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Gemeinsam den Stil verändern!

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diefurche: Sie haben vor zirka einem Jahr in einem Interview mit der Furche (Nummer. 2011995, Seite 1) Ihre Zielvorstellungen als Innenminister dargelegt Glauben Sie, daß Ihnen die Vzrtrauensbildung innerhalb Ihrer Behörde gelungen ist? Innenminister Caspar Einem: Ich denke, daß einiges gelungen ist - und daß es dabei vor allem eine Schwierigkeit gegeben hat: Ich bin offenbar ein bißchen anders, als solche Behörden Minister kennen, und das erfordert einen größeren Gewöhnungsaufwand. Andererseits sind wir an vielen Stellen zu einer Art und Qualität des Gespräches gekommen, die von allen Beteiligten durchaus geschätzt wird.

diefurche: Die Probleme sind aus Ihrer Sicht ausgeräumt? einem: Es gibt ein paar Gruppen, die das heute eindeutig anders sehen als vor einem Jahr. Wenn jemand Neuer kommt, sind doch zunächst immer alle besorgt. Bei mir war das noch dazu mit relativ großem Wirbel verbunden; wenn gegen einen neuen Minister solche Vorwürfe erhoben werden, weiß man ja nie genau, ob nicht irgendetwas davon stimmt. Denn schließlich meint man, es könne doch nicht jeder ohne weiteres etwas Unwahres behaupten. Deshalb hat die

Vertrauensbildung

einen längeren Proeß.jerfordert. Andererseits hab ich die Erfahrangemacht, daß dort, wo ich auf Menschen zugehe und mit ihnen ein Gespräch beginne -nicht nur hier in diesem Gebäude, sondern im gesamten Innenressort - sie im allgemeinen zu diesem Gespräch auch bereit sind und eher überrascht sind, daß ein Minister so etwas tut. Nur: Die Firma ist ziemlich groß.

diefurche: Sie wollten auchj0er Bevölkerung mehr Virtrauen zur Exekutive schaffen - ist dieses Vertrauen durch die diversen Virwürfe nicht eher erschüttert worden? einem: Ich habe den Eindruck, daß im großen und ganzen das Vertrauen der Bevölkerung nicht erschütterbar gewesen ist, auch nicht durch das angestrengte Bemühen der Opposition, namentlich der Freiheitlichen. Diese Art von sehr lauten und heftigen Angriffen werden offensichtlich als das genommen, was sie sind. Auch im Wahlkampf hat es ja Vorwürfe gegeben, sogar noch in den letzten drei Tagen vor der. Wahl. Die haben sich dann schon gar nicht mehr richtig niedergeschlagen. Ich glaube, daß das ein Zeichen für die Reife der Bevölkerung und der Medien ist.

diefurche: Bei der derzeitigen Diskussion um „Lauschangriff und Rasterfahndung" (siehe Furche 21/1996, Seite 2 und 3) wird immer wieder die Frage aufgeworfen, ob die Polizei überhaupt in der Lage ist, mit solchen Instrumenten verantwortungsvoll umzugehen Zeigt das nicht doch eine tiefe Skepsis gegenüber der Exekutive? einem: Gerade besser ausgebildete, kritische Leute stehen dem staatlichen Machtmonopol kritisch bis distanziert gegenüber. Sie haben ein Problem, sich mit der Polizei - die sie bezahlen, die sie deshalb haben, damit sie ein Ordnungsfaktor ist - zu identifizieren. Es gibt sehr viele, die zwar die Polizei ständig kritisieren, sich aber unter gar keinen Umständen vorstel-

len können, in ihr zu arbeiten. Ich hätte früher auch nicht daran gedacht, das gebe ich zu. Aber ich bin jetzt Innenminister und kann mich damit identifizieren, weil ich glaube, daß die Funktion, die sie erfüllt, unverzichtbar ist. Wenn uns diese Funktion so nicht gefällt, müssen wir gemeinsam mit denen, die

sie ausüben, und

mit den Bürgern, die sie in Anspruch nehmen, den Stil verändern.

