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Rangordnung Nummer eins

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In der Rangordnung der Aufgaben der neuadaptierten Regierung Klaus steht das Budget für 1969 an erster Stelle. Mit ihrer wirklichen Bewältigung ist das Schicksal der Regierungspartei auf Jahre hinaus verbunden. Kaum je zuvor hat die Lösung eines Problems eine so weit- tragende Bedeutung gehabt. Alle anderen Fragen — so wichtig sie immer sein mögen — müssen in diesen Wochen im Weichen dieses absoluten Vorranges gesehen werden.

Die Opposition mag kurzsichtig genug sein, keinerlei Interesse an der für Jahre hinaus entscheidenden Lösung des Budgets 1969 zu zeigen, keine Gruppe innerhalb der Volkspartei kann heute mehr übersehen, daß auch ihre Zukunft besiegelt wäre, wenn es nicht gelänge, die Schwierigkeiten des nächsten Budgets wirklich und gründlich zu lösen.

Die Dimension ist klar abgesteckt. Auf Grund der neuen Fakten, die sich seit der im Frühjahr 1967 erstellten Budgetvorschau für die Jahre 1967 bis 1970 einschließlich des radikalen Rückgangs der Wachstumsrate der österreichischen Volkswirtschaft und des vorläufigen Gebarungserfolges 1967 ergeben haben, wurde die Budgetvorschau des Bundesministeriums für Finanzen für die Jahre 1969 und 1970 revidiert. Das Fazit: auf Grund der jetzigen Rechtslage punkto Ausgaben und Einnahmen und bei Beibehaltung der in ihrer Höhe nicht gesetzlich bestimmten Ausgaben in der Höhe des Budgets 1968 (ohne Eventualbudget!) würden die Ausgaben die erwarteten Einnahmen um 15 bis 16 Milliarden übersteigen. Dieser Ausgabenüberhang ist eine rechnerische Größe, die erst dann zum Defizit würde, wenn nichts geschieht. Ein Paukenschlag für alle, denen das Budget 1968 die Augen noch nicht geöffnet hatte!

Was muß geschehen? Auf der einen Seite nichts, auf der anderen sehr viel. Vor allem dürfen keine neuen Ausgaben zu den derzeitigen hinzukommen, „wenn sie auch mit noch so viel Nachdruck vorgebracht werden”, wie der Vizekanzler klar aussprach. Es gibt dagegen kein Argument. Eine neue Agrarmarktordnung etwa, die noch mehr Geld kostet, würde das nicht halten, was auch von landwirtschaftlicher Seite angekündigt wurde: bessere Anpassung der Produktion an die Nachfrage und Entlastung des Steuerzahlers. Das Problem ist nicht leicht. Es aber nicht lösen, hieße das Budgetproblem bis zur Unlösbarkeit erschweren.

Auch jeder Bund, der mehr oder weniger offen erklärt, in „seinem” Bereich könnte auf keine derzeitige Ausgabe verzichtet werden, setzt damit die notwendige Solidarität der gesamten Regierungspartei aufs Spiel. Ohne massive Verzichte aller wird es kein vertretbares Budget 1969 und kein für die Regierungspartei erfolgreiches Wahljahr 1970 geben.

Von dem errechneten Ausgabenüberhang muß mindestens die Hälfte verschwinden. Angesicht der bereits überaus hohen Besteuerung in Österreich liegt die überwiegende Hauptlast bei den Einsparungen. Die neuen Aufgaben wie die Förderung der immer kostspieligeren Forschung, Unterricht und Bildung für immer bildungsbestrebtere wachsende Jahrgänge, Schutz Wasserbauten, Gewäsiserreinigung, Auitobaihn- bau, können nicht gleichzeitig mit langeingeführten, aber im Lichte einer zeitnahen Rangordnung minder wichtigen Ausgaben finanziert werden. Viel reichere Staaten als Österreich können sich das nicht leisten und ziehen daraus die Konsequenzen.

Es fehlt nicht an Beweisen, daß äie Regierungspartei zu entschlosse nen Schritten fähig ist: Mit dem Abbau der Preisstützungen beispielsweise ist im Jahre 1966 ein erster Einbruch in ein überholtes Subventionsunwesen gelungen. Mit dem Budget 1968 ist einigen Tabus energisch zu Leibe gerückt worden. Die Wellen selbst innerhalb der Regierungspartei sind denn auch beträchtlich hoch gegangen. Das Budget 1969 ist zu machen, wenn der Durchbruch, der mit dem Budget 1968 erzielt wurde, in einer rigorosen Handhabung des Streichungsstiftes seine konsequente Fortsetzung findet. Vieles spricht dafür, daß die Realitäten des Budgets 1968, des sen Darlegung zunächst nicht ungern als taktische Dramatisierung des damaligen Finanzministers mißverstanden wurde, doch innerhalb der Regierungspartei mit manchen Illusionen aufgeräumt hat. Die Lage war und ist dramatisch genug, um sich über das, was auf dem Spiele steht, keinerlei Täuschungen hingeben zu können.

Die größte Gefahr für das Budget 1969 und für die Regierungspartei ist derzeit die Meinung, daß noch im Jahre 1969 mit einem Konjunkturtief zu rechnen sein wird, so daß auch für 1969 ein kräftiges Defizit nicht nur vertretbar, sondern sogar notwendig ist. Nach allgemeinen, realistischen Erwartungen wird das Jahr 1969 bereits wieder im Zeichen einer spürbaren Belebung der Konjunktur stehen. Und selbst die pessimistische Erwartung, auch für das nächste Jahr antizyklisch defizitär budgetieren zu müssen, bietet keinen bequemen Ausweg: die dann zu erwartenden geringeren Steuereinnahmen und die dann notwendige Forcierung konjunkturbelebender und strukturverbessernder Investitionen entheben die Regierung keiner einzigen unbequemen Streichung.

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