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SALZBURG VOM REISSBRETT

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In der Salzburger Galerie Welz, jener altbewährten Ausstellungsstätte heimischer Graphiker, Maler und Bildhauer, hatte sich Ende April erstmals ein Mann breit gemacht, dessen Kunstgattung die Architektur ist. Der Galeriebesitzer Welz, schon lange dafür bekannt, daß er sich als Hobby auch mit Altstadtplanung und Altstadterneuerung befaßt, hatte den Salzburger Architekten Gerhard Garstenauer (von dem es bei der letzten Gemeinderatswahl lange Zeit hieß, er werde die Fraktiönsreihen der ÖVP verstärken) eingeladen.

Garstenauers Plan: „Wie wird Salzburg im Jahr 2000 aussehen“ wurde der Öffentlichkeit vorgestellt. Der Architekt griff dabei nicht nur den zögernden Salzburger Stadtplanern vor und legte erstmals ein wirklich echtes Konzept für die Stadterweiterung der nächsten Jahrzehnte vor, sondern er griff auch gleich in den in Salzburg nach wie vor schwellenden Konflikt um den künftigen Standort der Salzburger Universität ein. Während nämlich der Salzburger ÖVP-Vizebürgermei- ster Dr. Wilfried Haslauer und mit ihm weite Kreise seiner Partei für eine Placierung im Bereich des Nonntales plädieren und die Salzburger SPÖ die Universität im südlichen Bereich von Salzburg in der Gegend der Alpenstraße unterbringen will, meint Garstenauer, der einzig mögliche Standort sei die ebenfalls parallel zur Alpenstraße verlaufende Heilbrunner Allee. Dies sei doch jener einzig mögliche Platz, wo noch genügend Grundreserven vorhanden sind, um einen Ausbau der Universität und der dazugehörigen Sportanlagen und Parkplätze auf Jahrzehnte hinaus zu gewährleisten. .

Wachstum nach Süden schlag 4 vertritt der eigenwillige, aber allgemein anerkannte Salzburger Architekt auch die Meinung, die Hauptwohnviertel von Salzburg müßten samt aller dazugehörigen Verkehrseinrichtungen in Hinkunft auf jeden Fall in die Gegend südlich von Salzburg rechts und links der Salzach ausgebaut werden, da hier der ruhigste Abschnitt und die optimalsten Gegebenheiten von Salzburg vorhanden seien. Denn zu Recht verweist Garstenauer darauf, daß načh Osten die Salzburger Erweiterungsmöglichkeiten durch das bergige Land kaum mehr ein Wachstum ermögliche, während nach Norden und Westen praktisch — obwohl man dort die umstrittene Sattelitenstadt Taxham, durch Stadt und Land errichtet hat — eine Erweiterung ebenfalls nicht nur durch die Industrieanlagen, sondern auch durch Autobahn und Flughafen kaum möglich sei. Der Vorschlag 4 geht vor allem von der Tatsache aus, daß die' Altstadt dadurch, daß sie ' weitgehend zur Fußgängerzone erklärt wird, mit neuem geschäftlichen Leben erfüllt werde. Aber auch die neuen Stadtteile müßten mit einem eigenen ständigen, selbständigen und geistigen Leben erfüllt werden, ohne der Altstadt in ihrer Stellung Konkurrenz zu machen.

Offene Planung

Für die Verbindung der neuen Stadtviertel sei es vor allem wesentlich, daß durch Schaffung von Ring- und Verbindungsstraßen, Bau von Brücken eine entsprechende verkehrsmäßige Koordinierung geschaffen werde. Für die Entwicklung bis zum Jahr 2000 stellt Garstenauer, wie er meint, mit Absicht sehr extreme formelle Grundsätze auf:

• Neue Kräfte zwingen zur Bildung neuer Maßstäbe für Größe, Form und Gliederung der Stadt: Bevölkerungsvermehrung, Zunahme der Freizeit, Erhöhung des Lebensstandards, Zunahme des Bildungsbedürfnisses.