diefurche: Das

fuhrt zu einer grundsätzlichen Frage: der Innenminister ist für jenen Bereich zuständig, in dem das „staatliche Machtmonopol" gegenüber dem Bürger unmittelbar in Erscheinung trat Läßt sich diese Funktion mit Ihrer politischen Ausrichtung, die auch innerhalb der SPO als „links"gut, vereinbaren? einem: Zum einen glaube ich, daß die Begriffe „links und rechts" nur eine begrenzte Tragweite haben. Nur ein Beispiel: Gegen das Integrationspaket

oder den Fremdenrechtsänderungs-gesetz-Entwurf gibt es Kritik von beiden Seiten (siehe Seite 3, Anm. d. Bed.). Die Forderangen nach einer offeneren Einwanderungspolitik kommen von der Bundeswirtschaftskammer, also gewissermaßen von rechts ... Allgemein würde man mir das eine als Position zuordnen und das andere als Verhalten. Auch das ist nicht ganz wahr. Tatsächlich habe ich die Neigung, Fragen nach der Art eines „zero based budgeting" zu behandeln. Nicht einfach die „übliche Antwort" zu nehmen, sondern zu sehen, ob man

diese Fragen von Grand auf lösen kann. Das macht manchen Angst, führt aber mitunter auch zu Antworten, die schon lange nicht mehr da waren - ohne daß sie deswegen ganz neu sein müssen.

diefurche: Gegen das „Integrationspaket " kommt die Kritik nicht nur von beiden Sehen, sondern auch mit konträrem Inhalt Den einen ist es zu restriktiv, den anderen zu liberal Halten Sie das Paket für ausgewogen3 Einem: Ich glaube, daß man das Paket, das wir vorgelegt haben, mit gutem Gewissen zeigen kann. Es bringt wesentliche Verbesserangen im weitgehend unumstrittenen Bereich des Aufenthalts- und Fremdenrechts. Aus Gesprächen mit den verschiedensten Menschen und Organisationen habe ich den Eindruck, daß anerkannt wird, daß wir etliehe der Hauptkritikpunkte ausgeräumt haben. Wir sind zu einer neuen Basis gekommen, die die Einwanderang restriktiver als bisher faßt im Interesse derer, die schon da sind. Denn diese Leute leben zum Teil unter Bedingungen, die wir verbessern müssen, damit daraus nicht sozialer Sprengstoff wird. Es ist falsch, jetzt Hilfsarbeiter aus dem Ausland zu holen, wenn wir wissen, daß es so viele Familienangehörige von legal im Inland lebenden Arbeitnehmern gibt, die gerne arbeiten möchten, aber nicht dürfen. Wir sollten zunächst einmal die Arbeitslosen beschäftigen, und wir sollten denen, die schon hier sind und arbeiten wollen, schrittweise eine Chance geben, bevor wir neue Leute ins Land holen. Insbesondere dann, wenn die Qualifikationsfrage nicht entscheidend ist.

diefurche: Die andere Seite des „Fremdenrechts" ist das Asylwesen Dabei geht es um Menschenrechte -kann und soll man hier restriktiver vorgehen3

einem: Auch was das Asylwesen betrifft, ist der Entwurf einigermaßen im Gleichgewicht. Die Diskussion ist aber wesentlich heftiger, weil es hier zum Teil wirklich um die Frage „Leben oder Tod" geht. Das erfordert eine besonders sensible Gesetzgebung und Vollziehungspraxis. In der derzeitigen Diskussion geht es hauptsächlich um Punkte, die sich in der Vollziehung als richtig oder falsch

erweisen: Etwa um die Frage, ob man Fälle einer aussichtslosen, weil mutwilligen Asylantragstellung in einem abgekürzten Verfahren abschließen und die betreffenden Personen wieder in das Land zurückschicken kann, wo sie herkommen, beziehungsweise in das Land, in dem sie unmittelbar zuvor waren. So etwas muß man entscheiden können; reden kann man über den Maßstab.

