Opposition oder Regierung?

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Je mehr die FPÖ den Boden unter den Füßen verliert, umso mehr schlägt ihr Ex-Obmann um sich. Kanzler wird er damit nie.

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Je mehr die FPÖ den Boden unter den Füßen verliert, umso mehr schlägt ihr Ex-Obmann um sich. Kanzler wird er damit nie.

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Ausschließen kann man natürlich gar nichts. Aber damit jene Recht behalten, die immer noch davon faseln, Jörg Haider könnte Bundeskanzler der Republik Österreich werden, müsste schon eine geistige Verwirrung des Wahlvolkes ohnegleichen einsetzen, die unwahrscheinlicher ist als ein GAU im Atomkraftwerk Temelin. Dass manche Medien das Thema überhaupt noch zur Diskussion stellen, zeugt entweder von totalem Realitätsverlust oder trägt nur der kommerziellen Weisheit, dass sich neben Nackten und Skandalen eben politische "Krokodile" am Titelblatt am besten verkaufen, Rechnung.

Verkauft werden dabei auch die Leser - nämlich für dumm. Denn die Chancen des Kärntner Landeshauptmannes, erfolgreich in die Bundespolitik zurückzukehren, sinken mit jeder Rede von ihm, die an die Ohren der Bevölkerung dringt. Hier merkt einer, dass er den Boden unter den Füßen verliert, schlägt nur noch wild um sich, droht mit Neuwahlen und attackiert den Regierungspartner ÖVP. Die neue FPÖ-Chefin von seinen Gnaden, Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer, weiß nichts Besseres, als Haiders Tiraden eine mildere Note zu geben, räumt aber immerhin ein, die Partei müsse noch erwachsen werden.

Die kräftige FPÖ-Niederlage bei der steirischen Landtagswahl, das vorangegangene und folgende Personalgerangel um Theresia Zierler und Magda Jost-Bleckmann, die noch lange nicht ausgestandene Kleindienst-Affäre, die dauernde Kritik an Mitgliedern der FPÖ-Regierungsriege, insbesondere an den Ministern Elisabeth Sickl, Dieter Böhmdorfer und Michael Schmid, haben die Krise im blauen Lager offenbart. Dort liegen jetzt die Nerven blank, die Wahlen im Burgenland im Dezember und jene in Wien im kommenden Jahr dürften heftige Flügelkämpfe herbeiführen.

Für das Dilemma der FPÖ gibt es dabei keineswegs nur eine, sondern mehrere Ursachen.

Personalprobleme Erstens ist sie, da sie der ÖVP den Kanzler überlassen hat, nur Juniorpartner in der Koalition und damit mit allen Problemen konfrontiert, die seit 1986 auf die ÖVP hereinbrachen. Gute Regierungsarbeit stärkt die Kanzlerpartei, schlechte die Opposition.

Zweitens hat sie sich immer als Oppositionspartei, als Sammelbewegung der Unzufriedenen und Protestierer, profiliert. Das waren vielfach frustrierte ÖVP- und SPÖ-Wähler, die von ihrer Stammpartei vergebens eine deutlichere Politik für das bürgerliche Lager beziehungsweise die Arbeitnehmer erwarteten. Dieses Protestpotential kann eine mitregierende FPÖ nicht halten, es kehrt naturgemäß zu einem großen Teil zu den Stammparteien zurück.

Drittens hat die FPÖ große personelle Schwächen, vor allem in den Ländern, aber auch auf Bundesebene. Musste schon nach wenigen Wochen der damalige Justizminister Michael Krüger gehen, so ereilte nun die allgemein seit Monaten als überfordert eingestufte Sozialministerin das gleiche Schicksal. Während Sickl abtritt, sacklt der FPÖ-Finanzminister mit Sparbudgets die Bevölkerung aus. Der vielzitierte "kleine Mann", für den die FPÖ angetreten ist, wird sehr genau schauen, ob der neue Minister Herbert Haupt mehr für ihn durchsetzt. Gegenüber dem professionellen Auftreten der ÖVP-Minister fallen die Leistungen der FPÖ-Riege, jedenfalls im Durchschnitt, deutlich ab. Das Talent des neuen FPÖ-Generalsekretärs Gerhard Fallent liegt noch im Verborgenen.

Und viertens hat die FPÖ nach wie vor Jörg Haider, der offenbar eine aus Regierungsarbeit und Opposition kombinierte Politik empfiehlt: Was die FPÖ leistet, ist hochzuloben, was die ÖVP tut, ist zu kritisieren. Wenn die FPÖ auf diesen Kurs einsteigt, wird die Koalition eines nicht allzu fernen Tages platzen müssen, doch gerade den Freiheitlichen dürften die Folgen dieses Tages nicht gut tun.

"Beseitigung"?

Die Österreicher sind zwar allergisch auf solche ausländische Einmischungen wie die Androhung und Verhängung der EU-Sanktionen, aber sie sind nicht dumm und haben mehrheitlich sicher begriffen, dass eine führende Rolle von Haider auf Bundesebene das Land tatsächlich in die Isolation befördern würde. Der Ton, den Haider jüngst in der Wiener Stadthalle anschlug, kennzeichnet allenfalls einen Provinzpolitiker, nie und nimmer einen Staatsmann: "Es kann nicht nur einen Einwanderungsstopp geben, sondern auch eine klare Sichtung jener, die hier anwesend sind. Viel zu viele Illegale, Straftaten, Drogenhändler - alle haben hier in Österreich nichts verloren. Das muss unser Interesse sein, hier eine konsequente Beseitigung herbeizuführen."

Einen besonderen Untergriff leistete sich Haider gegenüber der Caritas und Innenminister Ernst Strasser: "Ein Innenminister, der offenbar seine Lehre bei der Caritas gemacht hat, und nicht weiß, dass es keine linke Politik mehr gibt. Ein linker Schwarzer ist oft weniger verträglich als ein rechter Roter." Ferner witterte Haider eine "schrankenlose Einwanderungspolitik", und die berge "die Gefahr, dass Restösterreich auf die Donauinsel verbannt wird".

ÖVP-Streichelkurs Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, dem Haider vorgeworfen hat, seine Partei "nicht im Griff" zu haben, weil dieser die ÖVP eben nicht wie eine autoritäre Führerpartei führt, sondern selbstverständlich den führenden Funktionären ihre Meinung zugesteht, hat sich, wie die meisten in seiner Partei, bisher in vornehmer Zurückhaltung geübt und etliche FPÖ-Entgleisungen nicht kommentiert. Vielleicht ist das, wie manche meinen, tatsächlich das Rezept, um die FPÖ sanft zu Tode zu streicheln. Schüssel hat sogar gegen die Wünsche der Wirtschaft und des Innenministers Ausnahmen bei der Zuwanderungsquote für Computer-Spezialisten abgelehnt. Sein Kurs, jedem Konflikt mit dem Regierungspartner möglichst auszuweichen, während dort ständig einige zündeln wollen (man erinnere sich nur an die Diskussion über den Regierungsbeauftragten Erhard Busek), mag manche befremden, gräbt aber letztlich der FPÖ das Wasser ab und lässt Jörg Haider immer mehr ausrasten.

Wenn Susanne Riess-Passer ihre Partei "im Griff" hätte, müsste sie jetzt ihren Vorgänger zur Ordnung rufen, was niemand von ihr erwartet oder ihr zutraut. Zumindest aber sollte sie klarstellen, dass sich die FPÖ für die Rolle einer Regierungspartei und nicht der Opposition entschieden hat. Dass das ÖVP-FPÖ-Bündnis durch die nächsten Landtagswahlergebnisse weitere Sprünge bekommen wird und die FPÖ dadurch einer Zerreißprobe ausgesetzt sein wird, ist sehr wahrscheinlich. Dass man dann wieder nach Jörg Haider als Retter der Partei ruft, ist nicht auszuschließen, aber zu mehr als einem wortgewaltigen Oppositionsführer wird es der Bärentaler auf Bundesebene nie bringen.

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