• Man muß für ein Wachstum planen; nicht für ein festgelegtes Ziel: Methode der „Offenen Planung“.

• Der „Behälter Stadt“ in seiner heutigen Form wird bald verschwunden sein, die „Stadtregion Salzburg“ wird an seine Stelle treten.

• Alle Möglichkeiten sind auszuschöpfen, um Salzburg zu einem „Ort der Begegnung“ in europäischem Sinn zu machen.

• Die Glieder der Stadtregion der Zukunft werden weitgehend den Kraftlinien der technischen Entwicklung folgen, um leichter Güter, Dienste, Nachrichten auf integrierten Verkehrswegen „transportieren“ zu können — lineares, nicht konzentrisches Wachstum; diese lineare Entwicklung wird sich — wie die Untersuchungen zeigen — in Richtung Hallein orientieren.

• Die städtebauliche Lösung wird kein Meisterplan historischer Prägung sein, sondern ein nach einem Gesamtprogramm entwickeltes, offenes, dem Gesetz der Veränderlichkeit besonders zugängliches System.

Größe, Form und Gliederung der Stadt Salzburg müssen den laufend wechselnden Verhältnissen folgen — um das Jahr 2000 wird Salzburg mindestens 200.000 Einwohner haben —, eine Stadtregion würde sich bis in den Raum Hallein erstrecken müssen. Der Verkehr im Jahre 2000 wird auf geradlinigen und mach Geschwindigkeit differenzierten Verkehrswegen geführt werden müssen.

Wenn Garstenauer auch selbst feststellt, daß seine Vorschläge nur ein Teilkonzept sein könnten-, so zeigt es sich doch, wie sehr er durch die in jahrelanger Kleinarbeit erstellte, auf Privatinitiative fußende Studie die Politiker aus Land und Stadt aufschreckte.

Nicht nur, daß man sehr viele Politiker der Landeshauptstadt in die Galerie Welz pilgern sah, um sich dort einen persönlichen Eindruck des Gezeigten zu verschaffen, nur wenige Tage nach Ausstellungseröffnung erklärte bereits der Landesparteiobmann der ÖVP, Nationalrat Karl Glaser, in einer Landesparteisitzung: Auf Landesparteiebene werde man in nächster Zeit den Fragen der Raumordnung und Entwicklungsplanung großes Augenmerk zuwenden müssen, da auf diesem Sektor entscheidende Weichen für die wirtschaftliche Zukunft des Landes vor allem der Landeshauptstadt und ihres Umlandes zu stellen sind.

Gedanken zur Architektur

Architektur ist wie alle Kultur — immer bedingt durch personal erfaßte Wesenszüge und Sachverhalte, und nicht das Ergebnis von Willkürakten. Die Fragen nach dem Wesen und nach dem Sinn stehen im Vordergrund.

Die Entwurfsobjekte fordern von uns, daß wir sie so angehen, wie sie von sich selbst her angegangen sein „wollen“, sie werden realisiert in schöpferisch urgehobenen Sinngebilden. Im Entwurf lebt der Geist des „So-sein-Wollens“. Im Erfüllen des „Seinswunsches“ öffnet sich das Unbekannte dem Architekten, wird das Wesen einer Aufgabe sichtbar und erlebbar.

Architektur ist äußerst komplex; viele rationale und viele nur intuitiv erfaßbare Faktoren bestimmen sie.

Das Ziel der Architektur wird stets das Optimum sein müssen. Je besser die Faktoren erfüllt sind, desto besser wird das Ergebnis sein. Das Optimum in der Architektur wäre somit dann erreicht, wenn mit einem Maximum an Hilfsmitteln ein Maximum von relevanten Faktoren optimal erfüllt wird. Praktisch hieße dies, daß unter Zuhilfenahme aller jeweils vorhandenen und zugänglichen wissenschaftlichen Erkenntnisse das verfügbare Maximum der besten Köpfe dieses Optimum schaffen könnte.

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