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Der Bauskandal

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Vor einem knappen Jahr gab es in Spanien einen ausgewachsenen Skandal um die „Türme des Kolumbus“, welche auf dem gleichnamigen Platz in Madrid nach dem Aufhängeprinzip in geschickter Kombinierung der Elemente Stahl und Beton gebaut wurden. Seit einem Jahr stehen aber die Bauarbeiten, da offenbar um neun Meter über die zulässige Bauordnung hinausgebaut wurde und der Prozeß der Stadtverwaltung gegen die Baufirma vor dem Obersten Gerichtshof noch immer zu keinem Abschluß gekommen ist.

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Vor einem knappen Jahr gab es in Spanien einen ausgewachsenen Skandal um die „Türme des Kolumbus“, welche auf dem gleichnamigen Platz in Madrid nach dem Aufhängeprinzip in geschickter Kombinierung der Elemente Stahl und Beton gebaut wurden. Seit einem Jahr stehen aber die Bauarbeiten, da offenbar um neun Meter über die zulässige Bauordnung hinausgebaut wurde und der Prozeß der Stadtverwaltung gegen die Baufirma vor dem Obersten Gerichtshof noch immer zu keinem Abschluß gekommen ist.

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Während es sich hier um einen Streit zwischen der Verwaltung einer Stadt, die immerhin mehr als drei Millionen Einwohner zählt, und einer privaten Baufirma handelt, ist beim neuesten Madrider Bauskandal ein neues Element hinzugekommen. Erstmalig hat nämlich das Bautenministerium gegen einen Entscheid der städtischen Baubehörden Stellung genommen und damit auf eine sehr direkte Weise in die Kompetenz der Lokalverwaltung eingegriffen.

Einige hundert Meter hinter dem berühmten Stadttor „Puerta de Aloalä“ wuchs ein gigantisches Hochhaus in den Himmel. Dagegen wäre an sich nichts einzuwenden, wenn sich nicht kurz vor Beendigung der Bauarbeiten herausgestellt hätte, daß dieser Turm von Valencia, wie der Wolkenkratzer genannt wird, eine vollständige Veränderung, um nicht zu sagen Verunzierung, des

Stadtbildes herbeiführte. Er ließ die vom sizilianischen Architekten Francesco Sabatini 1764 erbaute „Puerta de Alcalä“ plötzlich wie ein Spielzeug erscheinen.

Gleichzeitig ist der Charakter eines ganzen Stadtbildes, in welchem das erwähnte Stadttor und der bekannte Platz „Cibeles“ eine Hauptrolle spielen, wesentlich verändert worden, was sicher nicht im Sinne des Gestalters des neuen Madrid war. Dieser, einer der fähigsten Monarchen der letzten Jahrhunderte, ist denn auch nicht als König Karl III. in die Geschichte eingegangen, sondern als „König-Bürgermeister“, da er sich weit vorausschauend für ein großzügig gebautes Madrid eingesetzt hatte.

Erstaunlich an der Geschichte sind einige Tatsachen, vor allem, daß zutiefst einschneidende städtebauliche Veränderungen von den Behörden, die ja die Projekte bewilligt haben, erst bemerkt werden, wenn ein ganzer Wolkenkratzer steht und sich die Zeitungen vor empörten Leserbriefen nicht mehr zu retten wissen. Dazu erklärt die Baubehörde, sie hätte diese Veränderung nicht voraussehen können. Dies klingt nicht sehr überzeugend, denn die Baufirma hatte nicht nur die genauen Pläne, sondern auch ein maßstabgetreues Modell zur Bewilligung eingereicht.

Viel wahrscheinlicher erscheint eine gewisse Spekulationslust seitens der städtischen Baubehörde, welche ihrerseits vom staatlichen Bautenministerium mit der Überwachung und Bekämpfung der privaten Spekulation betraut worden ist. Zwei Seelen wohnen offensichtlich in der Brust der zuständigen Beamten, wurde doch das Grundstück für den Ärgernis erregenden Wolkenkratzer von der Stadtverwaltung zum hor renden Preis von 190 Millionen Peseten an eine private Firma veräußert, obschon Madrid grüner Zonen immer mehr ermangelt.

Hier scheint auch der Bautenminister eingehakt zu haben, er erließ ungeachtet irgendwelcher Kompetenzschwierigkeiten den Befehl, die Arbeiten abzubrechen und notfalls das Gebäude wieder abzureißen. Dieser Verordnung wurde insofern umgehend Folge geleistet, als die Arbeiten eingestellt wurden und die Stadtverwaltung von der Bäufirma über die Presse erfuhr, daß man über die ordentlichen Gerichte eine Entschädigungssumme von einer Milliarde Peseten (!) einklagen werde.

Dieser gigantische Betrag, der sich auf Grund des angerichteten Schadens rechtfertigen läßt, rief aber die Finanizbehörden auf den Plan, und nach einer Ministerratssitzung mußte der Bauminister seinen Entschluß gegen seinen Willen und gegen die öffentliche Meinung rüdegängig machen. Die Bauarbeiten wurden sofort wieder aufgenommen. Geblieben ist der Eindruck, daß das Ministerium für öffentliche Arbeiten gewillt ist, den chaotischen Zuständen in den städtischen Baubehörden ein Ende zu setzen. Es dürfte eine dringend notwendige Säuberung ein- setzen.

Nicht so glimpflich kam eine Ho- telgeseülschaft auf der Insel Ibiza davon, die in der Nähe des Flugplatzes ein Luxushotel mit 400 Zimmern aufgestellt hatte. Auch dieser Bau entsprach in keiner Weise den gesetzlichen Bestimmungen und verletzt die Flugsicherungsvorschriften. Die private Gesellschaft fühlte sich aber ihrer Sache sicher, zählte doch der Bürgermeister von Ibiza zu ihren Verwaltungsräten. Der Bürgenmeister hatte aber nicht mi der

Härte des Luftfahrtaninisteriums gerechnet. Nach mehreren Warnungen wurde der nahezu fertiggestellte Bau in die Luft gesprengt. Der Explosionsdruck hat einige Beamtensessel umgestürzt.

Ähnliche Beispiele kleineren Umfangs gibt es eine Legion, was niemanden verwundert, der die Verhältnisse näher kennt, entstehen sie doch aus einem Grundübel der spanischen Gesellschaft, der Überschneidung staatlicher mit privaten Interessen. Mindestens 25 Prozent aller spanischen Architekten sind Angestellte der Stadt-, Provinz- oder staatlichen Baubehörden. Da sie durchwegs unterbezahlt sind, haben sie Privatbüros, wobei sich häufig die Proportionen verschieben und die staatliche Anstellung zu einer Nebenbeschäftigung wird. Das bedeutet, daß 25 Prozent der Architekten in ihrer Doppelfunktion als freie Architekten und Beamte ihre eigenen Projekte gutheißen. Wobei viele private Bau- firmen aus kluger Voraussicht jene Architekten bevorzugen, die gleichzeitig Beamtenstatus genießen, so daß mehr als die Hälfte aller Bauprojekte von denselben Leuten gutgeheißen wird, die sie zur Bewilligung eingereicht haben.

In der nordspanischen Stadt Gijon wurde nun ein Grundsatzurteil gefällt, wobei ein eingereichtes Projekt als unzulässig erklärt wurde, weil der Urheber gleichzeitig Stadtarchitekt von Gijon war. Als weitere Folge der Skandale, zu denen sich die Sprengung von vier Appartementblocks in Torremolinos gesellt, beschreibt die neue Bauordnung der Stadt Madrid mit sehr viel mehr Genauigkeit als bisher, was zulässig und was verboten ist. Sie bedeutet eine echte urbane Verbesserung und berücksichtigt Erkenntnisse eines verstärkten Umweltschutzes.

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