Nigeria

Wahl in Nigeria: Peter Obi als Hoffnungsträger der jungen Bevölkerung

19451960198020002020

Ende Februar sind fast hundert Millionen Nigerianer(innen) aufgerufen, einen neuen Präsidenten zu wählen. Die junge Bevölkerung setzt auf Newcomer Peter Obi. Ein Lagebericht aus Westafrika.

19451960198020002020

Ende Februar sind fast hundert Millionen Nigerianer(innen) aufgerufen, einen neuen Präsidenten zu wählen. Die junge Bevölkerung setzt auf Newcomer Peter Obi. Ein Lagebericht aus Westafrika.

Werbung
Werbung
Werbung

Erstmals seit 1914, dem Jahr der britisch-kolonialen Fusion jener Einheiten, die heute Nigeria bilden, und 63 Jahre nach der politischen Unabhängigkeit (anno 1960) wäre die Zeit reif für Stabilität. Auch um ein gewisses Maß an Zusammenhalt innerhalb der nigerianischen Bevölkerung zu erreichen, sowohl für ein friedliches Zusammenleben als auch eine zivilisierte Wahl der politischen Verantwortungsträger.

Allerdings ist die Konsensfindung in dem mit Abstand bevölkerungsreichsten Land Afrikas die Herausforderung schlechthin, zumal sich die 220 Millionen Einwohner auf rund 400 Sprachen und ethnische Gemeinschaften verteilen, von denen jede ihre eigenen Regeln für Regierungsführung bzw. Wahlen besitzt.

Einflüsse von außen

Großbritanniens anhaltendendes Interesse daran, wer Nigeria regieren soll sowie die Ansprüche der USA an den Erdölvorkommen im Süden des Landes erschweren die Bedingungen zusätzlich. Noch bedeutender ist jedoch, dass die Bevölkerung selbst nicht genug getan hat, um sich zu helfen.

Diese Unzulänglichkeit wird in dem kürzlich von der Katholischen Bischofskonferenz von Nigeria (CBNC) verfassten „Gebet für freie, faire und friedliche Wahlen in Nigeria“ benannt – mit dem Eingeständnis, dass „wir alle, Führer und Anhänger, [...] Korruption, Straflosigkeit und Gewalt begünstigt haben. Wir geben zu, dass wir zugelassen haben, dass Habgier, Hass und Betrug unsere Wahlen bis heute durchdringen und beeinträchtigen“. Eine Umwandlung „unserer Wahlbeamten in unparteiische und nicht korrumpierbare Schiedsrichter“ sei erforderlich.

Wille zum Wandel

Dennoch liegt bei der bevorstehenden Präsidentschaftswahl der Wille zum Wandel in der Luft. Das Bewusstsein der Menschen, dass sie selbst in der Pflicht stehen, um diesen herbeizuführen, scheint gestiegen zu sein. Man könnte es auch als die Einsicht bezeichnen, dass die aktuelle Art des Regierens einem völlig neuen Ansatz weichen muss. Und um das zu erreichen, müssen eben die alten Politiker einer neuen Generation mit einer anderen Perspektive Platz machen – so das gängige Narrativ.

Auch ist davon die Rede, dass die ethnische Zugehörigkeit und das Religionsbekenntnis bei der Entscheidung für oder gegen ein Staatsoberhaupt an Relevanz verlieren müsse. All das dürfte die Wahl vom 25. Februar auf unterschiedliche Weise beeinflussen.

Seit der Rückkehr zur Demokratie im Jahr 1999 wurden die Wahlen in Nigeria von zwei großen politischen Parteien dominiert: der aktuellen Regierungspartei „All Progressive Congress“ (APC) sowie der Oppositionspartei „Peoples‘ Democratic Party“ (PDP). Gleich zu Beginn der Vorwahlen zur Auswahl der Spitzenkandidaten gerieten APC wie PDP ins Kreuzfeuer der Kritik. So gab die Regierungspartei ihre Formulare für potenzielle Wahlbewerber für jeweils 100 Millionen Naira (rund 200 000 Euro) aus – was viele Nigerianer (Jahresdurchschnittseinkommen: umgerechnet 1760 Euro) als ungeheuerlich empfanden. Die PDP verlangte 40 Millionen, zwar weniger, aber immer noch vollkommen überzogen.

Noch empörender war, dass viele Menschen, darunter auch einige, die in Regierungsämtern saßen, diese Formulare tatsächlich kauften. Man begann sich zu fragen: Woher hatten diese Leute das Geld? Warum wollen sie sich um die Präsidentschaft bewerben? Wollen sie wirklich dienen oder das Land ausplündern? Die Regierungspartei APC schickte schließlich Bola Ahmed Tinubu, einen Muslim aus dem Süden und Angehöriger der Ethnie Yoruba (dessen ranghöchster König in der heiligen Stadt Ile-Ife seinen Sitz hat), ins Rennen. Die Oppositionspartei PDP stellte schließlich Atiku Abubakar, Angehöriger der Hausa/Fulani aus dem Norden, auf.

Der Blitzschlag aus dem Süden

Dann erregte plötzlich und unerwartet das Auftreten von Peter Obi, eines Igbo aus dem Süden, der ursprünglich Mitglied der PDP gewesen war, die Aufmerksamkeit der jungen Generation. Offenbar konnte er die Politik und die Aktivitäten der beiden großen Parteien nicht mehr mittragen. Er beschloss, auszutreten und sich einer der 16 anderen, in der Öffentlichkeit weniger bekannten, Parteien anzuschließen - der Labour Party (LP). Die LP empfing ihn mit offenen Armen und machte ihn zu ihrem Spitzenkandidaten.

Sein Auftreten war wie ein Blitzschlag und veränderte die gesamte politische Arena. Seine Anhängerschaft wuchs und wuchs, vor allem viele junge Nigerianerinnen und Nigerianer setzten auf ihn. Anfangs wurde Obi von Mitgliedern der großen Parteien belächelt. Sie waren der Ansicht, dass seine neue Partei, die LP, nicht professionell genug agiere, strukturelle Mängel aufweise. In der Tat hat die LP von den insgesamt 1496 gewählten politischen Positionen im Land nur drei Sitze inne (die APC 892; die PDP 507).

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung