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„Die Burger wollen nicht kampfen...“

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Andreas Papandreou, Sohn des vor einiger Zeit verstorbenen Politikers und vor dem Putsch selbst zeitweise Regierungsmitglied, gilt heute als Führer und profiliertester Sprecher der griechischen Regimegegner. Was immer er gegen die in Griechenland herrschenden Obersten sagt, wird gleichzeitig zur Anklage gegen CIA und Pentagon, aber auch gegen die UdSSR. Papandreou ist zweifellos ein Mann der großen Geste, dem es sich beim Reden nicht nur zuzuhören, sondern auch zuzusehen lohnt und der es versteht, schnell und leise gesprochenen Passagen das große, dramatische Wort folgen zu lassen. Er wirkt überzeugend und realistisch, wo er die Lage analysiert, wie sie ist, und tragisch, wo ihm Denken zum Wunschdenken wird. Die vom Regime in letzter Zeit durchgeführten oder angekündigten Erleichterungen und Liberalisierungen könnten eine kritische Phase für den auf die Wiederherstellung voller Demokratie hinarbeitenden Widerstand einleiten. Größer als je seit dem Staatsstreich scheint heute die Gefahr, daß es den griechischen Diktatoren gelingt, eine „spanische“ Entwicklung in Gang zu bringen: So viel Liberalisierung und Gerechtigkeit, wie aus außenpolitischen Gründen unbedingt nötig, aber auch nicht mehr. Bessere Tarnung jener Maßnahmen, die dem internationalen Ruf nicht gut tun. Die Entwicklung in den USA deutet darauf hin, daß die Anforderungen an jenes Mindestmaß von Freiheit und Demokratie, das ein Land seiner Bevölkerung zugestehen muß, um international „gesellschaftsfähig“ zu sein, in den nächsten Jahren noch geringer werden.

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Andreas Papandreou, Sohn des vor einiger Zeit verstorbenen Politikers und vor dem Putsch selbst zeitweise Regierungsmitglied, gilt heute als Führer und profiliertester Sprecher der griechischen Regimegegner. Was immer er gegen die in Griechenland herrschenden Obersten sagt, wird gleichzeitig zur Anklage gegen CIA und Pentagon, aber auch gegen die UdSSR. Papandreou ist zweifellos ein Mann der großen Geste, dem es sich beim Reden nicht nur zuzuhören, sondern auch zuzusehen lohnt und der es versteht, schnell und leise gesprochenen Passagen das große, dramatische Wort folgen zu lassen. Er wirkt überzeugend und realistisch, wo er die Lage analysiert, wie sie ist, und tragisch, wo ihm Denken zum Wunschdenken wird. Die vom Regime in letzter Zeit durchgeführten oder angekündigten Erleichterungen und Liberalisierungen könnten eine kritische Phase für den auf die Wiederherstellung voller Demokratie hinarbeitenden Widerstand einleiten. Größer als je seit dem Staatsstreich scheint heute die Gefahr, daß es den griechischen Diktatoren gelingt, eine „spanische“ Entwicklung in Gang zu bringen: So viel Liberalisierung und Gerechtigkeit, wie aus außenpolitischen Gründen unbedingt nötig, aber auch nicht mehr. Bessere Tarnung jener Maßnahmen, die dem internationalen Ruf nicht gut tun. Die Entwicklung in den USA deutet darauf hin, daß die Anforderungen an jenes Mindestmaß von Freiheit und Demokratie, das ein Land seiner Bevölkerung zugestehen muß, um international „gesellschaftsfähig“ zu sein, in den nächsten Jahren noch geringer werden.

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FURCHE: Sie sprachen von Fortschritten im antiimperialistischen Kampf. Was veranlaßt Sie zu dieser Einschätzung? PAPANDREOU: Wenn ich vor zwei Jahren erklärt hätte, daß Pentagon und CIA nach der Herrschaft über Europa trachten, hätten mich selbst die Sozialdemokraten für einen hoffnungslosen Radikalen gehalten. Heute sind die Reaktionen auf solche Feststellungen anders. Selbst der dänische Ministerpräsident erklärte nach seinem Gespräch mit Nixon: 3s ist hoffnungslos!' Alle Appelle an die USA, die Junta in Griechenland nicht länger zu unterstützen, hätten keine Resultate gebracht, und was er sonst in Washington gesehen habe, habe ihn sehr bedrückt. Selbst Servan-Schreiber, der wahrlich kein Revolutionär ist, erklärte: .Die Junta ist unschuldig. Es ist die CIA, die die Macht ausübt.' Viele maßgebliche Leute in Europa sprechen nicht so deutlich, denken aber heute bereits ebenso. FURCHE: Sie bezeichnen den Widerstand gegen das Regime der Obristen immer wieder als einen antiimperialistischen, antikapitalistischen Kampf. Wie ist das zu verstehen?

PAPANDREOU: Wesen und Form des Imperialismus haben sich seit dem Kalten Krieg verändert. Unter Imperialismus verstehen wir heute die einvernehmliche Expansion der Supermächte, in denen zum Teil geheime Institutionen die Herrschaft ausüben. 32 US-Senatoren forderten die Einstellung der amerikanischen Unterstützung für die Junta. Sie sind nicht mehr in der Lage, selbst politische Entscheidungen zu fällen, Volksvertreter müssen sich mit Forderungen an das Pentagon wenden, das zu einer konstitutionellen Autorität geworden ist. In Europa beginnen politische Kräfte die Situation zu begreifen, ein Teil der Sozialdemokratie gehört dazu. Die Gefahr wird langsam erkannt, Europa wird antikapitalistisch.

FURCHE: Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang Ihr Verhältnis zu anderen Freiheitsbewegungen?

PAPANDREOU: Wir stehen am Beginn einer guten Zusammenarbeit mit allen anderen echten Freiheitsbewegungen der Welt, freilich ist jeder noch viel zu sehr mit seinen eigenen Problemen beschäftigt, um sich um die der anderen zu kümmern, wir müssen eine neue Strategie entwik-keln.

FURCHE: Wie unterscheiden Sie echte von anderen Freiheitsbewegungen?

PAPANDREOU: Freiheitsbewegungen tarnen sich manchmal als unabhängig, sind aber in Wirklichkeit nur Einsatzgruppen der Großmächte. Für mich persönlich sind echte Freiheitsbewegungen solche, die nicht von einer Supermacht kontrolliert werden. FURCHE: Wie stehen Sie zu El Fatah? . .

PAPANDREOU: Man muß die Frage stellen: Wie verantwortlich ist eine politische Führerschaft? Ich bin für harte Aktionen, aber Gegner eines blinden Terrorismus ohne Strategie und Gewissen. Im übrigen halte ich den israelisch-arabischen Konflikt für ein gewolltes Kind des Imperialismus, ein Erbe des Kolonialismus, ähnlich dem türkisch-griechischen Konflikt auf Zypern. Wie sich Juden und Araber vertragen haben, bevor die kolonialistischen und imperialistischen Mächte mit ihrer Spaltungspolitik eingesetzt haben, so gab es auch zwischen Türken und Griechen auf Zypern keinen Streit, bis England den türkisch-griechischen Konflikt auf dieser Insel als ein Element seiner Kolonialpolitik erfand. Viele sehen kein wirkliches Problem zwischen Israel und den Arabern. Für uns ist dieser Konflikt eine Katastrophe, denn das Pentagon bezieht aus dem Konflikt zwisehen Israel und Arabern so manche Rechtfertigung für andere Dinge, die es tut.

FURCHE: Sie sprechen vom Einverständnis der Supermächte. Im Israel-Konflikt droht doch eher eine Konfrontation? PAPANDREOU: Die beiden Supermächte sind Partner in einem „technoeratie game“, sie haben die Landkarten wieder auf den Tisch gelegt und sind zu einem Einverständnis gelangt, welche Zonen als solche der Partnerschaft und welche als solche des Konfliktes anzusehen sind. Seit Juli vergangenen Jahres zeichnet sich dieses neue Einverständnis ab. Wir, der Rest der Welt, sind die Narren. Griechenland ist definitiv amerikanisches Einflußge-biet, mit Einverständnis der Sowjetunion. Darüber hinaus wurde in den vergangenen Jahren eine Entwicklung in die Wege geleitet, die man als Anfangsstadium einer gemeinsamen Balkanpplitik erkennen kann. . Jugoslawien ist stärker betroffen als wir. Das Verhältnis zwischen Jugoslawien und Albanien ist heute besser als je zuvor, das ist die Antwort auf die russisch-amerikanische Balkanpolitik.

FURCHE: Der CIA wird massive Mitwirkung am Putsch der Obristen vorgeworfen, jedoch die anderen Difctaturrefirfme in Europa sitzen durchwegs seit der Vorkriegszeit im Sattel. Wieso greift die CIA nach der Herrschaft in Europa? PAPANDREOU: Der Putsch der Obristen war nicht als Einzelfall gedacht. Italien ist direkt in Gefahr. Die Atmosphäre, die die Militärs in Italien herstellen wollen, würde den demokratischen Prozeß als hoffnungslos erscheinen lassen. Zweifellos wollen bestimmte Militärs in Italien eine .griechische Situation' schaffen. Dabei ist sehr viel Geld der CIA im Spiel. Ich bin davon überzeugt, daß die Spaltung der sozialistischen Partei zum Teil ein Werk der CIA war und daß es sich bei den Bombenanschlägen in Mailand um ein Werk der extremen Rechten gehandelt hat. Die Zerstörung der demokratischen Einrichtungen ist Teil der Operation. CIA und die von ihr unterstützten Rechtsextremisten verfolgen offensichtlich den Plan, fortan jede demokratische Regierung in Italien zu kompromittieren, bis es soweit ist, daß der Staatsstreich dem Volk als Erlösung serviert werden kann.

FURCHE: Welche Rolle spielt dabei die kommunistische Partei? PAPANDREOU: Im Griechenland der siegreichen und im Italien der konspirierenden Obersten erweist sich die KP als Element des Widerstandes gegen die demokratischen Kräfte, gegen die antiautoritären Organisationen. In Italien sorgt die sowjetisch gelenkte Fraktion der KPI dafür, daß die gesamte KP durch ständige Fraktionskämpfe paralysiert ist und trotz ihrer Wahlerfolge und Stärke als Kraft gegen die Pläne der CIA und der Militärs ausscheidet. Das freilich ist nur Beurteilung von außen her, bestätigt allerdings durch die nichtsowjetisch geführten kommunistischen Kräfte.

FURCHE: Welche Rolle spielen die griechischen Kommunisten in der Widerstandsbewegung? PAPANDREOU: Sie sind aus der Resistance ausgeschieden, haben den Widerstand als kleinbürgerliche Sentimentalität verworfen, zeitweise haben sie, wenn es dem sowjetischen Interesse entsprach, halbherzig wieder etwas mitgearbeitet. Wir wissen, daß griechische Widerstandskämpfer fallweise von den Kommunisten der Junta angezeigt wurden. FURCHE: Man spricht so viel vom Widerstand — tmd man hört so wenig von tatsächlichen Aktionen.

PAPANDREOU: In den Prozessen wegen intellektuellen Widerstands, die kürzlich stattgefunden haben, ging es um Aktionen. Nicht sehr bedeutende vielleicht — aber der Widerstand wird zunehmen. Bisher waren die Widerstandskämpfer Amateure. Jetzt werden sie Professionals. Wir sind ein besetztes Land, aber wir hoffen, bald frei zu werden. FURCHE: Wie schätzen Sie die Chance der Obersten ein, ihr Regime zu konsolidieren, indem sie durch kleine Erleichterungen und Scheinliberalisierungen vor allem dem Mittelstand Vorwände verschaffen, sich mit der Diktatur zu arrangieren?

PAPANDREOU: Die Bürger wollen natürlich nicht kämpfen. Ihre Lebensbedingungen sind nicht allzusehr beeinträchtigt. Sie wollen sich generell arrangieren, aber das ist falsch, denn Griechenland hängt mehr und mehr von ausländischen Kapital ab und ist bereits zur Bananenrepublik geworden.

Mit Andreas Papandreou sprach Hellmut Butterweck.

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