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Geschichte der deutschen Literatur

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Di neue einbändige Kurzfassung der bereits seit einem Menschenalter vorliegenden Literaturgeschichte Josef Nadlers bedeutet keineswegs nur eine neue Redaktion des vierbändigen Werkes. Da6 Buch ist im ganzen neu komponiert, was viele Umstellungen und neuen verbindenden Text notwendig machte. Die durchgehenden geistesgeschichtlichen Entwicklungen und Zusammenhänge sind nun stärker als in der großen Fassung herausgearbeitet, Jedenfalls sind sämtliche Einleitungen zu den Titeln der sechs Bücher und der einzelnen Kapitel neu geschrieben. Ferner sind neu geformt die folgenden Abschnitte: Gottfried von Straßburg, Walther von der Vogelweide. Lessing, Hamann, Kant, der junge Goeth, Tieck, Wackenroder und der Teil über dessen „Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders“ sowie der jünger Tieck, Mozart, Hölderlin, Mörike, Schopenhauer (zum Teil), Hebbel, Heyse, Stifter, Raimung, Grillparzer, Nietzsche, Hesse, (zum Teil), Rom, Frankreich, die Angelsachsen (zum Teil), Ebner-Eschenbach, Bahr, Rilke, Werfel, Hartlieb, Felix Braun, Csokor, Meli (zum Teil), Carossa (zum Teil), Schneider-Franken, Langgässer, Zuckmayer, Rausch und besonders Gernart Hauptmann. Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als daß wir es — gegenüber der vorangegangenen „Literaturgeschichte der deutschen Stämme und Landschalten“ und der „Literaturgeschichte des deutschen Volkes — mit einem neuen Buche zu tun haben, das sich die Erfahrungen und Erkenntnisse de6 Autors sowohl wie auch der Forschung im allgemeinen zunutze macht. Ganz und gar nicht übersehen werden dürfen auch zwei wertvolle Beigaben, die zur Originalität des Buches wesentlich beitragen: eine Vorschule über „Literaturwissenschaft“ und über „Die deutschen Stämme“ sowie ein launiges selbstbiographisches Nachwort, das der Autor lakonisch mit „Schlußrede“ überschreibt, hinter dem sich aber der Kern einer Selbstbiographie des originellen Schriftstellers und Gelehrten Nadler verbirgt, zu dessen Ausweitung und Abrundung man ihn nur lebhaft ermuntern möchte. Beide Stücke runden die Darstellung nach der theoretischen wie nach der lebenspraktischen Seite wertvoll ab.

Von den Vorragen des Buches sei zunächst df Streben nach besonderer Übersichtlichkeit hervorgehoben. Die sechs Bücher (Romanik und Gotik, Renaissance und Barock, Klassik und Romantik, Romantik und Revolution, Materialismus und Idealismus, Humanismus und Nationalismus) sind nach den entscheidenden geschichtlichen Epochen Deutschlands aufgegliedert und durch kurze Zusammenfassung wi durch Marginalien und Kolumnentitel aufgeschlossen. Das heißt nun nicht, daß man dieses Buch lesen kann, indem man es als Nachschlagwerk vermittels eines Registers und anderer Hilfmittel benützt. Gerade das ist die Nadlersche Darstellung nicht. Hier kommt es auf die großen geschichtlichen Ströme an. nicht auf die in solch verkürzter Fassung ebenfalls oft recht gedrungen mitgeteilte Einzelheit.

Man muß dem Verfasser schon Dank dafür wissen, daß er es unternommen hat, die Grundlinien seiner Geschichtsdarstellung eiamal so scharf aus dem großen vierbändigen Werk herauszumeißeln, daß diese nun jedermann leicht sichtbar vor Augen stehen. Damit ist in höchster Gedrungenheit ein Werk entstanden, das knappste Mitteilung der Fakta mit strenger ursächlicher Verknüpfung verbindet. Es wäre ein unmögliches Unterfangen, im Rahmen dieser kurzen Anzeige zum Inhalt des Buches Stellung zu nehmen. Das muß an anderem Ort auf größerer Plattform geschehen. Es ist wohl nicht schwer den Propheten zu spielen, wenn man sagt, daß dieses Buch berufen ist, die auch heute noch gern gelesene Literaturgeschichte von Scherer als deutsches Volksbuch in der Gunst der Leser zu verdrängen. Wir sehen eben heute vieles anders als Scherer. Da war es denn an der Zeit, der Gegenwart die ihr gemäße Literaturgeschichte zu geben. Das hat Nadler mit diesem Buch getan. Dr. Robert Mühlher

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