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Das Mögliche und Erreichbare

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Von den acht Sonderschauen, die auf der diesjährigen Grazer Herbstmesse wie alljährlich eine große Anziehungskraft auf die Messebesucher des In- und Auslandes ausüben werden, werden drei von der Landwirtschaft beschickt.

Die große Rinderschau der beiden steirischen Fleckviehzuchtverbände, mit 100 ausgestellten Tieren, davon 20 Spitzenstieren und 80 Kühen und Kalbinnen, läßt eine sehr ernst zu nehmende Repräsentativschau erwarten.

Die Futtermittelsonderschau wird die Aufgabe zu erfüllen haben, den Landwirten die neuesten Erkenntnisse der Fütterungs- und Futtermitteltechnik vor Augen zu führen.

Schließlich wird die steirische Fischausstellung in 41 Aquarien und einem Bassin 28 Fischarten zeigen, die derzeit in steirischen Gewässern leben.

Unter diesen drei Sonderschauen wird zweifellos die große Rinderschau das meiste Interesse erwecken. Es ist daher angezeigt, einige Gesichtspunkte ins Auge zu fassen, die die Aussteller immer wieder bewegen, die nicht unerheblichen Kosten und das große Risiko in Kauf zu nehmen, die die Ausstellung einer so großen Zahl wertvollster Tiere erfordert.

Qualitäts- und Leistungssteigerungen auf dem Gebiet der Tierzucht können nur dann erzielt werden, wenn die erzeugten Zuchtprodukte periodischen Prüfungen unterzogen werden. Zu diesen Prüfungen, die in jeder organisierten Zucht durch exaktes Messen und Wägen erfolgen, gehören aber auch immer wiederkehrende Vergleichsmöglichkeiten durch Konkurrenzen auf sogenannten Zuchtschauen. Es hat sich daher seit Jahrzehnten eingebürgert, daß die verschiedenen steirischen Rinder- und Pferdezuchtverbände nach einem bestimmten festgelegten Turnus die alljährliche Grazer Herbstmesse dazu benutzen, ihre Eliteausstellungen abzuhalten. Hier haben vor allem die Züchter selbst Gelegenheit, die besten Tiere, die innerhalb der letzten fünf oder sechs Jahre im ganzen Lande erzeugt wurden, zu sehen, Vergleiche anzustellen, Blutlinien, die für die Verbesserung der eigenen Zucht von Nutzen sein können, kennenzulernen und vor allem Erfahrungen untereinander auszutauschen. Daß solche große Landesschauen stets mit Prämiierungen der besten Tiere verbunden sind, versteht sich von selbst. Es ist nicht die klingende Münze, die die Aussteller erstreben, sondern die Tatsache, daß solche Prämien in die Herdebücher und Abstammungstafeln des Zuchtverbandes eingetragen werden und damit die Abstammungspapiere der Nachzuchttiere in ihrem Wert erheblich erhöhen. Zusammenfassend darf gesagt werden, daß eine solche Rinderschau eine nicht zu unterschätzende Förderungsmaßnahme darstellt, die dazu angetan ist, weitere Fortschritte in der organisierten Herdebuchzucht selbst zu erzielen.

