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Eine Lanze für die Medienforschung

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Beinahe in aller Stille und, abseits des sonst hektischen Getriebes unserer Zeit hat sich im letzten Jahrzehnt an den Universitäten und Hochschulen in aller Welt eine neue wissenschaftliche Disziplin herauskristallisiert, die zwar — vor allem in Europa — noch immer um ihre Anerkennung und Gleichberechtigung mit den alteinpesessenen Fakultäten tung sein wird: Die exakte für die geistige und bildungsmäßige Entwicklung der Menschheit von entscheidender Bedeutung sein wird: Die exakte wissenschaftliche Durchleuchtung und Einordnung der Massenmedien, ti>obei im speziellen Fall an die Bildmedien „Film“ und „Fernsehen' gedacht ist Es erscheint uns daher auch durchaus angebracht, daß wir uns in dieser der kritischen Würdigung der Bildschirmprodukte vorbehaltenen Spalte aus gegebenem Anlaß einmal mit den Tendenzen und bisher überschaubaren Ereignissen dieser für die Wechselwirkung im Verhältnis zwischen Zuschauer und Mediengestalter wichtigen und aufschlußreichen Forschung beschäftigen.

Denn auf der kürzlich beendeten VIII. Internationalen Filmwissenschaftlichen Woche in Wien waren die sonst sehr auf Abgrenzungen bedachten Gelehrten und Fachleute ehrlich um einen geistigen und organisatorischen Brückenschlag zwischen den Medien „Fernsehen“ und „Film“ bemüht. Wenden sich doch beide an eine ziemlich amorphe Masse, deren bildungsmäßige Graduierung nur schwer festzustellen ist. Sie jedoch wissenschaftlich exakt unter den verschiedensten Aspekten — Altersgliederung, soziologisch, Bildungsniveau mit daraus resultierenden Wünschen und massiven Ablehnungen — zu analysieren, ist für die schöpferischen und planenden Kräfte in beiden Medien von eminenter Bedeutung.

Darüber hinaus aber greifen Entwicklungen und Erscheinungsformen beider Medien so eng ineinander, daß sie gleichsam als eine nicht zu trennende Einheit betrachtet werden müssen. In sehr vielen Vorträgen und Referaten, die von bedeutenden Soziologen, Historikern und Päd-agogen während dieser Veranstaltung gehalten wurden, wurde immer wieder die Forderung nach einer stärkeren Koordinierung und einem intensiveren Erfahrungsaustausch zwischen den einzelnen Wissenschaftlern laut. Recht klar formulierte Doktor Alexander Giese, der Leiter der Abteilung Kultur und Volksbildung in ORF, die hier entstandene Problematik im Zusammenhang mit Erziehungsfragen. Das Schwergewicht liegt dabei nicht so sehr auf dem Thema „Erziehung zum Bildschirm“ als vielmehr auf der Frage nach der „Erziehung durch den Bildschirm“.

Eine Weichenstellung für die Bildungsprogramme, deren Blicke ja schon auf das immer näherrückende XXI. Jahrhundert, auf eine von Atomenergien und Elektronik beherrschte Welt gerichtet sind, ist aber nur möglich, wenn man sich bei der Erstellung dieser und anderer Programme auf wohlfundierte Unterlagen stützen kann. Meinungs- und Umweltforschung muß daran ebenso ihren Anteil haben, wie Psychologie, Soziologie und das breite Band wissenschaftlicher Untersuchungen, zu denen sich schließlich noch die weitgespannte Skala künstlerisch-technischer Erwägungen gesellen muß. Man forderte eine didaktische Dramaturgie, die zum Beispiel auf dem Erziehungssektor alle Erkenntnisse der modernen Lehr-und Lerntheorien anwendet und zugleich — in engster Zusammenarbeit mit den Film- und Fernsehgestaltern — einen interessanten, spannenden und ansehbaren Film garantiert. Wissenschaft mit solchem Ziel und einer klaren Ausrichtung auf die Praxis sollte eigentlich jeder bejahen, auch wenn die Methodik nicht in den Annalen althergebrachter Fakultäten aufgezeichnet ist.

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