Sonnenblume im Ausverkauf - © Fotomontage: Rainer Messerklinger (unter Verwending eines Bildes von iStock/Alexandrum79

Ukraine: „Ausverkauf“- Stimmung bei Investoren

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Die weltweit mächtigsten privaten Kapitalfonds strecken ihre Fühler in die Ukraine aus. Wer künftig die Wirtschaft des Landes prägen wird.

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Die weltweit mächtigsten privaten Kapitalfonds strecken ihre Fühler in die Ukraine aus. Wer künftig die Wirtschaft des Landes prägen wird.

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Mitte Mai wurde der Vorsitzende Richter des Höchsten Gerichts der Ukraine, Wsewolod Knjasjew, der Korruption überführt. Beamte des Nationalen Anti-Korruptions-Büros (NABU) ertappten Knjasjew bei der Übergabe von Bestechungsgeld an ihn in der Höhe von 2,7 Millionen US-Dollar. Gegen weitere Richter laufen Razzien. Der 43-jährige Knjasjew, seit 2021 Vorsitzender des Höchsten Gerichts, hatte noch im März dieses Jahres in einem Interview mit der polnischen Tageszeitung Rzeczpospolita Folgendes gesagt: „Wir werden konsequent unser Justizwesen reformieren, um Korruption zu bekämpfen.“ Der ukrainische Staat habe die „russischen Unternehmen bereits praktisch aus unserer Wirtschaft verbannt. Diese Nische kann von ausländischen Investoren besetzt werden. Natürlich muss sichergestellt werden, dass diese Investitionen geschützt werden, und das ist eine Aufgabe für reformierte Gerichte“.

Selenskyj lässt sich Auflagen diktieren

Der Fall Knjasjews demontiert nicht nur den Richter als Person, sondern verweist auch darauf, auf welchen zweifelhaften neuen Fundamenten in Zukunft die ukrainische Wirtschaft basieren könnte. Denn im gleichen Interview sagte Knjasjew auch, dass ausländische Investoren „systemische Veränderungen“ in der Ukraine erwarteten, die man auch erfüllen wolle. Bereits jetzt, mitten im Krieg, zeichnet sich ab: Diese „systemischen Veränderungen“ und der geplante Wiederaufbau der Ukraine dürften, jenseits möglicher Korruption, in einer maximal neoliberalen Variante vonstatten gehen. So unterzeichnete Präsident Wolodymyr Selenskyj Ende Dezember 2022 ein „Memorandum of Understanding (MoU)“ mit Larry Fink, dem Chef des größten privaten Kapitalfonds der Welt, der US-Gesellschaft Blackrock, zwecks Abstimmung künftiger Investitionen. Die Vereinbarung, so Blackrock, habe „das Ziel, Möglichkeiten für öffentliche und private Investoren zu schaffen, sich am zukünftigen Wiederaufbau und der Erholung der ukrainischen Wirtschaft zu beteiligen“.

Was auf den ersten Blick wie eine potenzielle Win-win-Situation aussieht, dürfte aus der Perspektive vieler Menschen im Land keine gute Nachricht sein. Blackrock, also „schwarzer Felsen“, ist der größte und mächtigste Vermögensverwalter der Welt. Es investiert Vermögen von Staatsfonds, Versicherern, Stiftungen, Pensionskassen, Banken und reichen Privatkunden in Höhe von acht bis zehn Billionen US-Dollar. Das ist rund die Hälfte des BIP aller EU-Staaten oder auch gut zehn Prozent des weltweiten BIP. In Deutschland etwa hält Blackrock Anteile an allen 40 Dax-Unternehmen, weltweit an etwa 18.000 Unternehmen, in den USA auch an den größten US-Rüstungskonzernen wie Lockheed Martin, Raytheon und General Dynamics. Blackrock bedient vor allem die Interessen der Geldgeber, die ihr Kapital vermehrt sehen möchten.

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