluss aller Abläufe wegen ihrer Wucht und Dramatik ein Teil der Geschichte. Sie markieren einige Wendepunkte.

"Wie hältst Du es mit der Kernenergie?“ war gerade in Österreich die Gretchenfrage, mit der seit vierzig Jahren nach dem vermeintlich rechten politischen Glauben gefragt wird. Die Kernspaltung spaltet die Gesellschaft, doch alleine das würde sie noch nicht in jenem Ausmaß diskreditieren, wie es ihre Gegner tun. Aber die haben in diesen Tagen Bekräftigung ihrer Skepsis, Belebung ihres Temperaments und den schönsten Lohn, den die Welt zu vergeben hat, erhalten: zumindest vor der Zeitgeschichte Recht zu behalten.

Zu wenig Wissen, zu viel an Skepsis

Eine Technik wie die Kernenergie, die in der Öffentlichkeit auf wenig Sachkundigkeit und hohe emotionale Ablehnung stößt, macht sich verdächtig, wenn sie weder das eine noch das andere zu entkräften vermag. Die Mystifizierung zum Angstgegner und Stilisierung zum Feindbild vollenden jene Regierungen, die zwar gegenüber der Öffentlichkeit Informationen zurückhalten, der einschlägigen Industrie hingegen Förderungen zukommen lassen. Das ist ein Bündnis von Wissen und Macht zur Täuschung demokratischer Öffentlichkeit. Diese muss sich allerdings vorhalten lassen, die Bestechung durch jederzeit verfügbare und leistbare Energie gerne angenommen zu haben. Wer in Europa den Ausstieg aus der Kernenergie forciert, wird an dem dafür zu entrichtenden Preis mit zu bezahlen haben. Expertisen, wonach dieser allemal niedriger sei als jener auf Jahrhunderte zu entrichtende für Atommüll, sind schwer von der Hand zu weisen.

So oder so - die Ereignisse in Japan bieten Anlass und Inhalt, nicht nur die Energiepolitik zu überdenken. Es ist diese Trias aus Erdbeben, Fluten und Reaktorunfällen, die sogar noch im Schock erkennen lassen, was zu überdenken ist.

Nicht alles, was möglich ist, lässt sich in Wahrscheinlichkeiten fassen, aber selbst das Unwahrscheinliche passiert. Das ist eine - nicht ganz neue - Lehre aus Japans Katastrophe von 2011: Auf jede einzelne Katastrophe waren Land und Leute vorbereitet, aber nicht auf deren mehrfache Verkettung. Selten noch war das Ganze dieser geradezu apokalyptischen Vorgänge so viel mehr als die Summe seiner katastrophalen Teile. Und kaum ein Staat, eine Wirtschaft oder ein Sozialsystem sind derart an den Grenzen ihres Wachstums und ihrer Möglichkeiten vorgeführt wie jene Japans. Der Inselstaat verbraucht Energie und Rohstoffe, ja, auch menschliche Ressourcen seiner Nachbarschaft in einem ungeheuren Ausmaß. Dafür wurden Limits aufgezeigt.

Technik- statt Glaubensfragen

Alleine, der Glaube an die Technik wird bleiben, trotz des Rückschlages auch und gerade in Japan, weil Leben ohne Technik nicht möglich ist. An diesem Punkt ist anzusetzen. Nicht nur in Japan.

Seit Jahr und Tag ziehen kluge und feinfühlige Menschen durch die Lande, zeigen Grenzen des Wachstums auf. Fachleute, auch Journalisten. Sie werden von der institutionalisierten Politik oft genug als säkulare Bußprediger der Neuzeit abgetan. Mit der Kraft der Macht, die laut Henry Kissinger jenen verbraucht, der sie nicht hat, werden sie arrogant aus fair gehandelten Schlapfen geohrfeigt. Das ist nicht billig, das ist nicht gerecht.

Das Menetekel in Japan zeigt: Technik möge nicht die von der Politik beschwichtigend verbreitete Sicherheit vorgaukeln, sondern erst recht der Kritik- und Korrekturfähigkeit jeglichen Systems dienen. In Offenheit und Transparenz, damit Wissen an die Stelle von Skepsis tritt. Das bleibt eine Erfolgsgeschichte, trotz historischer Rückschläge.

* claus.reitan@furche.at

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