6597443-1953_15_07.jpg
Digital In Arbeit

Der Nibelunge Not

Werbung
Werbung
Werbung

Max Mells dramatisches Gedicht von der Nibelunge Not liegt durchaus im Gesamtplan des Mellschen Schaffens. Seit dem ersten Weltkrieg ist die Dichtung Mells auf die Pole Tod und Gnade gestellt. Ueberblickt man die dramatische Reihe „Das Wiener Kripperl von 1919“, „Schutzengelspiel“ (1923), „Nachfplge-Christi-Spiel“ (1927), „Sieben gegen Theben“ (1932), dann ist das verbindende Grundthema dieser Spiele die Liebe und Gnade, die die Rache löscht, besiegt und überwindet. Das lag im Zuge der O-Mensch-Dichtung der Nachkriegszeit, der bei Meli aber nicht im Gewand psychologisierender oder metaphysizierender Modernität Gestalt gewinnt, sondern vielmehr volkstümlichen alpcn-ländisch-bayrischen' Spielformen nachspürt. Daß aber auch eine latente Antikität zu den Wurzelkräften Mellschen Dichtens gehört, haben nicht nur die „Lateinischen Erzählungen“, sondern auch die „Sieben gegen Theben“ erhärtet. Nun läßt Mells letzte dramatische Schöpfung von den Nibelungen diese für den Dichter bestimmenden Mächte in einem Werk zusammengefaßt beobachten. Denn daß dieses Spiel nicht nur auf dem antiken Schicksalsgefühl aufbaut, sondern auch das Antigonewort „Nicht mitzuhassen, mitzulieben bin ich da“ an dem Königssippenzwist der Burgunden dartut, ist unschwer zu erkennen. Hier „Rache“ (Schluß und Gipfel des ersten Teiles), hier kontrastierend das Wort von der „Ordnung“, mit dem Dietrich von Bern den zweiten Teil beschließt. Daß eine bewußt antiquierende Stellen aufweisende Sprache, die den vorgegebenen Stoff weder psychor logisiert noch aktualisiert, ihre eigenen Probleme aufwirft, ist natürlich. Gunther zitiert Heraklit („Keiner schwimmt zweimal durch denselben Strom“, S. 132), Kriemhild das Nibelungenlied („Lieb' lohnt mit Leide“, S. 124), germanischer Rätselstil der Edda klingt auf, Dietrich von Bern hat Augustins Buch von der Ordnung gelesen. Das sind poetische Lizenzen, über deren Zulässig-keit für den modernen Dichter eines alten Stoffes nicht leicht zu entscheiden ist. Die Form des dramatischen Gedichtes ist nicht dazu mißbraucht, das dem Theater unentbehrliche Element straffer Fügung lyrisch aufzuweichen. Die Diktion ist baliadesk gerafft und zu großen dramatischen Ballungen emporgeführt. Antik oder heroischmythisch ist der durchgehaltene Grundton des tiefen Leides der Hauptheldin. Der Vergleich, ob Wagners, Hebbels, Paul Emsts oder Reinhold Schneiders Fassung des Stoffes vorzuziehen sei, ist hier nicht am Platze, festzustellen ist vielmehr, daß Mells Nibelungen-Dichtung die offenbaren Schwierigkeiten einer Dramatisierung des im Grunde doch epischen Vorwurfes gut überwunden hat und in der Bezwingung der für einen kleineren Künstler tödlichen artistischen Klippen Zeugnis eines ganz besonderen künstlerischen Taktes abgelegt hat.

Gloria Dei. Sonderheft Film. Heft 1/VIII. 64 Seiten. Styria-Verlag.

Die geachtete Zeitschrift für Theologie und Geistesleben, die im Untertitel die Bezeichnung „Christliche Zeitenwende“ führt, hat mit ihrem neuen Sonderheft „Film“ eine schwierige, aber lohnende und höchst notwendige Aufgabe gelöst. Es ist eine filmische und christliche heimische Pioniertat, denn wir haben in Oesterreich ganze rwei Vereinigungen, die planmäßig künstlerische, wissenschaftliche oder weltanschauliche Filmerziehung pflegen (Filmwissenschaftliche Gesellschaft und Gesellschaft für Filmfreunde), eine einzige ernst zu nehmende Zeitschrift („Filmkunst“, die soeben ein Sonderheft „Kulturfilm“ herausbringt) und ein, allerdings sehr ambitioniert operierendes katholisches Forum: die „Katholische Filmkommission für Oesterreich“ mit ihrem

Wochenorgan „Filmschau“. Das ist bei der weit über dem europäischen Durchschnitt liegenden Filmtheaterdichte und dem großen Publikumsinteresse in Oesterreich wenig und läßt die unteren und mittleren Schichten des Publikums wähl- und kritiklos das zwiehältige Narkotikum schlucken. Hier kann die wahrhaft fundamentale Zusammenschau der „Gloria Dei“ nachhaltig wirken. Die theologische und existentielle Position des Films umreißen klar Leopold Soukup „Der Mensch und der Film“ — (ein besonders gehaltvoller Beitrag), Georg Strangfeld („Sieben Thesen zum religiösen Film“), Andre Ruszowski („Was erwarten wir vom Film?“) und Alfred Focke („Der Auftrag zum Film“). Teilgebiete behandeln erschöpfend Karl Rudolf (Katholische Filmarbeit) Ludwig Gesek (Sozialstatistik), Richard Emele (Kritik) und Elisabeth Wurth (Kinder- und Jugendpsychologie). Nicht ganz befreunden werden sich manche mit den eigenwilligen Analysen und Folgerungen Willy Schreckenbergs („Film als menschliche Aussage“) können. Als Lücke der gewichtigen Publikation wäre etwa das Fehlen eines grundsätzlich kritischen, ja skeptischen Beitrages anzusehen, der das soziale und ästhetische Jahrhundertphänomen des Films an sich einmal untersuchen und in Frage zu stellen gehabt hätte. Eine solche Stellungnahme, die hervorragende Köpfe unserer Zeit teilen (und gerade solche, die sich jahrzehntelang mit dem Film befassen), hätte trotz des Risikos, daß „wir“ wieder einmal als weit- und zeitfremd verbellt werden, gewagt werden müssen und die so anregende Diskussion um eine fruchtbare Spannung bereichert.

Dr. Roman Herle

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung