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Europabild und Europagedanke

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Beiträge rat deutschen Geistesgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts. Von Heinz Gollwitzer. C. B. Beck Verlag, München, 1951.

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Beiträge rat deutschen Geistesgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts. Von Heinz Gollwitzer. C. B. Beck Verlag, München, 1951.

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Dieses Buch ist aus dem Bestreben geschrieben, der Kenntnis dessen zu dienen, was man jeweils unter Europa verstand. Es hält ein hohes wissenschaftliches Niveau. Daß der Verfasser bei aller Berücksichtigung des europäischen Gesichtspunktes mehr die deutsche Ideengeschichte verfolgt, ist eine freiwillige Beschränkung, ebenso die Wahl der Jahrhunderte. Gollwitzer findet noch Spuren des universalen alteuropäischen Ordnungsdenkens bei Schriftstellern, bei denen man sie nicht mehr vermuten würde, auch bei den sogenannten nationalen des frühen 19. Jahrhunderts. Natürlich könnte man vielleicht sagen, daß die entscheidenden Grundlagen für Europa jn jenen Jahrhunderten gelegt wurden, denen Gollwitzer nur ein Kapitel widmet, daß es im alten Imperium Romanum, im karolingischen und in den hochmittelalterlichen Imperien seine ersten festen Rahmen gefunden hat, daß man Europa eher aus den politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturgeschichtlichen Tatsachen jener früheren Jahrhunderte ableiten kann als aus den denkerischen Erlebnissen der Aufklärung, die doch im ganzen mehr weltbürgerlich war. Aber welcher Zeit ein Historiker sein Augenmerk zuwendet, darüber ist mit ihm nicht zu rechten. Wir können Gollwitzer nur für seine feinsinnigen Darlegungen innerhalb der von ihm abgesteckten Grenzen danken, danken auch für die Wiederentdeckung einzelner großartiger Gedanken, wie dessen von Montesquieu, daß europäisches Gesamtinteresse über dem einzelstaatlichen stehe. Höchst aufschlußreich sind auch die Darlegungen Gollwitzers über die Gleichgewichtsidee im 18. Jahrhundert, die als zur Ausgleichung der Sonderinteressen gefundenes Korrektiv in eine Geschichte der Europa-Idee hineingehört.

Schon der Untertitel kündigt das Werk als „geistesgeschichtliche“ Untersuchung ah, wie sie seit Dilthey und Meinecke im deutschen Sprachgebiet so beliebt ist. Europa war aber selbstverständlich außer Bild und Gedanke auch politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche, religiöse und geistig-kulturelle Wirklichkeit. Manchmal wünschte man sich ein längeres Verweilen im Bereiche det Realität, nicht nur bei der Spiegelung in der Welt der Ideen. Aber das läge außerhalb des Zieles einer ideengeschichtlichen Darstellung. Das von Gollwitzer Gebotene ist höchst befriedigend und dem Buche ist die Verbreitung zu wünschen, die es dank der Sauberkeit seiner Gesinnung, der Ehrlichkeit seines Wollens und dem geistigen Reichtum seines Inhaltes nach verdient. Es kann der so notwendigen Bewußtmachung und Verdeutlichung des Europadenkens wesentliche Dienste leisten. Univ.-Prof. Dr. Karl Pivec

Sir Basil Zaharoff, der König der Waffen. Von Robert N e u m a n n. Verlag Kurt Desch, München. 343 Seiten.

Als Verfasser der geistreichen Parodien „Mit fremden Federn“, als Autor der beiden in grellen und düsteren Farben gemalten Panoramen einer wirren Zeit, „Sintflut“ und „Macht“, ist Robert Neumann, der seit langem ferne seiner Wiener Heimat meist in London lebende Ehrenpräsident des Oesterreichischen PEN-Clubs, eines guten Platzes in der Literaturgeschichte gewiß: aktiv, denn seine ins Herz und ins Hirn (oder in die Hirnlosigkeit) treffenden „ä la maniere de“ sind in ihrer entlarvenden Kraft zugleich Zeugnisse einer Epoche und der kritischen, das Besondere eines Dichters auf dem Hintergrund seiner Umwelt heraushebenden Fähigkeit, die den berufenen Historiker ankündet; passiv, denn Form und Inhalt der drei großen Bücher Robert Neumanns stempeln ihn zu einem der wertvollen Vertreter der sogenannten Neuen Sachlichkeit. Daß aber sein Versuch, die Geschichte eines der wichtigsten Männer — oder sollen wir setzen, eines der männlichsten Wichte? — des imperialistischen Zeitalters zu schreiben, dem gescheiten und gewandten Schriftsteller Lorbeeren als politischer Historiker oder auch nur als politischer Publizist einbringen wird, das wagen wir zu bezweifeln. Diese Vie romancee, die sich durch ein anhangweises Quellenverzeichnis — eine ungewollte Parodie ernsthafter Geschichtsforschung — die Allüren einer wissenschaftlichen Arbeit gibt, ist zweifellos schmissig und fesselnd erzählt. Sie behandelt die außerordentliche und höchst unordentliche Laufbahn eines erfolggekrönten Skrupellosen, der, wenn einer über Leichen ging, über Leichen tanzte, über Leichen hoch emporstieg, bis zum G. C. B., zum Großkreuz der Ehrenlegion, zum vielfachen Pfundmillionär, vor allem aber zu einem der mächtigsten Drahtzieher hinter den Kulissen der Weltpolitik. Leider hat der unzünftige Biograph, wie das so bei der feuilletoni-stischen Geschichtsschreibung im Stil der Emil Ludwig und Stefan Zweig üblich ist, wahllos und chaotisch aus unverdauten Quellen geschöpft. So steht Wahres und sofort als Tratsch Erkennbares nebeneinander, wird über Probleme diskutiert, die keine sind, und bleiben andere unerörtert, die sich aufdrängen.

Robert Neumanns' „Zaharoff“ ist also kein Werk, das für den Historiker oder für die Geschichtsforschung Wert oder auch nur Interesse hätte, doch es erfüllt seine Aufgabe, wenn wir es als einen Abenteuerroman betrachten, der irgendwie um eine historische Gestalt sich rankt und dem die einem großen Publikum behagende Kunst des glatten, spannenden Erzählens und der vereinfachenden Formeln einen durchschlagenden buchhändlerischen Erfolg sichern werden.

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