diefurche: Was wäre ein solcher Fall3 einem: Wenn beispielsweise eindeutig ist, daß für die konkrete Person in einem anderen Land, durch das sie gekommen ist, bereits ein faires Asylverfahren und Schutz vor Abschiebung gewährleistet war und daß sie noch dorthin zurückkehren kann, dann sind wir für diese Person hier nicht zuständig. Sie muß ihren Asylantrag im Drittland stellen. Es gibt natürlich engagierte Menschen, die von ihrem Herzen her niemanden wegschicken wollen, und die sagen. „Die Ungarn sind doch noch viel ärmer als wir, wieso schicken wir ihnen Asylwerber zurück?"... Nur: Unter dem Titel des Asylrechtes geht es nicht anders. Wenn wir uns zur Genfer Flüchtlingskonvention bekennen, dann sollten wir sie so einlösen, wie sie es vorsieht. Getrennt davon sollten wir über sozialpolitische, entwicklungspolitische oder wirtschaftspolitische Fragen reden, auch darüber, wie man den Nachbarländern und den Menschen dort Hoffnung geben kann. Aber wir sollten nicht versuchen, diese Fragen über die Asylschiene zu lösen.

diefurche: Ein Kritikpunkt in letzter Zeit war die Duldung der Aktivitäten der PKK durch die Exekutive. Hat es von Ihrer Seite eine W*isung gegeben? einem: Es hat für mich keine Notwendigkeit gegeben, eine Weisung zu erlassen. Der zuständige Beferent in der Staatspolizei vertrat die Meinung, daß das Urteil des Obersten Gerichtshofs eine Neubewertung der Position der Exekutive gegenüber kurdischen politischen Einrichtungen erforderlich macht. Sein Abteilungsleiter hat das unterschrieben, der vorgesetzte Gruppenleiter war nicht mehr derselben Ansicht, der Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit (Michael Sika, Anm. d. Bed.) ebenfalls nicht und ich auch nicht. Der Grappenlei-

ter, der Generaldirektor, mein damaliger Kabinettschef und ich haben uns dann darüber unterhalten, ob wir unsere Position ändern, und waren der übereinstimmenden Auffassung, wir ändern sie nicht. Das hat der Generaldirektor festgehalten. So war der formale Vorgang.

diefurche: Wie lautet diese Position3 einem: Die kurdischen politischen Aktivitäten zu beobachten und sie in-soweit zuzulassen, aber dort einzuschreiten, wo sie beginnen, gegen Gesetze zu verstoßen. Also ein normales

rechtsstaatliches Beaktionsmuster, von dem man auch nicht ohne sehr gute Gründe abweichen soll.

diefurche: Wird diese Auffassung on der Justiz geteilt3

einem: Wenn die Staatsanwaltschaft der Meinung wäre, daß ein strafbares Verhalten vorliege, könnte sie aus eigenem das Nötige veranlassen, auch ohne Anzeige eines Bürgers oder eines Polizisten. Sie und nicht die Polizei ist schließlich die Strafverfolgungs-behörde. Der Abgeordnete Kukacka stellte eine schriftliche Anfrage an den Justizminister, was die Justizbehörden seitdem Urteil des Obersten Gerichtshofs gegen die PKK oder ihr verwandte Einrichtungen unternommen hätten. Aus der Beantwortung geht hervor, daß die Justiz die Situation ganz genauso beurteilt und nichts veranlaßt hat. Sollten aber Straftäter etwa Gelder erpressen, um damit die PKK zu unterstützen, dann wäre das strafbar und würde entsprechende Konsequenzen haben.

Mit Innenminister

Caspar Einem sprach Christine Kary.

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