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Angst vor der Bauflut
Als „die fadeste Budgetdiskussion seit langem“ bezeichnete ein ÖVP-Gemeinderat die Finanzdiskussion in Salzburgs Stadtparlament, durch die Wahlen des Vorjahres heuer verspätet angesetzt, am Vormittag des letzten Budgetdebattenitages. Was aber am Vormittag noch als langweilige Sitzung deklariert worden war, erregte am Nachmittag die 14 Mann starke Fraktion der ÖVP. Bei einer Diskussion und bei der Abstimmung über ein Terassenhausprojekt auf dem Mönohsberg stimmte nämlich Frau Stadtrat Martha Weiser gegen dieses Projekt, gegen ihre Fraktion und gegen die Fraktion der Freiheitlichen und meinte dazu: „Ich habe mich schon dreimal in Bausachen gegen mein Gewissen an den Klubzwang halten und das bereuen müssen.“
ÖVP-Klubobmann Fritz Rücker dagegen: „Es handelt sich um ein gutes Projekt, das bestens in die Gegend paßt. Wir haben das im Klub eingehend geprüft. Frau Stadtrat Weiser war bei der Klubberatung nicht anwesend.“
Konnte Salzburgs mutige ÖVP-Stadträtin, die ihre Vorstellungen über das Stadbild von Salzburg nicht unter Klubzwang stellen ließ, die Zustimmung zu einem Apartmenthaus auf dem Mönchsberg nicht verhindern (ÖVP und FPÖ stimmten gegen die SPÖ plus Weiser mit 20 zu 17 Stimmen für das Projekt), so will SPÖ-Stadtrat Hanselitsch, Anrainer des geplanten Apartmenthauses, im Stadtviertel Riedenburg eine Bür-gerinitiatve starten.
Mit dieser Abstimmungsmisere im Salzburger Gemeinderat war es jedoch in der Frage der Verbauung (laut Professor Friedrich Welz der „Verschandelung“) Salzburgs nur zu einem neuen Höhepunkt gekommen, dem zweifellos noch weitere folgen werden. Denn große Diskussionen erwartet man in nächster Zeit bereits um andere Projekte, die umfangreicher sein werden als das Te-rassenhaus auf dem Mönchsberg. Stadtrat Weiser erklärt dazu: „Ich
bin gespannt, ob die sozialistischen Architekten und Gemeinderäte Till und Enhuber dann auch so radikal dagegen sein werden.“ Enhuber und Till haben nämlich mit ÖVP- und FPÖ-Wohnbaugesellsohaften in Salzburg bereits Objekte geplant und errichtet, dia wegen zu enger Verbauung nicht in die Landschaft passen und infolge zu großer Höhe zweifellos auch ihren Beitrag zu einem „verschandelten“ Stadtbild Salzburgs leisten.
Wohnungsfehlbestand? Salzburgs Altstadt- und Stadtbildschützer werden sich, wenn die Vorzeichen nicht trügen, gleich an mehreren Projekten erhitzen können:
• In Parsch, dem ehemaligen Villenvorort, soll auf den Mayr-Meln-hof-Gründen ein Projekt mit 800 Wohnungen entstehen, wobei eine bis zu zehngeschossige Verbauung geplant ist, die der Skyline amerikanischer Städte zur Ehre gereichen könnte.
• Parkgaragen an den Hausbergen, die ebenfalls nicht zur Verschönerung des Stadtbildes beitragen, sollen nunmehr außen und nicht, wie
dies der Salzburger Architekt Gar-stenauer vorgeschlagen . hat, im Berginnern errichtet werden.
• In Salzburg-Aigen, wo bereits fünfgeschossige Verbauung genehmigt wurde, zittern die Anrainer vor der Möglichkeit, daß die letzten Grünflächen in der Umgebung der Kirche von der Stadt in Bauland umgewidmet werden könnten. Parzellierungen wurden von Grundbesitzern bereits vorweggenommen.
• In Lehen werden Hochhausprojekte geplant, und am Salzburger Bahnhof entsteht ebenfalls eine Anlage, die ein Vielfaches des seinerzeit so negativ kritisierten Hotels Europa an Verunstaltung des Stadtbildes mit sich bringen wird.
Die Schönheit der Stadt und ihrer Umgebung führt aber dazu, daß Salzburg im In- und Ausland immer mehr als Wohngegend gefragt wurde. Allein in den letzten Jahren wurden hier 28 Wohnbaugesellschaften mit größerer oder kleinerer Aktivität gegründet.
Obwohl in Salzburg derzeit angeblich 3000 der neu errichteten Wohnungen leer stehen sollen, spricht Landeshauptmann Lechner noch immer von einem „quantitativen Wohnungsfehlbestand“. Die enorme Bautätigkeit führte nämlich dazu, daß das Angebot an Wohnungen für Bundesdeutsche und Zweitwoh-nungsbewerber sehr groß war, die steigenden Baukosten und die ebenso in die Höhe gegangenen Preise für Grundstücke aber den Wohnungsbau für breitere Bevölkerungs-schiohten und den Sozialwohnungsbau stark konkurrenzierten.
So muß auch Stadträtin Weiser zugeben, daß das Problem zusätzlicher Baugründe im Stadtgebiet Salzburgs frühestens dann gelöst werden kann, wenn der Flughafen, der die natürliche Ausweitung der Stadt nach Westen und Norden einschränkt, verlegt wird. Das aber wird frühestens in zehn Jahren der Fall sein — wenn es überhaupt dazu kommt...
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