Ein zweiter Gesichtspunkt für die Abhaltung dieser Rinderschauen ist der, daß die große Masse derjenigen bäuerlichen Messebesucher, die in ihrem Stall noch nicht über jene Qualität an Tieren verfügen, wie dies auf der Ausstellung der Fall ist, angeeifert und geschult werden. Die meisten Menschen sind betriebsblind, das Auge gewöhnt sich an das Alltägliche. Auf solchen Ausstellungen soll der großen Masse der Besucher das Mögliche und Erreichbare gezeigt werden. Es ist in diesem Zusammenhänge nicht uninteressant, kurz die Probleme zu streifen, die die steirische Landwirtschaft auf dem Gebiete der Rinderproduktion in den letzten Jahren bewegen. Gerade die beiden südöstlichen Länder unseres Bundesstaates, Steiermark und Kärnten, waren seit mehr als einem Jahrhundert infolge ihrer rauhen, zum Teil trockenen Almen ein typisches Ochsenproduktionsgebiet. In Form einer gut eingespielten Arbeitsteilung zwischen Berg-, Mittel- und Flachlandgebiet hatte sich seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts eine gut funktionierende Form der Einstell-, Zug- und Mastochsenproduktion entwickelt, die allen drei Betriebsformen gerecht worden war. Die großen Wandlungen in der Technisierung einerseits und in der Geschmacksrichtung des Fleischkonsumenten anderseits haben diese Form der Ochsenproduktion nach dem zweiten Weltkrieg völlig unwirtschaftlich gemacht. Es sei in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, daß bei fast gleich gebliebenem Pferdebestand die Zahl der in Verwendung stehenden Traktoren in Oesterreich von rund 7000 im Jahre 1946 auf über 100.000 im Jahre 195 8 angestiegen ist. Die Landflucht und die Abneigung der jungen Generation, mit Tieren anstatt mit Motoren zu fahren, hat die Zugochsenproduktion völlig unwirtschaftlich gemacht. Hierzu kommt, daß der Konsument heute das Fleisch älterer Arbeitstiere, auch wenn diese einer anschließenden Fettmast unterzogen wurden, ablehnt. Er will rasch bratfähiges, saftiges, junges Rindfleisch von gemästeten Jungtieren oder mageres Schweineoder Kalbfleisch. Die Bauernschaft sieht sich daher heute genötigt, eine gewaltige Umstellung in ihrer Tierproduktion vorzunehmen. Es wird raschwüchsiges, hinsichtlich Milch- und Fleischproduktion hoch leistungsfähiges Vieh benötigt. Eine neue Arbeitsteilung beginnt sich anzubahnen, in der Form, daß der Berg- und Kleinbauer zum Produzenten guten Zuchtviehs wird. Die Nachfrage nach guten Kalbinnen von durchgezüchteten leistungsfähigen Rassen ist im In- und Ausland, Gott sei Dank, groß. Sie wird durch die in ganz Europa durchgeführte Bekämpfung der Tuberkulöse und des seuchen- haften Verwerfens noch sehr erhöht. Dieser großen Umstellungsaktion, die im ganzen Lande immer mehr und mehr um sich greift, dient die Ausstellung bester Zuchttiere unserer hinsichtlich Milch- und Fleischleistung kombinierten Rassen in ebenso hohem Maße.

Es würde dem Charakter einer Südostmesse jedoch widersprechen, hätte die Rinderschau nicht auch die Bedeutung als geöffnetes Fenster in das Ausland. Gerade die Fleckviehzüchter sind neben den Braunviehzüchtern, die im Herbst 1954 ihre große Herbstrinderschau auf der Grazer Messe veranstalteten, in der glücklichen Lage, Zuchtprodukte sowohl nach Italien als auch nach Jugoslawien zu exportieren. Die Anforderungen beider Nachbarländer, die diese hinsichtlich Qualität und Leistung der Exporttiere stellen, werden allerdings von Jahr zu Jahr größer, und es bedarf aller Anstrengungen der Züchter’, diese zu befriedigen. Es sei bei dieser Gelegenheit darauf hingewiesen, daß Steiermark im Jahre 1958 3289 Stück Zucht- und Nutzvieh nach Italien und 136 Stück Zuchtvieh nach Jugoslawien, aber erstmalig auch 608 Stück nach Westdeutschland exportieren konnte. Die Gesamtausfuhr einschließlich des Schlachtviehs betrug im Jahre 195 8 16.849 Stück mit einem Exportwert von 113,685.382 S. Im ersten Halbjahr 1959 betrug die Zahl für den Gesamtexport aus Steiermark 10.736 Stück.

Ein letzter Gesichtspunkt, der die Landeskammer für Land- und Forstwirtschaft Steiermark alljährlich veranlaßt, erhebliche Mittel für die Ausstellung von Zuchttieren auf der Grazer Messe bereitzustellen, ist der, daß diese Tierschauen einen nicht zu unterschätzenden Anziehungspunkt auch für die städtischen Menschen bilden. Sie sollen die in großem Maße vorhandene Liebe des Städters zum Tiere vertiefen, sie sollen ihm zeigen, welche Mühe sich die Bauern geben, um ihm seine Ernährung mit den wichtigsten Nahrungsgütern der Milch- und Fleischwirtschaft in bester Qualität zu sichern und seinen Wünschen nach dem alten kaufmännischen -Prinzip „Seine Majestät der Käufer befiehlt“ gerecht zu werden.

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