6734507-1966_14_15.jpg
Digital In Arbeit

Heiterkeit und Sozialkritik

Werbung
Werbung
Werbung

Mit einem recht markanten Auftakt begann in Wien die „Internationale Festwoche des heiteren Films“, jene Veranstaltung, die auf eine Initiative der Wiener Filmjour- nalisten zurückgeht und ein Festival sein will, das die Heiterkeit und den Humor der einzelnen Filmnationen dem Publikum vermitteln möchte. Als Eröffnungsfilm wurde der französisch-rumänische Farbfilm „Galante Feste" des französischen Altmeisters Renė Clair gezeigt, der durchaus die Qualitäten eines Festivalsfilms unter Beweis stellte. Es ist eine Satire auf Krieg und Kriegsheldentum, allerdings zahmer als etwa „Fanfan, der Husar“ an den man unwillkürlich erinnert wird, aber köstlich in vielen Passagen, wenngleich sich auch einige Längen bemerkbar machten und der Grundeinfall eben doch nicht für die ganze Länge des Films ausreichte. Aber der pfiffige Jean- Pierre Cassel amüsierte sein Publikum durch seine diversen heiteren Abenteuer, durch die ein ebenso überflüssiger wie lächerlicher Krieg schließlich glücklich und versöhnlich zu Ende gebracht wurde. (Auf die übrigen Streifen der „Viennale 1966“ und die Retrospektive wird in der kommenden Nummer zusammenfassend eingegangen werden.)

Deutschland versuchte erneut mit einem Stück des charmanten und witzigen Curt Goetz Staat zu machen und bot dazu eine Paradebesetzung und ein Bombenteam an Regiestab auf, aber trotz Heinz Rühmann und Liselotte Pulver, trotz Kurt Hoffmann auf dem Regiesessel und Richard Angst hinter der Kamera, konnte der hintergründige Witz dieser an sich nicht sehr tragfähigen Justizkomödie „Hokuspokus" nicht recht in Schwung kommen. Man weiß nicht recht, ist es der unpassende Aufwand, das allzu deutliche Bemühen um Originalität, besonders dort, wo dadurch eine ablenkende Wirkung zustande kommt, oder ist es die Besetzung, die den „Goetz-Figuren“ nicht ganz gerecht zu werden vermag. Eine schlichtere und dadurch werkgetreuere Wiedergabe wäre dem Stückchen sicherlich besser bekommen und hätte die kleinen Mängel nicht so sehr vergröbert.

Der allzu reißerhafte deutsche Titel „Die Peitsche im Genick" des italienischen Films „I compagni“ könnte leicht einen Abenteuerfilm vermuten lassen und das falsche Publikum ins Kino locken, denn dieser Film erzählt ein Stück vergangener Wirklichkeit, jene Zeit bitterster sozialer Ausbeutung durch kapitalistische Fabriksherren, etwa um die Jahrhundertwende, in diesem Fall in Italien. Die Arbeiter einer Turiner Spinnerei treten in den Streik, um eine Milderung der unmenschlichen Arbeitsbedingungen zu erreichen. Ein idealistischer Intellektueller ergreift für sie Partei, lenkt ihre zögernde und hilflose Rebellion gegen dieses himmelschreiende Unrecht in richtige Bahnen, so daß zuletzt, trotz Nachgeben und Scheitern, ein Hoffnungsschimmer am Horizont erkennbar wird. Wenn aber dieser großartig gespielte und inszenierte Film doch nicht jene letzte Überzeugungskraft erreichen kann, so liegt es hauptsächlich an den völlig gewandelten Verhältnissen, die heute herrschen, und an einem gewissen Zug zu ideologischem Pathos. Man sollte aber nicht vergessen, daß ähnliche himmelschreiende Gegensätze auch heute noch in anderen Teilen der Welt, etwa in den lateinamerikanischen Ländern, herrschen und ununterbrochen hochexplosiven Zündstoff für soziale Revolution aufhäufen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung